Künstliche Intelligenz hat in den letzten Jahren für Furore gesorgt, gerade Text- und Bilderstellung gehen dem Algorithmus scheinbar locker von der Hand. Was die KI im Arbeitsalltag leisten kann und ob unser Redakteur bald arbeitslos ist, dass haben wir im "hikelab" der Hochschule getestet...
Symboldbild per Anweisung: Produziere ein Bild das einen Journalisten am Laptop zeigt, der einen Artikel über KI im Arbeitsalltag schreibt. (Foto: erstellt mit Chat GPT 4)
...was wir aber sicher wissen ist, dass zum Beginn des 21. Jahrhunderts die ganze Menschheit in euphorischer Stimmung schwelgte. Wir bewunderten unsere eigene Genialität bei der Schöpfung der KI. - Morpheus, The Matrix (1999)
Als ich Matrix das erste mal gesehen habe, ausgeliehen auf VHS im Wohnzimmer eines Freundes, besaß ich noch kein Handy. Es bedurfte einiger Überzeugungsarbeit, ehe das Elternhaus zustimmte und ich ein kleines, handliches Gerät bekam, mit monochromen Mini-Display, Snake und limitierten SMS-Budget. Als ich ein paar Jahre später zum Studium in die Ferne ging, war eine eigene E-Mail Adresse etwas, das ich mir erst noch zulegen musste, Social Media erhob gerade so das Haupt, man gruschelte noch statt zu liken und der Discman wurde zum Staubfänger im Angesicht der mp3.
Ein Vierteljahrhundert später sitze ich im hikelab bei Thomas Herwig auf dem Campus der Nordhäuser Hochschule und muss an Morpheus und die Matrix denken. Wir versuchen, mich arbeitslos zu machen. Das Mittel zum Zweck: künstliche Intelligenz, die KI, genauer Chat GPT No. 4.
Zu Gast im hike lab
Jemand, der seinen Lebensunterhalt dem Umstand verdankt, etwas besser mit Worten umgehen zu können als andere und dem ab und an ein passables Foto gelingt, darf sich schon Gedanken machen, wie weit das mit der Künstlichen Intelligenz noch gehen wird. Kaum zwei Jahre ist es her, dass die Algorithmen den ersten, spürbaren Aufschlag in der breiten öffentlichen Wahrnehmung hingelegt haben und wer ein bisschen im Netz stöbert, findet zahlreiche Vergleiche, was sich seitdem getan hat. Das Potential ist enorm, das Tempo rasant.
In einer industriellen Revolution ist es nicht die neue Technologie, die Menschen arbeitslos macht und ganze Branchen verschwinden lässt, es sind diejenigen, die mit der Technik umgehen lernen und sie zu nutzen wissen, sagt Thomas Herwig. Leute, die das Neue nicht scheuen, mit Mut zum Risiko und Experimentierfreude - kurzum Entrepreneure.
Mit dem "hikelab" soll es für kreative Köpfe hoch hinaus gehen (Foto: agl)
Um genau die will man sich im hike kümmern. Das Akronym erinnert, nicht ganz unpassend, an das englische Wort für wandern, steht aber eigentlich für Hochschulinkubator für Entrepreneurship" und ist Teil der weiteren Strategie, aus dem breiten Spektrum des wissenschaftlichen Betriebs Mehrwert im Alltag zu schaffen und damit auch die Region weiter nach vorne zu bringen. Im Bereich Existenzgründungen sei der Südharz unter den Schlusslichtern, führt Herwig aus, der Prognos Zukunftsatlas attestiert dem Landkreis geringe Dynamik und positioniert Nordhausen auf Platz 396 von 400 in Sachen Zukunftschancen.
Dabei habe die Region beste Vorraussetzungen, um aus diesem Tal herauszufinden, meint man beim hike, auch Dank der Hochschule. Neugründungen in Thüringen würden in vier von fünf Fällen von Akademikern aus der Taufe gehoben, das Wertschöpfungspotential ist hoch und der Inkubator soll helfen, derlei Ressourcen auch in Nordhausen stärker anzuzapfen.
Im Grunde lässt sich der Ansatz mit einem Trichter vergleichen. Man gibt oben alle nur erdenklichen Ideen hinein und sieht dann im Laufe des Prozesses, was als realistischer Ansatz übrig bleibt. Qualität aus Quantität., erklärt der Lab Operations Manager. Im besten aller Fälle ist einmal das nächste große Ding dabei und wenn nicht, dann kommt mitunter eine solide Geschäftsidee heraus, man hat dem Unternehmernachwuchs auf die Füße geholfen und den kreativen Köpfen ein paar handfeste Erfahrungen für die Zukunft an die Hand gegeben.
Thomas Herwig und Kollegen im offenen Büro des "hike" (Foto: agl)
Mit drei Kollegen betreut man am "hike" Studentinnen und Studenten, Lehrende und gerne auch angehende Gründer jenseits des Campus dabei, ihre Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Der kleine Flachbau im Herzen des Hochschulcampus verfügt über ein Gemeinschaftsbüro, Konferenzräume, digitale Anbindung und eine gut bestückte Prototypenwerkstatt, samt 3D-Drucker und anderem Gerät, das sich anschickt, unsere Arbeits- und Produktionsprozesse umzukrempeln. Gefördert wurde das ganze durch das Land Thüringen und das Bundesministerium für Forschung.
Wenn wir ein Innovationsstandort sein wollen, dann braucht es dafür das richtige Ökosystem und das wollen wir schaffen. Wir organisieren Vorträge, Workshops und Exkursionen, bauen lokale Netzwerke auf und bieten Design-Challenges wie den Hikeathon an, erläutert Herwig. Bei Letzterem stellen regionale Unternehmen, wie etwa das Berufsbildungszentrum oder die Stadtwerke, Herausforderungen, zu denen die Teams in einem begrenzten Zeitrahmen kreative und praktische Lösungsansätze finden sollen. Und aus mancher Kopfgeburt wird schließlich Realität - aus der Betreuung von 26 Teams sind in den letzten Jahren sechs Unternehmensgründungen hervorgegangen, weitere sind in Vorbereitung. Die Palette ist breit - von einer digitalen Schulplattform, über Kindermöbel die mitwachsen bis zu Babypflege und nachhaltigen Pflanzkörben aus dem 3D-Drucker.
Ein stochastischer Papagei
Zur Zeit konzentriert man sich auf das Thema KI, für Mitte September ist ein AI Bootcamp geplant, das mittels Intensiv-Workshop für die Potentiale der neuen Technik sensibilisieren und ihre Anwendung schulen soll.
Wobei der Begriff künstliche Intelligenz etwas irreführend ist, mit den Maschinenwesen aus Matrix oder HAL 9000 haben Chat GPT und Co. herzlich wenig zu tun und sind auch nicht im eigentlichen Sinne intelligent. Die Algorithmen sind im Grunde die Synthese von Informatik und Statistik und eher eine Imitation von Intelligenz. Ein stochastischer Papagei. Die Systeme arbeiten mit der Vorhersage von Wahrscheinlichkeiten auf der Grundlage großer Datenmengen und inzwischen sind wir an einem Punkt, wo das unter den richtigen Umständen dann aussieht wie etwas, das ein Mensch produzieren würde., erläutert Thomas Herwig.
Für Furore haben in den letzten Jahren zwei verschiedene KI-Typen gesorgt, Large Language Models, kurz LLM’s und Diffusions-Modelle, die Bilder und Videos generieren können. Grundlage für die Güte der Ergebnisse sind zum einen die Datenbasis und zum anderen der Detailgrad der Anweisungen, der sogenannten Prompts. Gerade die Datengrundlage für die LLM’s wird immer umfangreicher, in seiner ersten Iteration konnte Chat GPT auf rund 117 Millionen Parameter zurückgreifen, inzwischen ist man mit der vierten Version des Modells bei rund 1,8 Billionen Datenpunkten angelangt. Iteration Nummer 5 ist in Arbeit, das Wachstum der Datenpunkte dürfte auch hier exponentiell ausfallen.
Wer mehr über das "hikelab" erfahren will, findet das Team natürlich
im Netz und mehr Informationen zu KI-Sprechstunde und Co. finden sich hier natürlich auch.
Computer says No
Was uns zu Punkt zwei und unserem kleinen Experiment bringt. Gerade in Sachen Textverarbeitung tut sich die KI hervor, ob nun in prosaischer Form oder als Programmierer. Wir wollen uns also einen nnz-Bot bauen und ihm die Aufgabe geben, unseren Redakteur zu imitieren.
Während Herwig die Grundlagen erläutert klingelt das Telefon, ein paar Terminabsprachen. Über den Bildschirm wandern derweil Code-Kolonnen, noch ehe das knappe Gespräch beendet ist, hat das Modell die nötigen Programmzeilen zusammengeschrieben um Tetris in Python bauen zu können.
Eine Fingerübung zu Demonstrationszwecken. Wir haben es auf etwas anderes abgesehen: der Bot soll uns eine Veranstaltungsmeldung schreiben - was passiert wann und wo, garniert mit ein paar Zitaten der handelnden Personen - Fleißarbeit im Alltag des Lokaljournalisten und ganz sicher kein Hexenwerk. Grundlage für den Artikel sind
Notizen zu einem Pressetermin der Stadtverwaltung vom Vormittag, man stellt das Programm zum nächsten verkaufsoffenen Sonntag vor, die nnz tippt fleißig mit*.
Ehe der Bot loslegen kann, braucht er noch einige Instruktionen und eine Datengrundlage, an der sich das Modell orientieren kann. Die stellen wir mit ein paar Klicks zur Verfügung: eine Auswahl an Meldungen aus Sport, Kultur und Alltagsgeschehen, die wir aus dem nnz-Archiv gefischt haben. Weiter geben wir dem Bot vor, wie er sich zu verhalten hat und legen Prioritäten fest.
Versuch Nummer Eins scheitert krachend. Der Bot tippt zwar wie ein Teufel und hat in wenigen Sekunden einen Text zurecht gezimmert, der Inhalt hat aber mit der Realität nicht viel zu tun. Nordhausen hat nun eine Oberbürgermeisterin Julia Meier, weitere Personen und Zitate werden frei erfunden und das anzukündigende Fest war bereits ein voller Erfolg dessen Fortsetzung fest steht.
Also alles Humbug? Herwig passt ein paar Parameter an, verfeinert die Aufgabenstellung. Versuch Zwei sieht schon besser aus, während die Zeilen über den Bildschirm sausen wird aber schnell klar, dass auch hier nicht alles stimmt.
Ein Höhepunkt des Wochenendes war die große Verlosung, bei der Einkaufsgutscheine und regionale Produkte gewonnen werden konnten. Auch kulinarisch wurde einiges geboten: Von lokalen Köstlichkeiten bis hin zu internationalen Spezialitäten war für jeden Geschmack etwas dabei.
Vom generischen Duktus einmal abgesehen sollte sich dieser Absatz aus den Notizen gar nicht ergeben und es drängt sich der Verdacht auf, dass der Bot zu viel Wert auf die Artikel legt, die wir ihm als Basis vorgegeben haben und deren Inhalte miteinander vermischt wurden.
In Versuch Nummer Drei füttern wir den Bot direkt mit den Notizen und siehe da: das Ergebnis nähert sich dem brauchbaren. Die grundsätzlichen Informationen stimmen jetzt, die Fehler liegen in den Details:
Neben dem Einkaufserlebnis und dem sportlichen Highlight bietet Nordhausen noch viele weitere Attraktionen. Der Heimatmarkt am Rathausplatz lädt von 11 bis 16 Uhr mit regionalen Händlern, Live-Musik und Imbissangeboten zum Verweilen ein. In der St.-Blasii-Kirche stellt sich die Kreisverkehrswacht vor, während das Junge Theater und der Zirkus Zappelini Mitmachaktionen für Kinder präsentieren. Auch kulinarisch wird einiges geboten: Feinkost- und Spirituosen-Verkostungen bei Aschenbrenner und Schlichting runden das Angebot ab.
Wer es musikalisch mag, sollte den Barfüßer Sommer 2024 nicht verpassen. Von 13 bis 21 Uhr treten auf zwei Bühnen regionale Bands und Musiker wie Herrenzimmer, Hofgang und Ronald Gäßlein auf. Die Altstadt-Initiative lädt in die Kurze Meile ein, wo weitere Händler und Gastronomen für das leibliche Wohl sorgen werden.
Mit ein paar Korrekturen und Ergänzungen ein durchaus lesbares Stück Text. Nicht ganz das, was der Redakteur üblicherweise zu Papier bringt, aber auch nicht meilenweit davon entfernt. Muss ich mir also doch Sorgen machen? Immerhin haben wir, summa summarum, gerade mal eine Stunde an dem Bot herumgebastelt und die Notizen waren, gelinde gesagt, ungeordnet. Wen das Gesamtergebnis interessiert, der findet den generierten Artikel
hier .
80/20
Die KI kann menschliche Arbeit und Kreativität nicht gänzlich ersetzen, ihr Potential im Arbeitsalltag liegt eher darin, dass sie generische Aufgaben schnell und einfach lösen kann. Statt Zeit damit zu verbringen, eine Einladung zu formulieren und zu gestalten, gibt man dem Algorithmus vor, was man haben will. Wenn die Prompts gut waren, bekommt man nach ein paar Minuten ein brauchbares Ergebnis., sagt Thomas Herwig. Manch ein Projekt könne sich so 80 Prozent der Fleißarbeit sparen und die restlichen 20 Prozent darauf verwenden, der Aufgabe den Feinschliff zu verpassen. Arbeitsprozesse erhielten so deutlich mehr Dynamik, man komme schneller und effizienter zu neuen Iterationen der angestrebten Idee oder des Produkts.
Macht die künstliche Intelligenz mich also bald überflüssig? Im Hause Springer hat man schon im vergangenen Jahr angekündigt, Redakteure durch KI zu ersetzen, ohne das der inhaltliche Anspruch darunter leiden soll. Wie hoch der bei den Presseerzeugnissen des Konzerns ist, mag jeder selbst beurteilen. Soweit die Schlagzeile, die durch das Netz geistert, tatsächlich geht es erst einmal nur um eine News-App, die nun als Trend News Generator mit KI Support neu am Markt platziert werden soll.
Und für den Lokalteil? Ist eher nicht damit zu rechnen, dass ich und die Kollegen alsbald auf der Straße landen. Auch die neue Technik kann nicht ohne Mensch. Ganz davon abgesehen das jemand da sein müsste, das nötige Futter beizubringen, braucht es auch den Feinschliff, den Herwig betont. Inhaltlich in jedem Fall - auch kleinere Fehler können einen Sachverhalt zur Unkenntlichkeit verfälschen - sprachlich, wenn der Lesefluss auch mit ein wenig Lesevergnügen einhergehen soll.
Was bleibt also von unserem Experiment? Eine Arbeitserleichterung im Alltag vielleicht, etwas weniger Fleißarbeit an der Tastatur. Bei einem Artikel aus der vergangenen Woche haben wir den Bot einmal bemüht, bis jetzt kamen keine Klagen. Es darf gerne geraten werden, welcher das war.
Und für den Rest der Welt? Viel Lärm um nichts? Oder sind wir bald alle Maschinensklaven und lebende Batterien für die KI-Herrscher? Bis zur Singularität gehen wohl noch ein paar Jahre ins Land. Vielleicht auch Jahrzehnte oder mehr. Die tiefe Analyse überlassen wir an dieser Stelle lieber den Literaten und Philosophen.
Aber nur für den Fall der Fälle: halten Sie sich von Roko's Basilisk fern.
Angelo Glashagel
*Anm. d. Red.: Der für den Redakteur aus unerfindlichen Gründen
kontrovers diskutierte Artikel wurde zu 100 Prozent biologisch abgetippt.