Betrachtet

Eine einzige Katastrophe

Mittwoch
14.08.2024, 07:00 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
In der Zeit, in der im Vorfeld von Wahlen auf verschiedenen Ebenen die zu wählenden Kandidaten, denen direkt Rede und Antwort standen, die sie wählen sollten, die scheinen vorbei zu sein. Das, was folgte, gleicht einer Katastrophe, entspricht aber vermutlich dem Zeitgeist…


Ja, ich erinnere mich an Zeiten, als ich als “Radio-Mensch” selbst Diskussionsrunden mit zu wählenden Kandidaten moderierte. Da war Feuer in der Debatte, da wurde gestritten, da wurden Argumente ausgetauscht. Als Moderierender hatte man es nicht leicht, es war jedesmal eine Herausforderung. Und es war ein politischer Genuss für das Publikum, was nicht am Moderator oder an den Diskutanten, sondern eher am Skript der Veranstaltung lag.

Und dieses Skript lag gestern Abend im Nordhäuser Jugendclubhaus völlig daneben. Es war schlimm. Es war langweilig. Es war nicht im Geist der Zeit. Oder doch?

Jeder auf der Bühne hatte eine Minute Zeit, um auf die vorbereiteten Fragen des Moderators vom ZDF zu antworten. Zusammenhänge auch nieder komplexerer Natur - gemischt mit programmatischen Inhalten - den verlassenen 40 Menschen im Auditorium des Jugendclubhauses nahezubringen, war fast unmöglich. Langeweile pur, einige im Zielpublikum bemühten Videospiele auf dem Smartphone. Mein geschätzter Kollege Glashagel hatte im Live-Ticker die Atmosphäre geschildert. Aufregend war das nicht.

Gern erinnere ich mich an Zeiten, als nach mir ein Peter Cott oder Thomas Müller von der schwächelnden Heimatzeitung zu derartigen Veranstaltungen einluden. Da war Feuer in der Hütte, Rede, Gegenrede, Austausch von Argumenten. Was hier in Nordhausen und zuvor vielleicht im Kyffhäuserkreis und im Eichsfeld geboten wurde, war statt furioser Ouvertüre ein klägliches Kammerkonzert.

So lockt man keinen zusätzlichen Wähler hinterm Ofen hervor. Auch war nicht klar, wer denn als Zielgruppe tatsächlich erreicht werden sollte. Die Unternehmer? Deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Oder wurde nordthüringenweit einfach das abgespult, was im Plan stand. Sollte eine Kulturwissenschaftlerin, ein durchaus im gesellschaftlichen Leben stehender Geschäftsführer des Kreissportbundes oder ein ehrenamtlicher Bürgermeister einer kleinen Gemeinde den Mitgliedern des NUV (die waren bei den 40 Zuhörern in der Mehrheit) erklären, dass sie künftig eine Wirtschaftspolitik aus dem Polit-Hut zaubern, die Thüringen vom angehängten Bundesland zum prosperierenden Zentrum katapultiert? Die Realität aus Sicht der tatsächlichen Wirtschaftsentscheider können wir Einheimischen tagtäglich beobachten - auf den 100 Hektar in der Goldenen Aue zum Beispiel.

Der Kandidat, der vielleicht die Sorgen und Nöte des so oft gepriesenen Mittelstandes aus eigenem Erleben kennt, war der von der AfD. Und der will in den Thüringer Landtag. Die anderen Vier auch, doch für die Entwicklung der Thüringer Wirtschaft werden die nicht das Verständnis und auch nicht die Erfahrungs- oder Erlebensantenne haben.

Und ehe mich jetzt wieder irgendjemand in die rechte Ecke stecken will, ich würde ähnlich argumentieren, wenn ein Herr Prophet für die FDP oder CDU kandidieren würde. Schade um die Zeit - das gilt für alle Beteiligten - für die auf der Bühne und die im Zuschauerraum. Und noch eine Bitte an den NUV: Organisiert für die Bundestags-Debatte im kommenden Jahr etwas Eigenständiges. Ohne Kammern. Dafür aber bitte mit der Möglichkeit für das Publikum, als wählende Gemeinschaft Fragen an die zu Wählenden stellen zu dürfen.
Peter-Stefan Greiner