Viele Gäste bei Infoabend des Schulamtes

Perspektive Quereinstieg

Donnerstag
15.08.2024, 15:36 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Die Zeiten, in denen für ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer kaum ein Weg in eine Thüringer Schule führte, sind lange vorbei. Inzwischen herrscht Lehrermangel und Quereinsteiger in den Schuldienst sind gerne gesehen. In Nordhausen gab es dazu gestern eine gut besuchte Infoveranstaltung...

Inzwischen ist es auch in den Köpfen vieler Thüringerinnen und Thüringer wieder angekommen, dass es sich lohnt, Lehrerin oder Lehrer zu werden, dass zeigte am Donnerstag eine Beratungsveranstaltung des Thüringer Bildungsministeriums mit dem Staatlichen Schulamt Nordthüringen in Nordhausen.

Der Jazzclub in der Barfüßerstraße, in den die Thüringer Lehrergewinnungskampagne Menschen eingeladen hatte, die sich insbesondere für den Seiteneinstieg in den Lehrerberuf interessieren, platzte aus allen Nähten. Lockere Atmosphäre schafft Interesse und ermöglicht gute Gespräche, so das Kalkül, das aufgegangen ist.

Rund 80 Zuhörerinnen und Zuhörer waren gekommen und nutzten die Beratungsmöglichkeiten, die das Schulamt mit einem großen Team vor Ort anbot. Aufgrund der Hitze wurden etliche der Gespräche am Ende sogar direkt auf die Barfüßerstraße verlegt. Wie gestaltet sich der Weg aus einem außerschulischen Job in den Schuldienst? Welche Abschlüsse braucht man bzw. wie kann man sich nachqualifizieren? Und geht auch etwas jenseits des Unterrichtens als Lehrerin oder Lehrer?

Berufsberatung in der Barfüßer Straße - in der Jazzmangel informierte man gestern über den Quereinstieg in das Bildungswesen (Foto: TMBJS) Berufsberatung in der Barfüßer Straße - in der Jazzmangel informierte man gestern über den Quereinstieg in das Bildungswesen (Foto: TMBJS)


Einen politischen Bogen spannte Ministeriumssprecher Felix Knothe: Der Seiteneinstieg sei viel mehr als ein vermeintlich zweitrangiger Lehrerinnen- und Lehrerjob: „Wir machen in ganz Thüringen gute Erfahrungen mit Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern. Sie bringen völlig neue persönliche Kompetenzen, Lebens- und Berufserfahrungen mit und das bereichert die Schulen und bringt den Schülerinnen und Schülern sehr viel. Wir gewinnen so auch viele Menschen aus der Generation, die damals überhaupt nicht Lehrer in Thüringen werden konnte. Das hilft auch beim Ausgleich der altersmäßigen Unwucht, die es in den Kollegien gibt.“

Viele Wege führen also inzwischen in die Regel-, Gemeinschafts-, Berufs-, Förder- oder Grundschulen und auch ans Gymnasium. Die konkreten Antworten für mögliche Seiteneinsteigende in Nordthüringen gaben Schulamtsleiter Bernd Uwe Althaus und sein Team. Klargemacht wurde zwar einerseits, dass Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger, wenn sie sich in Konkurrenz zu grundständig ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern um eine Stelle bewerben, immer nur nachrangig berücksichtigt werden können. Das ist die Rechtslage und stärkt natürlich auch in Zukunft die Studienwahl Lehramt. Aber der Mangel insbesondere in bestimmten Schularten und Fächern eröffnet trotzdem große Chancen. Die persönlichen Voraussetzungen und Abschlüsse sind sehr vielfältig. Es kommt also auf den Einzelfall an, der geprüft wird – wenn es nach dem Schulamt geht auch sehr schnell.

Mitgebracht hatte Althaus dabei auch Fallbeispiele bereits gegangener und oft gelungener Seiteneinstiegswege. Orthopädieschuhmachermeister Thomas Manzke arbeitet seit 2023 als Lehrer an der Regelschule Hainleite in den Fächern Werken und Wirtschaft-Recht-Technik. Schulamtsleiter Althaus stellte ihn als „Star der Schule“ vor. Manzke schilderte einerseits Schwierigkeiten z.B. mit dem ausschließlich digitalen Intensivkurs für Seiteneinsteiger und bisher noch nicht ausreichenden Möglichkeiten zur pädagogischen Nachqualifizierung für Nichtakademiker, wie ihn mit Meisterabschluss, andererseits überwog aber bei weitem das Positive: „Ich kann meine Kompetenzen aus dem bisherigen Berufsleben sehr gut einbringen, zum Beispiel als Sicherheitsbeauftragter der Schule, und auch die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern liegt mir“, so Manzke.

Mandy Herzberg arbeitet bereits als Seiteneinsteigerin an der Regelschule Bleicherode. „Ich wollte immer Lehrerin werden, also habe ich BWL studiert“, blickt sie mit fröhlichem Galgenhumor auf die früheren Jahre zurück. Inzwischen ist sie, nach einem zusätzlichen Zertifikatsstudium in Mathematik eine der dringend gebrauchten Mathelehrerinnen mit Zweitfach Wirtschaft-Recht-Technik – der Job den sie immer schon machen wollte.

Dass eine Karriere im Seiteneinstieg auch steil sein kann, zeigt Alla Stutzke. Die gebürtige Ukrainerin hat einen ukrainischen Lehramtsabschluss und später in ihrer Heimat einen Kindergarten gegründet und geleitet. Vor sechs Jahren kam sie nach Deutschland, lernte die Sprache perfekt. Das Schulamt bahnte den schnellen Weg, seit drei Jahren ist sie Lehrerin und seit knapp drei Wochen sogar Schulleiterin der Regelschule Heringen/Helme. Auch sie kann ihren beruflichen Werdegang sehr gut zur Geltung bringen. Auch andere gestandene Schulleiterinnen, Kirsten Schulze von der Regelschule „Am Förstemannweg“ in Nordhausen und Carola Böck von der Regelschule Ellrich, warben beim Publikum für den Schuldienst. Carola Böck hatte auch einen Assistenten mitgebracht, genauer: einen Pädagogischen Assistenten.

Fabio Gerstenberger ist einer der ersten Thüringer, der die 2023 neu geschaffene Beschäftigungsmöglichkeit im Schuldienst wahrgenommen hat und in Ellrich den Unterricht der Lehrerinnen und Lehrer, die Elternarbeit und viele weitere schulische Aktivitäten unterstützt. Das schafft insgesamt Entlastung im Kollegium, was wiederum der Unterrichtsabsicherung zugutekommt. Pädagogische Assistenzstellen sind, was die persönlichen Voraussetzungen angeht, einfacher zu besetzen. Es braucht z.B. für Pädagoginnen und Pädagogen aus dem Ausland nicht das hohe Sprachniveau, das man für den Lehrerberuf braucht. Auch für Studierende wie Gerstenberger ist es eine Möglichkeit, quasi als Studentenjob, nebenbei in der Schule zu arbeiten und gleichzeitig Schulpraxis zu sammeln. „Das war mir wichtig und es hat mir viel gebracht“, so Gerstenberger. „Nach dem Vorbereitungsdienst hoffe ich, dass ich dann als Lehrer in Ellrich arbeiten kann.“

Die Palette der Einsatzmöglichkeiten wird in diesen Tagen noch breiter. Das Startchancen-Programm von Bund und Ländern, das Thüringen seit August umsetzt, bringt ausgewählten Schulen weiteres Assistenzpersonal. Auch hier sucht das Schulamt Nordthüringen, Ausschreibungen laufen. So sehr vielleicht manchem im Publikum der Kopf schwirrte vor verschiedenen Personalkategorien und Fördertöpfen – und vor lauter Wärme im Raum – so lebhaft waren teilweise die folgenden individuellen Beratungen. Manche kleine Schlange bildete sich vor den Referentinnen und Referenten des Schulamts Nordthüringen. Der Beratungsbedarf war groß, die Namenslisten des Schulamts mit Interessenten, die aussichtsreich und passend sind, füllten sich.

Schulamtsleiter Bernd Uwe Althaus zieht ein positives Fazit: „Wir hatten zahlreiche Interessenten verschiedenster Professionen und unterschiedlichen Interessenlagen an diesem Abend zu Gast. Aus Gesprächen wurde deutlich, dass sie aus allen vier Landkreisen des Schulamtsbereichs und darüber hinaus angereist waren. Für mich ergibt sich daraus nicht nur ein positiver Blick auf den Erfolg der Veranstaltung, sondern auch auf deren Nachhaltigkeit. Sicher werden aus dieser Veranstaltung mehrere Einstellungen folgen.“

So wurden also zwar nicht direkt vom Straßenpflaster weg neue Lehrerinnen und Lehrer bzw. Assistentinnen und Assistenten eingestellt. Aber bei manchen wird es vielleicht nur wenige Wochen oder Monate dauern, bis sie vor einer Nordthüringer Klasse stehen.