Alltäglicher Behördenwahnsinn

So wird das nichts mit der Integration

Dienstag
04.06.2024, 08:00 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Die nnz hatte mehrfach über Bemühungen berichtet, um geflüchtete Ukrainer in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bringen. Nicht immer zeigten die Frauen und Männer aus dem Land das nötige Engagement. Es geht aber auch andersrum - dann nämlich steht die deutsche Bürokratie einfach mal im Weg der Mühen. Die nnz mit einem Fall-Beispiel…

Fahrschule (Symbolbild) (Foto: Markus Spiske auf Pixabay) Fahrschule (Symbolbild) (Foto: Markus Spiske auf Pixabay)
Johannes Kunze ist in der Wippertaler Getränke GmbH der Betriebsleiter. Vor ihm auf dem Schreibtisch steht ein Aktenordner, in dem Bewerbungen gesammelt werden. Was der Autor dort zu lesen bekommt, lässt dem Laien die Haare zu Berg stehen. Auch Herr Kunze ist der Verzweiflung nahe, benötigt doch das Unternehmen Kraftfahrer für den gewerblichen Transport der flüssigen Köstlichkeiten. Doch genau mit diesem Attribut “gewerblich” beginnt das Problem.

Rückblende: Zur Walpurgisfeier im Nordhäuser Gehege lernten Johannes Kunze und dessen Chef Peter Winsel einen Ukrainer kennen, der schon fast zehn Jahre in Nordhausen lebt. Und der kannte einen vor dem Krieg geflohenen Mann, der sogar im Besitz eines Lkw-Führerscheins ist. Der reicht in seinem Heimatland auch für den gewerblichen Transport von Gütern und Waren.

Der Führerschein reicht aber nicht der Bürokratie in Deutschland und so werden etliche Hürden errichtet, die übersprungen werden müssen. In der Theorie könnte das gelingen, in der Praxis steht sich das Verbotswesen in diesem Land selbst im Weg. So muss der Ukariner - wir nennen ihn mal Wladimir - eine Berufskraftfahrergrundqualifikation ablegen. Die endet mit einer Abschlussprüfung der IHK und diese Prüfung muss zwingend in Deutsch abgelegt werden. Wladimir belegt gerade einen Deutschkurs, der aber nur von 8 Uhr bis 12 Uhr stattfindet. Bleibt die Frage, warum solche Kurse nicht auch nach Feierabend stattfinden können? Eine Antwort gibt es nicht, dafür wird allerdings von der Fahrschule eine Gebühr von ca. 3.000 Euro verlangt.

Das aber ist noch nicht alles. Wladimir müsste noch eine Auffrischungsausbildung absolvieren, die aus fünf Modulen besteht. Diese kostet aktuell ungefähr 700 – 800 Euro. Müssen übrigens alle Kraftfahrer machen, die im gewerblichen Transport unterwegs sind. Sie müssen auch alle fünf Jahre zu einer ärztlichen Untersuchung, die weitere Kosten verursacht. Johannes Kunze, Peter Winsel und natürlich auch Wladimir sind ratlos. Das Unternehmen sucht Personal, Wladimir will arbeiten, der Staat bekäme Steuern und Sozialabgaben.

Das Jobcenter der Arbeitsagentur ist ebenfalls ratlos. Eine sofortige Einstellung als Beifahrer samt Förderung vom Jobcenter für eine Frist von sechs Monaten wäre möglich, doch die Teilnahme am vormittäglichen Deutschkurs hat Priorität. “Ich kann das nicht verstehen, ist doch die Arbeit mit anderen Kolleginnen und Kollegen die beste Möglichkeit zum Überwinden der Sprachbarriere. Bald endet der Deutschkurs, doch für die IHK-Prüfung und die Modulschulung reicht das alles bei weitem nicht.

“Die Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur und dem Jobcenter funktioniert tadellos, doch es ist die Bürokratie in Berlin, die uns allen so richtig schwere Brocken in den Weg legt. So kann das in diesem Land nicht weitergehen, wir machen uns selbst kaputt”, resigniert Peter Winsel und der Aktenordner seines Betriebsleiters wird immer dicker. Die Personalstärke im Unternehmen leider nicht.
Peter-Stefan Greiner