Bundesweit größter Anstieg bei exzessivem Konsum

Jeder elfte Berufstätige in Thüringen tabaksüchtig

Sonntag
16.06.2024, 13:06 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Sind es Ängste, Sorgen und Nöte? Ist es der Druck im Job, Stress im Privatleben oder schlicht übermäßiger Genuss? Fakt ist: In keinem anderen Bundesland ist die Zahl der berufstätigen exzessiven Raucher so stark gestiegen wie in Thüringen...

2022 sind dort laut Daten der KKH Kaufmännische Krankenkasse 87 von 1.000 Beschäftigten wegen einer Abhängigkeit, Entzugserscheinungen, eines akuten Tabakrauschs oder psychischer Probleme aufgrund von Tabak ambulant behandelt worden. Das entspricht rund jeder/jedem Elften. Im Vergleich zu 2012 (34 von 1.000 Beschäftigten) bedeutet das einen Anstieg von fast 160 Prozent, im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr ein Plus von rund 20 Prozent.

Im Bundesländervergleich sind das die größten Veränderungen. Das jeweils geringste Plus verzeichnet die KKH hingegen in Hessen mit rund 28 Prozent im Zehnjahresvergleich und einer Stagnation während der Pandemie. In Mecklenburg-Vorpommern fällt der Anstieg zwar geringer aus als in Thüringen (plus rund 128 Prozent). Hier leben aber die meisten tabaksüchtigen Arbeitnehmer (103 von 1.000 Betroffene). Ebenfalls in Hessen verbucht die KKH mit 67 pro 1.000 die wenigsten Fälle von behandlungsbedürftigem Tabakkonsum bei Berufstätigen. Der Bundesdurchschnitt liegt 2022 bei 81 Fällen pro 1.000 Arbeitnehmer und einem Anstieg von rund 60 Prozent.

Die einen sagen: Raucher arbeiten wegen der vielen Unterbrechungen weniger, die anderen sagen: Raucherpausen wirken inspirierend. Das Thema Tabakkonsum am Arbeitsplatz sorgt immer wieder für Diskussionen. Das Entscheidende aber ist: „Bereits ab einer Zigarette am Tag gefährden Raucherinnen und Raucher ihre Gesundheit“, betont Michael Falkenstein, Experte für Suchtfragen bei der KKH. Mit jeder weiteren Zigarette steigt die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit, von Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Krebs deutlich. „Auch E-Zigaretten sind ein Suchtmittel“, so Falkenstein. Sie enthalten ebenfalls gefährliche Stoffe, die zu schweren Erkrankungen führen können.

Exzessive Raucher stellen darüber hinaus ein Risiko für Unternehmen und Kollegenkreis dar. Denn allein aufgrund ihres übermäßigen Tabakkonsums werden Berufstätige immer wieder krankgeschrieben. Wie bundesweite KKH-Daten zeigen, liegt die durchschnittliche Fehlzeit 2023 bei 21,4 Tagen. Das ist der höchste Wert der vergangenen fünf Jahre und ein starker Anstieg von 55 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2022 (13,8 Tage). Entwickeln Tabaksüchtige in der Folge weitere Krankheiten, fallen sie einmal mehr bei der Arbeit aus. Darüber hinaus leidet auch das Arbeitsklima unter zu starkem Konsum. Misstrauen und Konflikte sind die Folge. Hinzu komme, dass eine Tabakabhängigkeit in der Gesellschaft häufig als Lifestyle-Problem bagatellisiert und nicht als Erkrankung wahrgenommen werde, sagt Falkenstein. „Viele Betroffene verharmlosen das Rauchen auch als schlechte Angewohnheit, die man jederzeit wieder aufgeben kann. Sie werden sich ihrer Sucht viel zu spät bewusst und suchen somit auch erst spät Hilfe.“

Der KKH-Experte empfiehlt Mitarbeitern, die Suchtprobleme bei Kolleginnen und Kollegen beobachten, sich an die nächsthöhere Führungskraft oder auch die Betriebsärztin/den Betriebsarzt des Unternehmens zu wenden: „Keinesfalls sollten problematischer Konsum gedeckt und die Auswirkungen durch andere ausgeglichen werden müssen“, betont der Experte. Und: „Viele glauben es nicht, aber Aufhören lohnt sich in jedem Alter. Selbst wer erst als über 60-Jähriger auf Zigaretten verzichtet, senkt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bereits innerhalb weniger Jahre erheblich.“