Wahlkampf auf Wanderschaft

Drei Wochen zu Fuß „Rund um Thüringen“

Sonnabend
06.07.2024, 11:00 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Rüdiger Neitzke ist Nordhäuser Kommunalpolitiker, steht auf der Landesliste der Grünen für die Wahl im September und ist gerade dabei, das grüne Herz des Landes zu Fuß zu durchwandern. Warum man sich das „antut“ und was am Wegesrand alles zu finden ist, hat Herr Neitzke für die nnz niedergeschrieben…

Schnappschuss am Wegesrand - Rüdiger Neitzke wandert dieser Tage durch Thüringen (Foto: Rüdiger Neitzke) Schnappschuss am Wegesrand - Rüdiger Neitzke wandert dieser Tage durch Thüringen (Foto: Rüdiger Neitzke)


Seit zehn Jahren mache ich Kommunalpolitik im Kreistag
Nordhausen. Zur Landtagswahl im September möchte ich in den Thüringer Landtag einziehen. Dazu stehe ich auf einem nicht ganz so aussichtslosem Listenplatz acht der Grünen Landesliste. Ich möchte Thüringen und seine Menschen besser kennenlernen. Wie geht dies besser, als zu Fuß? Lange Wanderungen bin ich gewohnt, sei es der Jakobsweg in Frankreich oder die Gebirgstour in der Slowakei. Warum also nicht den Urlaub nutzen, um einen Wahlkampf zu machen, der auch Spaß machen darf.

Mittwoch, 3. Juli 2024
(Bad Sulza, Camburg, Wonnitz, Grabsdorf, Eisenberg = ca. 27km)

Erst heute komme ich dazu, meine Gedanken aufzuschreiben. Daher zunächst ein kurzer Rückblick: Meine Beine haben diesmal ungewöhnlich lange gebraucht, um sich auf diese Tour einzustellen. Die erste kurze Etappe am Samstag (29.6.) von Nordhausen nach Sondershausen über Heringen und dann durch den Wald der Windleite verlief völlig problemlos.

Auch die zweite Etappe am Sonntag (30.6.) nach Bad Frankenhausen entlang des alten Bahndamms verlief zunächst unauffällig. Am Abend meldete sich jedoch mein linker Fuß: „Ich gehe nicht mehr weiter!“ Fazit: Blase aufstechen, Bein hochlegen, abwarten!

Am dritten Tag (Montag, 1.7.) musste ich etwas abkürzen. Den Weg nach Heldrungen entlang der B85 fuhr ich vormittags mit dem Linienbus. Gut, dass dies mit dem 49,- Ticket problemlos möglich ist. Den Rest bis Garnbach (bei Wiehe) lief ich teilweise in strömenden Regen. Meine Ausrüstung hat diesen Test bestanden.

Jacke, Hose und Rucksack waren trocken. Nur die Schuhe müssen im nächsten Jahr mal wieder erneuert werden. Der Weg war umso schöner! Durch die „Hohe Schrecke“ ging es fast nur durch den Wald. Auch hier sind die klimatischen Veränderungen der vergangenen Jahre deutlich zu erkennen. Menschen sind mir keine begegnet.

Abends im Quartier wieder Schmerzen im linken Fuß. Tag Vier (Dienstag, 2.7.) : Geplant war eine lange Etappe. 32km laufen? Aussichtslos! Aber das Quartier wartet. Also wieder ein kleines Stück mit dem Linienbus bis Bad Bibra und dann langsam loslaufen. Bei dem kurzen Besuch in Sachsen Anhalt treffe ich in Zäckwar zunächst auf Kinder, die mir Spielzeug verkaufen wollen. Anschließend kreuze ich den „Ökumenischen Pilgerweg“ Görlitz - Vacha, (Teil des europäischen Fernwanderweges „Via Regia“). Mein linker Fuß; siehe gestern. Tag Fünf (Mittwoch, 3.7.): Selbstheilung über Nacht?!. Meinem Fuß geht es gut. Ich starte optimistisch nach einem guten Frühstück in Bad Sulza auf die heutigen 27km.

Der Weg über Landstraßen, Feldwege, Waldwege ist machbar. Die Vorbereitung der Route zahlt sich aus. Mein Körper hat sich endlich auf die tägliche Anstrengung eingestellt. Auch finde ich endlich Zeit und Ruhe, mich an diesen Text zu setzen! Ich finde im Wald eine Bank als Einladung zum zweiten Frühstück. Überraschung in Camburg, die Kirche ist offen, und sehenswert.

Weiter. Der Anstieg aus dem Tal der Saale, problemlos. Laufen. Ich laufe durch eine Gegend, die ich nicht kenne. Was einem alles so durch den Kopf geht: Warum haben Windmühlen vier Flügel und Windräder drei? (Im Verlauf meines weitern Weges konnte ich mir die Frage selbst beantworten.)

Ich lese Info-Tafeln, schaue mir Dorfplätze an, spreche mit
Menschen und gehe weiter. Warum hängen Schuhe auf Ampeln oder an Ortsschildern? Warum stehen so viele Häuser leer? So viele Photovoltaik - Anlagen, so viele Wärmepumpen!

Ankunft in Eisenberg. Erkenntnis: Eine Stadt ohne Bahnanschluss. Einchecken, Wäsche waschen, Einkaufen. Und endlich Zeit und Ruhe, zu schreiben. Fotos sortieren und
auswählen.

Donnerstag, 4. Juli
(Eisenberg, Bad Köstritz, Gera, Ronneburg (ca. 28km)

Gut ausgeschlafen und gefrühstückt starte ich zu meiner sechsten Etappe. Die heutige Etappe scheint einfach zu werden. Erst ein alter Bahndamm, dann durch das Tal der Weißen Elster bis Gera und dann noch ein Stückchen auf Landstraßen etwas hügelig. Also starte ich nicht ganz so langsam, laut Wetterbericht erwartet mich am Nachmittag Regen. Mal sehen, wer schneller ist. Von Eisenberg bis Hartmannsdorf (bei Crossen) folge ich dem zum Radweg umgebauten Bahndamm. Rastplätze, Info-Tafeln, und immer Menschen, die diesen Radweg nutzen. Ich komme gut vorwärts.

Auf einem Betriebsgelände sehe ich einen alten Nordhäuser NOBAS - Bagger aus DDR Zeiten. Das weckt Erinnerungen. Auch der Radweg bis Bad Köstritz ist schnell gelaufen. Ich mache die erste größere Pause und schaue mich begeistert um. Weiter geht es nach Gera — Eine Stadt voller Widersprüche, so mein erster Eindruck. Ich sehe mal wieder eine alte Tatra - Straßenbahnen, eine bunte Mischung der unterschiedlichsten Architektur - Epochen und bin verwundert, dass mein Handy - Navi mich quer durch einen Einkaufstempel schickt. Die letzten Kilometer sind schnell gelaufen. Angekommen im Quartier beginnt es zu regen. Gewonnen.

Freitag, 5. Juli 2024
(Ronneburg, Altenburg)

Das war eine spannende Etappe: In der Nähe der A4 (ca. 500 Meter Entfernung) sehe ich ein Haus mit Wärmepumpe & Solaranlage, sowie Protestplakaten gegen Windräder. Ich komme ins Grübeln.

Wie passt das zusammen? Im nächsten Ort, Löbichau, komme ich beim Bäcker mit Menschen ins Gespräch. Ich befinde mich in der ehemaligen Wismut-Bergbau-Region, ein Gebiet im Wandel. Dies sind die Momente, für die ich so dankbar bin. Es gibt Menschen, die mit vielen Veränderungen in kürzester Zeit nicht so leicht klar kommen. Geduld üben und zuhören. Andererseits bin ich beeindruckt von den vielen Photovoltaikanlagen & Wärmepumpen.

Es scheint sich also doch rumzusprechen, dass es sich allein schon finanziell lohnt (nur bringt dies leider zu wenig grüne Wählerstimmen). Ich erreiche mein Tagesziel und treffe am Abend in Altenburg Mitgliedern des Grünen Kreisverbandes. Wir schauen gemeinsam Männer-Fußball-EM. Der Ausgang ist bekannt.

Und wie geht es in den nächsten Tagen weiter?
Heute bin ich zu Besuch in Sachsen und am Sonntag werde ich mit Grünen aus Sachsen gemeinsam die Etappe nach Greiz laufen.

Die Planungen am Drei-Länder-Stein (Bayern, Sachsen, Thüringen) sind noch nicht abgeschlossen, wahrscheinlich treffe ich mich mit Menschen aus Bayern. Dann geht es über den Rennsteig weiter. Am kommenden Wochenende werde ich wieder berichten.

Liebe NNz-Leser, Tippfehler bitte ich zu entschuldigen. Ich habe leider nicht die Möglichkeit, täglich auf Kommentare zu reagieren, sie dürfen mich gerne per E-Mail kontaktieren.
ruediger.Neitzke@gruene-thueringen.de
Rüdiger Neitzke