Schwarzberg zum Besuch des BUND-Chefs

Er sagt nicht die Wahrheit

Mittwoch
29.05.2024, 08:52 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Gestern schrieb die nnz über einen Besuch des grünen Umweltministers Stengele und des BUND-Chefs Bednarsky im Südharzer Gipskarst. Manche Aussagen aus dem Artikel kann ich als Botaniker, langjähriger floristischer Kartierer und aktiver praktischer Artenschützer in unserer Region nicht nachvollziehen...

So wurde Bednarsky mit dem Satz zitiert: „Die Alpen-Gänsekresse hat die Eiszeit überlebt. Nicht aber den Gipsabbau im Südharz“.

Das ist sachlich falsch: Die Alpen-Gänsekresse (Arabis alpina) hat sehr wohl den Gipsabbau überlebt. Im Jahre 2018 wies ich die letzten Exemplare an einem als natürlich angesehenen Wuchsort bei Ellrich nach. Außerdem gab es bis vor wenigen Jahren noch einen Bestand, der von Botanikern der Martin-Luther-Universität Halle unter Mitwirkung des Ellricher Botanikers Reinhardt bereits 1969 bzw. 1980 mit Erfolg etabliert worden war.

An dieser, von Botanikern vor Jahrzehnten bepflanzten und von mir gepflegten Stelle, blühte die Alpen-Gänsekresse: 2013 gab es sogar einen neuen Höchststand blühender Pflanzen. Das seltene Glazialrelikt überlebte hier, entgegen den Aussagen des BUND-Thüringenchefs, den Gipsabbau (Foto: Bodo Schwarzberg) An dieser, von Botanikern vor Jahrzehnten bepflanzten und von mir gepflegten Stelle, blühte die Alpen-Gänsekresse: 2013 gab es sogar einen neuen Höchststand blühender Pflanzen. Das seltene Glazialrelikt überlebte hier, entgegen den Aussagen des BUND-Thüringenchefs, den Gipsabbau (Foto: Bodo Schwarzberg)


Die Geschichte der Alpen-Gänsekresse seit ihrer Entdeckung durch Wallroth im Jahre 1840 ist in einer Publikation nachzulesen, die ich 2014 für die Zeitschrift „Landschaftspflege und Naturschutz in Thüringen“ (LNT) schrieb (Heft 3/14). Dem BUND dürfte diese Publikation vorliegen.

Herr Bednarsky hätte sich besser informieren sollen: Bis 2013 nahm Arabis alpina nämlich dank meiner Erhaltungsbemühungen eine ausgesprochen positive Entwicklung, zumindest an einem der beiden, damals noch vorhandenen Wuchsorte (siehe LNT 2014). Danach gab es zum einen eine Infektion mit dem phytoparasitischen Pilz Albugo candida, der zum drastischen Bestandsrückgang an einem den beiden Wuchsorte führte. Noch mehr aber führte die zunehmende Trockenheit während der Vegetatiosperioden und die zunehmend hohen Sommertemperaturen zum Rückgang der kühle- und feuchteliebenden Art, die ein arktisch-alpines Florenelement ist.

Die Alpen-Gänsekresse ist zwar bei Ellrich an einem ihrer wichtigsten Wuchsorte am 24.04.1979, gut dokumentiert übrigens von Reinhardt, durch das damalige Ellricher Gipswerk infolge einer Überschüttung vernichtet worden. Entscheidend aber für den Beinahe-Verlust der Art im Südharz, ist der Klimawandel nach der Jahrtausendwende.

Ganz verloren ist die Alpen-Gänsekresse, die als Glazialrelikt in Nischen bei uns überdauerte, jedoch nicht: Sowohl der Botanische Garten der Uni Halle als auch ich selbst kultivieren sie mit Erfolg. Zudem gibt es eine in-situ-Erhaltungskultur an einer von mir als geeignet befundenen Stelle in unserer Landschaft, die bis heute besteht und die auch die zurückliegenden Dürrejahre überlebt hat.

Von einem Thüringer BUND-Chef hätte ich mir hier ein wenig mehr Kompetenz erwartet, aber auch von einigen anderen Mitstreitern beim BUND, die wissen, wer sich seit vielen Jahren um die Alpen-Gänsekresse bemüht.

Und vielleicht hätte sich Herr Bednarsky mal bei jenen in Halle und Nordhausen bedanken können, die dafür gesorgt haben, dass der Südharzer Genotyp von Arabis alpina, trotz Gipsabbau und Klimakatastrophe, bis heute nicht verloren ist.

Nicht zuletzt lässt sich das im gestrigen Beitrag angesprochene Problem Gipsabbau als Teil des weltweiten, zerstörerischen Ressourcenverbrauchs nur durch eine Veränderung des generellen Wirtschaftens und durch eine Abkehr von der Globalisierung ändern. Die im gestrigen Beitrag geforderten Maßnahmen mögen punktuell, also für den Südharzer Zechsteinrand, sinnvoll sein, sie führen aber letztlich nur zu einer Verlagerung der Probleme, für die der Gipsabbau Ausdruck ist, auf andere ökologisch relevante Bereiche.
Bodo Schwarzberg
Mitglied BUND-Kreisverband Nordhausen