Von Heidelore Kneffel

Gedanken zu Heinz Scharr 100. Geburtstag

Donnerstag
20.06.2024, 10:40 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Der Künstler Heinz Scharr, der zu seinen Lebzeiten unermüdliche beim Schaffen von Kunst Anzutreffende, wurde am 1. Juli 1924 in Sondershausen geboren. Deshalb lässt es sich diese Stadt nicht nehmen, vom 24.Juni bis zum 1. Juli eine Festwoche zu veranstalten...

Vor 10 Jahren, so schrieb ich damals zu seinem 90. Geburtstag 2014in einem Artikel, zeigte er in der Schlossgalerie seine neuesten Naturbilder, mit ungebrochener Kreativität auf das Papier gebracht.

Heinz Scharr „Meine Naturbilder“, Schloss Sondershausen  (Foto: H. Kneffel ) Heinz Scharr „Meine Naturbilder“, Schloss Sondershausen (Foto: H. Kneffel )

Ein Besucher schrieb ins Gästebuch: „Der Eindruck, der sich gleich zu Beginn einstellt und immer mehr verfestigt, ist überwältigend. Dieser Reichtum an Formen und Farben, dieses Universum, das sich auftut, rührt an tiefe, archaische Wurzeln und lässt den Betrachter bei manchem Bild erschauern. Man staunt und ist ergriffen. Natur und Kunst tanzen einen ewigen Reigen, wer will, kann angesichts dieser Bilderschau mittanzen.“

Ich zählte auf, wo damals gleichfalls seine Kunst zu sehen war. Da das überwältigend war, erwähnte ich einige Beispiele. „Gleich zu Beginn des Jahres zeigt das Kunsthaus Meyenburg vorwiegend seine Holzschnitte. Seit Ende Juni sind Werke von ihm im Angermuseum in Erfurt ausgestellt. Gemeinsam mit sechs anderen Männern und Frauen, die gleichfalls einen Jubiläumsgeburtstag haben, zeigt er ‚Unterm Strich – Zeichenkunst in Thüringen‘. Am 15. Juli 2014 folgt im Ausstellungsgebäude der KZ Gedenkstätte Mittelbau-Dora die Präsentation ‚Zug der Gefangenen‘. Bevor sich Scharr in den 1970er Jahren an die Ausführung der großen Kupferreliefwand in der Gedenkstätte heranwagte, schuf er Zeichnungen über Zeichnungen, die ihm helfen sollten, dieses komplizierte Thema zu bewältigen. 23 dieser Blätter, die dem künstlerischen Anspruch Scharrs genügen, werden gezeigt. Erstmals sind auch kleine Kupferreliefs zu sehen, Vorstudien zur großen Wand. Ein weiteres Ausstellungsereignis mit seinem künstlerischen Schaffen folgt am 8. November dieses Jahres im Panoramabau in Bad Frankenhausen.“

Das Ehepaar Jutta und Heinz Scharr bei einer Laudatio auf ihn im Schlosssaal in Sondershausen  (Foto: H. Kneffel) Das Ehepaar Jutta und Heinz Scharr bei einer Laudatio auf ihn im Schlosssaal in Sondershausen (Foto: H. Kneffel)


Natürlich habe ich mich dieser Tage gefragt, wie es zu meiner persönlichen Bekanntschaft mit Heinz Scharr kam. Da ich eine große Sammlerin bin, fand ich für den 31. Mai 1978 einen Zeitungsausschnitt über eine auch von mir besuchte Scharrausstellung im Meyenburgmuseum mit Bild. Der Künstler erklärt vor seinen Grafiken den Anwesenden die Bildmotive mit reicher Gestik. Auf 25 großformatigen Zeichnungen stellte er Bildfolgen zu Abenteuerromanen der Weltliteratur vor. Die Szenerien waren bewegungsintensiv ausgeführt worden, da herrschte Spannung.

1992 wurde von Kunstfreunden das „Nordhäuser Forum der Künste“ gegründet, wo Musik, Bildende Kunst und Literatur vorgestellt werden sollten. Die Männer und Frauen wollten mit einer Ausstellung im Foyer des Theaters in Nordhausen unbedingt auf den Grafiker, Maler, Bildhauer Heinz Scharr hinweisen, denn Kultur sollte in dem vereinten Deutschland eine wegweisende Rolle innehaben, so ihre Ansicht.

Am 2. September 1992 konnten dann die Besucher im 1. Stock des Theaters „Graphik und Plastik“ vom Utteröder Künstler sehen. Man sah 28 Radierungen, vor allem farbige, mehrfach übereinander gedruckt in kostbarer Ausstrahlung und 5 Eisenplastiken.
Durch diese Präsentation kam der Kontakt zustande und ich lernte den besonderen Kunstort Utterode bei Rehungen kennen, wo Jutta und Heinz Scharrs seit 1976 leben und wirken.

„Der Lindenhof“, Eingangsbereich in den Vierseitenhof Utterode (Foto: H. Kneffel) „Der Lindenhof“, Eingangsbereich in den Vierseitenhof Utterode (Foto: H. Kneffel)


Seit damals gab es zahlreiche Begegnungen in seinen Ausstellungen, z. B. in Nordhausen, Sondershausen, Limlingerode, Erfurt und Bonn und private Begegnungen auf Utterode und anderswo. Wer Scharr kennt, der weiß, dass man immer bereichert daraus hervorgeht. Zu seinem künstlerischen Vermögen kommt eine große Wortbegabung hinzu. Auch als Erzählender ist er ein Ereignis, dessen Erlebnisse für uns Geschichte und Kunstgeschichte seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis ins Heute plastisch belegen. Da ich damals, 1992, Tagebuch führte über die Begegnungen mit ihm und seiner Frau, möchte ich einige Auszüge daraus hier erstmals in einer Artikelfolge veröffentlichen.

Am 11.8.92 fuhren Karin Kisker, Dr. Klaus Dachselt und ich als Abordnung des „Forum der Künste“ nach Utterode wegen der Vorbereitung der oben erwähnten Kunstausstellung im Theater. Die Straße machte kurz vor Rehungen eine Krümmung, wir standen vor einem Metalltor, aufwärts führt der Weg. Zwischen den Bäumen stehen zahlreiche Plastiken aus Metall auf Sockeln, unterschiedlich groß, unterschiedlich leuchtend. Ein langgestrecktes weißes Fachwerkgebäude mit großer Toreinfahrt und weinumrankter Pforte fällt auf. Alte Grabplatten stehen an der Wand. Auf dem Dach grüßt ein goldener Hahn, vom Künstler geschaffen, von seiner Frau in die Höhe geschafft. Scharr erwartet uns, ein großer grüner Innenhof mit Stauden, Hecken, Bäumen und barocken Figuren empfängt uns – ja, in Utterode, diesem Vierseitenhof aus alten Zeiten geben sich Jahrhunderte die Hand. Wir werden hineingebeten in das geräumige Haus, am Atelier im Parterre vorbei, eine helle Holztreppe hinauf in drei hintereinander liegende wohnliche Räume mit vielen Büchern in hohen Regalen, Farbgrafiken an den Wänden oder mit großen Kupferplatten. Kaffee und Kuchen duften am runden Tisch, dann folgt ein langes Gespräch, Scharr erzählt mit plastischen Worten, gestikuliert.
Fortsetzung folgt
Heidelore Kneffel