Die fetten Jahre sind vorbei:

Nordhausen muss künftig zuschießen

Mittwoch
26.06.2024, 12:27 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
In der vergangenen Woche waberte eine Meldung durch den Heimatäther, in der von einem erheblichen Gewinneinbruch bei den städtischen Werken Magdeburg die Rede war. Die bisherigen 20 Millionen Euro fehlen künftig im Stadtsäckel. Also fragte die nnz bei einem gebürtigen Magdeburger nach, ob denn ähnliches auch auf Nordhausen zukommen könnte…

Strom kommt nicht nur aus der Dose (Foto: Nicole Köhler auf Pixabay) Strom kommt nicht nur aus der Dose (Foto: Nicole Köhler auf Pixabay)
Olaf Salomon, der Geschäftsführer der Stadtwerke Nordhausen – Holding für Versorgung und Verkehr GmbH konnte zu den Rückgängen bei der SWM keine Ausführungen machen, aber zu der besonderen Situation und den Herausforderungen gerade auch für kommunale Unternehmen in Nordhausen schon.

Drei Jahre Energiekrise liegen nicht nur hinter uns Verbrauchern, sondern auch hinter den Nordhäuser Stadtwerken mit dem Energieversorger EVN. Die wichtigsten Probleme scheinen gemeistert, doch die Auswirkungen der Ampel-Entscheidungen reichen weit bis in die Zukunft der kommunalen Unternehmen.

Olaf Salomon ist eher für seine ruhige Art der Unternehmensleitung bekannt. Als Geschäftsführer der Stadtwerke Nordhausen - Holding für Versorgung und Verkehr GmbH (HVV) hat er selbst in den turbulentesten Zeiten die Nerven nicht verloren. Im Gespräch mit der nnz blickt er zurück und in die Zukunft - und das mit einigen Sorgenfalten.

“Der Blick zurück ist bei diesem Thema immens wichtig, um letztlich zu verstehen, wie sich der Status Quo darstellt und welche Herausforderungen in den nächsten Jahren auf die kommunalen Unternehmen, die Stadt und deren Bürger zukommen”, leitet der 65jährige ein.

Die enormen Verwerfungen auf dem Energiemarkt sowie die daraus resultierenden Preisschwankungen seien eine Herausforderung an die Beschaffungspolitik des kommunalen Energieversorgers gewesen. Im Zeitraum der Hochphase der Strom- und Gaspreise an der Börse, hatte die traditionell eher konservative Einkaufspolitik von kommunalen Energieunternehmen auch der EVN geholfen den Preisanstieg moderat zu halten. Heißt, Verträge mit Energielieferanten wurden und werden in einem Mix von kurz-, mittel- und langfristiger Beschaffung abgeschlossen. Im Gegensatz zu den Discountern, von denen etliche in die Insolvenz gingen, konnte die EVN in der Krise von davor schon beschafftem Strom und Gas zehren.

“Trotzdem mussten wir die Preise anheben, denn notwendige Neubeschaffungen von Strom und Gas waren natürlich teurer. Eine große Herausforderung für die kommunale Stromversorgung, die auch meistens die Grundversorger sind, war, dass sie die Kunden in ihrem Grundversorgungsgebiet beliefern mussten, welche auf Grund der Insolvenz ihres Strom- oder Gaslieferanten keine Energie mehr erhielten. Dazu sind sie gesetzlich verpflichtet. Die zusätzliche teure Beschaffung von Gas und Strom für diesen nicht absehbaren Kundenzuwachs an der Strombörse führte dazu, dass bei vielen kommunalen Energieunternehmen die Preise für die Grundversorgung erheblich stiegen. Da sich die Anzahl dieser Kunden im Einzugsgebiet der EVN aber in Grenzen hielt, war der Anstieg bei uns moderat”, erzählt Olaf Salomon.

In den zurückliegenden Monaten - die Schwere der Krise scheint vorbei - stecken die ersten Discounter wieder ihre “Köpfe” in den Markt. Für den Geschäftsführer völlig unverständlich, dass selbst die Verbraucherschützer den Bürger wieder das Wechseln empfehlen. Scheinbar nach dem Motto, wenn das Unternehmen wieder pleite ist, wirst du als Kunde schon aufgefangen und die Gemeinschaft bezahlt das mit. Olaf Salomon verweist auch darauf, dass dies mit regionaler Wertschöpfung und regionalen Kreisläufen nichts zu tun hat und dem gesellschaftlichen Engagement der Unternehmen der Stadtwerkegruppe wird es auch nicht gerecht.

Grundsätzlich ist es so, dass seit der Liberalisierung des Energiemarktes die Margen und somit die Gewinne der EVN zurückgehen. Und damit wurde auch jener Betrag kleiner, der über den steuerlichen Querverbund auf Grundlage der Ergebnisabführungsverträge für den Ausgleich der Verluste beim öffentlichen Personennahverkehr sowie dem Badehaus zur Verfügung stehen und wird nach den aktuell vorliegenden Wirtschaftsplänen dazu führen, dass durch den Gesellschafter der HVV, der Stadt Nordhausen, künftig ein Teil des Verlustes dieser beiden Unternehmen übernommen werden muss.

Neben den Rückgängen der Gewinne führen aber besonders die Entwicklungen auf der Kostenseite zu dieser Situation. Auswirkungen der Energiekrise und der daraus entstandenen erheblichen Inflation, führten zu weiteren belastenden Faktoren wie erhöhte Ausgaben für Diesel, für Material und Ersatzteile aller Art sowie die zweistellig gestiegenen Gehälter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend der Tarifabschlüsse.

Das ist der Stand der Dinge für die Stadtwerke, die neben diesen Herausforderungen auch noch die Energie- und Wärmewende managen und umsetzen, aber vor allem auch finanzieren müssen. In Deutschland geht man davon aus, dass für die Umsetzung der “Energie- und Wärmewende” bis zum Jahr 2030 bundesweit rund 600 Milliarden Euro investiert werden müssen. „Wo das Geld, die Ressourcen für Planung- und Genehmigungsverfahren, die Baukapazitäten und das Material herkommen soll, hört man aus den zuständigen Ministerien in Berlin nicht“, betont Olaf Salomon.

Auf Nordhausen heruntergebrochen sind das unter anderem in den Jahren 2024 – 2027 rund fünf Millionen Euro für den Ausbau der Fernwärme. Was im Zuge der kommunalen Wärmeplanung bis 2026 noch an weiteren Belastungen auf die Bürger dieser Stadt und dieses Landes zukommt, das wird aktuell berechnet. Wenn die Wirtschaftspläne der städtischen Unternehmen in den politischen Gremien sowie in den Aufsichtsräten bewilligt sind, können diese auch veröffentlicht werden.

Die nnz stellte auch eine Anfrage an die Stadtverwaltung in Bezug auf die Haushaltsplanungen der kommenden Jahre sowie für Aufstellung eines Nachtragshaushaltes für dieses Jahr. „Erstmalig ab dem Jahr 2022 und dann ebenso in den Folgejahren schrumpfen die Gewinne der "starken" Tochterunternehmen soweit, dass ein vollständiger Verlustausgleich wie bisher nicht mehr möglich ist. Die Stadtwerke müssen dann einen Zuschuss der Stadt Nordhausen, direkt aus dem städtischen Haushalt erhalten, um die übertragenen städtischen Aufgaben erfüllen zu können. Dies ist berechtigt und vertraglich geregelt.

Erstmalig muss die Stadt Nordhausen an die Holding für Versorgung und Verkehr im kommenden Jahr 1,366 Millionen Euro zahlen, der Betrag wächst dann bis 1,862 Millionen Euro im Jahr 2028 an. Ob die Stadt Nordhausen in diesem Jahr noch einmal mit einer Null „davonkommt“ werde sich laut Rathaus im Rahmen der Aufstellung des Nachtragshaushaltes zeigen.
Peter-Stefan Greiner