Gemeinsamer Jahresempfang von Stadt und Hochschule

Die Stärke im Norden

Mittwoch
19.06.2024, 20:57 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Stadt und Hochschule Nordhausen luden heute zum ihrem traditionellen Jahresempfang, als Treffpunkt hatte man sich das Thüringer Wertstoffzentrum auserkoren und honorige Gäste eingeladen, das Geschehen bestimmte aber zunächst etwas anderes…

Zum Jahresempfang von Stadt und Hochschule war heute auch die hohe Politik zu Gast, unter anderem Ministerpräsident Ramelow (Foto: agl) Zum Jahresempfang von Stadt und Hochschule war heute auch die hohe Politik zu Gast, unter anderem Ministerpräsident Ramelow (Foto: agl)


In den Werkshallen des „ThiWert, dem „Thüringer Innovationszentrum für Wertstoffe“ ist viel Platz, große Maschinen braucht man, um aus Abfall wieder Rohstoffe zu gewinnen. In das Forschungszentrum hat der Freistaat viel investiert, ein Aushängeschild nicht nur für die Hochschule.

All das hätte im Mittelpunkt stehen können, aber heute war und musste auch Platz sein für eine Leinwand und vor der saß ein Gutteil der Besucher erst einmal gebannt, es spielte Deutschland-Ungarn, EM - Partie. Kurz nach dem 1:0 lässt sich das Publikum dann bitten, der offizielle Teil ist dran, Reden wurden vorbereitet und wollen gehört werden.

Unter Gästen sind auch Ministerpräsident Bodo Ramelow und der Vorsitzender der Landes CDU, Mario Voigt. Beiden habe man es zu verdanken, dass man heute hier stehen könne, sagt Hochschul-Präsident Wagner, Regierung und Opposition hätten gut zusammengearbeitet, um das Forschungszentrum auf die Beine zu stellen. Man entwickele hier Strategien, wie man mit Recycling noch besser umgehen könne, führt Wagner aus, vom Gips über Elektroschrott bis zum Klärschlamm hat man viele Themen zu beackern. Am Rande des Festes präsentiert die Hochschule diverse Themen aus ihrem Portfolio, 30 international anerkannte Studiengänge bietet man, wirbt der Hochschulpräsident, gerade in der anwendungsorientierten Forschung gebe es nur wenige Hochschulen in Deutschland, die so aktiv vorangingen, wie die Nordhäuser.

Gut ausgebildetes Forschungs- und Lehrpersonal kommt aus aller Herren Länder, Menschen aus 40 Nationen arbeiten und lernen gemeinsam an der Hochchschule, so stehe man letztlich auch für ein freies und offenes Thüringen, denn die Wissenschaft kennt keine Grenzen, sagt Wagner und erntet Applaus.

Der Präsident fasst sich kurz, der Oberbürgermeister tut es ihm gleich, die Zeit drängt, die Halbzeitpause läuft. Die Stadt sei auf gutem Weg in Richtung Oberzentrum, seit 30 Jahren hege man diesen Traum, gespannt blicke man deswegen nach Erfurt, wo der letzte Schritt getan werden muss.

Der OB erinnert an den letzten Besuch des Ministerpräsidenten beim Jahresempfang vor vier Jahren, da war man gerade aus der Haushaltskonsolidierung heraus, die Zukunft sah rosig aus. Dann kam Corona und vieles hat sich seitdem geändert. Es gebe viele Unsicherheiten im Land und auch die Stadt müsse aufgrund sinkender Einnahmen optimistische Pläne zusammenstreichen, tue das aber planvoll und geordnet. Den bewegten Zeiten zum Trotze habe man sich über Wasser halten können, sagt Buchmann, 140 Millionen Euro konnte man mit der Hilfe des Freistaates Thüringen investierten.

Und dann ist Bodo Ramelow dran, von König Fußball schwer unter Zeitdruck gesetzt läuft der zu Hochform auf, navigiert über die Forschung zum Recycling zum modernen Bergbau und Thüringer Spitztechnologie, springt über den Globus nach Chile, Norwegen und Vietnam. In allen drei Regionen sind Nordthüringer Unternehmen auf die eine oder andere Art vertreten, von Schachtbau und Maximator bis zum Südharz-Klinikum. Die Welt verändert sich, mit Know How, Intelligenz und Kraft aus Thüringen auch zum Besseren. All das sei auch Auszeichnung für die Region, Nordhausen sei "die Stärke im Norden", und das sollte sie auch als „regionaler Raumordnungsfaktor“ widerspiegeln. Die Rede ist vom Oberzentrum, die Entscheidung dazu soll am 09. Juli fallen, der Ministerpräsident ist guter Dinge dass es klappt, die Region habe es verdient.

Ramelow führt seine Tour de Force zurück zur Hochschule, die ein Faktor für Stand und Ansehen sei, aber mehr Aufmerksamkeit von Seiten der Betriebe verdient habe. Sie sei auch Ausweis der Weltoffenheit und bedürfe dieser, sagt der Ministerpräsident und holt kurz aus gegen den politischen Gegner Rechts der CDU (der heute mit Abwesenheit glänzte). Wer mit Migration Politik machen wolle und stetig fordere, dass man sich an die Regeln zu halten habe, der müsse das auch selber tun und sich nicht von fremden Mächten bezahlen lassen.

Den Wahlkampfschlenker hinter sich lassend kommt man Ramelow zum größten kommunalen „Player“ in Thüringen, dem Südharz-Klinikum. Auch das sei ein Ausdruck der Stärke und müsse verteidigt werden. In Anbetracht des allgemeinen Notstands in der medizinischen Versorgung sei es dabei nicht verkehrt, alte Ideen, wie die Gemeindeschwester Agnes auf der Schwalbe, zu reaktivieren. Gleiches gilt für den Kindergarten, was in Thüringen normal ist, sei in anderen Bundesländern undenkbar. Dies könne aber nicht bedeuten, dass Thüringen nun abbauen müssen, es sei an den anderen aufzuholen. Überhaupt ärgere es ihn, wie über Ostdeutschland dieser Tage geredet werde. „Man betrachtet allein die 30 Prozent und blendet die 70 Prozent aus. Das führt nur zu mehr Ablehnung und Missverständnis.“, sagt Ramelow und lobt im gleichen Atemzug die CDU, auf deren Bestreben hin das Wertstoffzentrum ins Gespräch gebracht wurde. Wenn sich die 70 Prozent wertschätzten, sich nicht untereinander ausgrenzten und man es sich gemeinsam zutraue, den Veränderungen in der Welt eine Richtung zu geben, dann könne Thüringen viel einbringen. Angefangen beim Gipsrecycling bis zum „Tag in der Praxis“.

Soweit die Kurzfassung der Ramelow-Rede, die sich dank gehörigem Tempo trotz inhaltlicher Breite nicht in die Länge zieht. Es war an Mario Voigt die letzten Worte los zu werden, ehe man die Gäste wieder der Leinwand überließ. Entgegen der am nachbarschaftlichen Gartenzaun verbreiteten Überzeugung dass alles nur noch bergab gehe, zeigten Orte wie die Hochschule und Thüringer Technik, die auf der ganzen Welt bishin zum Orbit zum Einsatz komme, dass das Land mehr könne. Jenes Image, das einem von außen aufgezwungen werde, könne man durch harte Arbeit ändern.

Was das Land brauche sei Stabilität, man müsse nicht theoretische sondern konkrete Probleme der Menschen lösen, wirbt der Christdemokrat, die Bildung müsse funktionieren, Leistung müsse sich lohnen, Gerechtigkeit neu bestimmt werden. Zu Letzterem gehöre, dass das Bürgergeld noch nicht der Stein der Weisen sein könne und jeder der arbeiten könne auch arbeiten sollte. Das Land brauche Wertschöpfung und Klartext. Und wenn man sich über die kommenden Monate nicht in kleinlichen Debatten verliere, dann werde man sicher auch eine ordentliche Regierung zusammenbekommen.

Damit war das Publikum zu Gulasch, Getränken und Fußball entlassen, Deutschland gewinnt 2:0, am Ende vielleicht doch kein so schlechter Rahmen für einen solchen Abend.
Angelo Glashagel