Im Gespräch mit der Bürgerliste Südharz

Das wird nicht die Buchmann-Liste

Freitag
24.05.2024, 14:39 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Die Bürgerliste Südharz tritt am Sonntag zum ersten Mal auch für den Stadtrat an und könnte einige neue Gesichter in die Kommunalpolitik bringen. Warum man lieber Liste als Partei ist, warum man in Stadt und Kreis unterschiedliche Wege gehen will und wie man es mit dem Rathaus-Drama hält, hat die nnz erfahren…

Die Bürgerliste hat viele neue Mitstreiter gefunden, die am Sonntag in Kreistag und Stadtrat einziehen wollen, darunter auch Kai Liebig, Hildegard Seidel und Jürgen Vopel (Foto: agl) Die Bürgerliste hat viele neue Mitstreiter gefunden, die am Sonntag in Kreistag und Stadtrat einziehen wollen, darunter auch Kai Liebig, Hildegard Seidel und Jürgen Vopel (Foto: agl)


17 Kandidatinnen und Kandidaten für den Stadtrat, 38 für den Kreistag - die Bürgerliste Südharz stellt sich im zweiten Wahlkampf ihrer Geschichte deutlich breiter auf und könnte, so es der Wähler will, viel frisches Blut in die Kommunalpolitik bringen, denn viele ihrer Kandidaten haben das „politische Nordhausen“ bisher eher von der Seitenlinie aus beobachtet.

Dabei steht die Bürgerliste symptomatisch für einen Trend, der auch bei den alteingesessenen politischen Kräften immer deutlicher zu Tage tritt - die Parteilosigkeit. Viele Kandidatinnen und Kandidaten treten am Sonntag zwar auf dem „Ticket“ einer der bekannten Parteien an, ohne auch deren Parteibuch zu haben. „Parteien haben einen ideologischen Überbau. Der mag in der Lokalpolitik eine kleinere Rolle spielen, aber am Ende drücken Landes-, Bundes-, und auch Europapolitik auf die Parteien vor Ort. Man ist an gewissen Punkte an die Programmatik der Partei gebunden und genau das wollen wir nicht. Wir wollen Kommunalpolitik machen, mehr nicht.“, sagt Kai-Uwe Liebig, der die Bürgerliste 2019 mitbegründet hat. Kritisch sehe man auch das „Eigenleben“ der Parteien, etwa die Belohnung von Seniorität über Postenvergabe oder die Taktik Kandidaten aufzustellen, die ihre Wahlmandate gar nicht annehmen könnten.

Frisches Blut für die Kommunalpolitik
Liebig ist in der Nordhäuser Politik inzwischen ein Begriff, gilt im Kreistag als streitbarer Charakter, in den vergangenen fünf Jahren gab es manche verbale Auseinandersetzungen zwischen Landwirt und Landrat. Unter denen, die sich jetzt anschicken, die Bürgerliste in der neuen Legislatur zu vertreten, sind aber auch viele Gesichter, die bisher nur Zaungäste und Rezipienten des politischen Geschehens waren. Sebastian Jugert, der sowohl in der Stadt wie auch im Kreis antritt, ist von Haus aus Psychotherapeut und konnte bisher keine politische Heimat finden, die ihm gepasst hätte. „Es gibt bei diversen Parteien Punkte, bei denen ich mitgehen könnte, aber eben auch Kröten, die ich nicht schlucken will. Interessiert habe ich mich für Kommunalpolitik schon immer, nach den politischen Entwicklungen der letzten Jahre, insbesondere nach der OB-Wahl im letzten Jahr, will ich nicht länger tatenlos zu sehen. Wenn Nordhausen eine zukunftsfähige und lebenswerte Stadt bleiben soll, dann muss man auch etwas dafür tun“.

Ähnliche Beweggründe führt auch Marko Rossmann an. Das Interesse hatte ihn zum Studium der Politikwissenschaft bewogen, das Schicksal ihn dann aber ganz andere Wege einschlagen lassen, Rossmann ist Unternehmer geworden. Im Stadtrat will er sich für eine Belebung der Unterstadt einsetzen und hat auch den Zugang zu den Kiesseen auf der Agenda. „Die Kluft zwischen Ober- und Unterstadt, die wir historisch ja eigentlich schon immer hatten, muss endlich einmal aufgebrochen werden. Den Anfang kann man da schon mit Kleinigkeiten machen, ein paar mehr Papierkörbe in der Unterstadt wären schon ein erster Schritt.

Langfristig muss der Fokus vom Zentrum und der Altstadt hier aber wieder stärker und grundlegender hinbewegt werden. Potential für die Stadt sehen wir auch bei den Kiesseen. Man muss da keine Neiddebatten führen und wir wollen ganz sicher nicht das zurück bauen, was schon da. Aber wir wollen sicherstellen, dass man mit dem Pfund wuchern kann, ohne das dabei der Zugang zu den Teichen in Zukunft für die Allgemeinheit verloren geht. Dafür kann man im Stadtrat sorgen.“

Kulturwandel im Kreistag
Für das, was man im Rat erreichen will, hat man recht konkrete Vorstellungen, im Kreistag sieht das anders aus. Das habe aber auch seine Gründe, erklärt Kai Liebig. „In der Stadt gibt es eine, sagen wir mal, ausgeprägte Diskussionskultur. Im Kreistag haben wir mitunter das Gefühl, dass uns Sachen untergeschoben werden ohne das Zeit zur Debatte bleibt. Unsere Priorität hier ist deswegen, dass wir die Diskussionen überhaupt erst einmal zurück in das Gremium holen wollen.“, sagt Liebig und widerspricht Darstellungen des Landrates, demzufolge man der Verwaltung bewusst in den Rücken falle. „Da ging es um die Zuwendungen an Sülzhayn zur Unterstützung der Integrationsmaßnahmen. Angeblich hätten wir uns insgeheim an das Landesverwaltungsamt gewendet, um das zu verhindern. Das stimmt so überhaupt nicht. Erstens ist das mit Ansage geschehen und zweitens ging es nie darum, irgend etwas zu verhindern, sondern das Thema aus der Nicht-Öffentlichkeit zu holen und das ist dann ja auch passiert“. Die Diskussionen um Projekte und Vorhaben wieder stärker in den öffentlichen Teil des Kreistagsgeschehens zu holen, sehe man denn auch als die primäre Aufgabe. Praktisch will man sich außerdem für die bessere finanzielle Ausstattung der Kommunen einsetzen, vor allem die steigende Kreisumlage ist der Bürgerliste ein Dorn im Auge. „Wir haben in unseren Reihen einige Bürgermeister kleinerer Gemeinden, die sich bisher ihre Unabhängigkeit erhalten konnten, inzwischen aber kaum noch freie Spitzen haben, eigene Anliegen umzusetzen“, ergänzt Jürgen Vopel aus Urbach, es könne nicht sein, dass die Ortschaften schon bei Kleinstbeträgen betteln gehen müssten.

Wir sind nicht die Buchmann Liste
Aus den unterschiedlichen Aufgabenstellungen in Stadt und Kreis habe sich für die beiden Listen eine klare Abgrenzung ergeben. Man habe über gemeinsame Anliegen zueinander gefunden und stehe im gegenseitigen Austausch, verfolge aber jeweils eigenständige und voneinander unabhängige Programme, heißt es bei der Bürgerliste.

Derweil schwebt aber über beiden Teilen des Ganzen das Rathaus-Drama um Oberbürgermeister Kai Buchmann und die Auseinandersetzung zwischen Stadtverwaltung und Landratsamt. Der OB ist Gründungsmitglied der Bürgerliste, steht für den Kreistag auf Platz 1 der Wahlvorschläge und versammelt hier auch zentrale Mitarbeiter seiner Verwaltung um sich.

Die Streitigkeiten seien natürlich ein Thema, der OB aber am Ende auch nur ein Mitglied der Bürgerliste, unterstreicht Liebig. Ein Kernproblem sei die Kommunikation, man werde sich des Themas annehmen müssen, eine klare Lösungsstrategie habe man aber im Moment auch noch nicht. Man müsse erst einmal den Wahlausgang abwarten, bevor man diese formulieren könne. Von Seiten der Aspiranten auf den Einzug in den Stadtrat fallen dazu klare Worte, als „Buchmann-Liste“ verstehe man sich hier nicht, sagt Liebig.

Das Rathaus-Drama sei nicht zum Wohle der Stadt, meint etwa Sebastian Jugert. „Ich kenne die Motive der Beteiligten nicht, als Bürger nimmt man den Konflikt eher über Hörensagen wahr, aber das beschäftigt die Menschen in der Stadt auf jeden Fall und ich hoffe sehr, dass es möglich ist, hier eine Arbeitsgrundlage zu schaffen und wieder in die Kommunikation zu kommen. Mittelfristig bedrückt das alle, nicht nur die direkt Beteiligten“.

Bedrückend sei auch die passende Umschreibung für das empfinden vieler Verwaltungsmitarbeiter, sekundiert Hildegard Seidel. Die langjährige Leiterin der Bibliothek kennt das Innenleben im Rathaus und hat sich während ihres Arbeitslebens bewusst aus der Politik herausgehalten. Das es in der Stadt vorangehe sei nicht nur wichtig für Nordhausen, sondern für die Region als Ganzes, auch über die Kreisgrenzen hinaus. „Nordhausen ist ein Leuchtturm, der einzige, den die Region hat, das ist so. Wir haben da eine Brückenfunktion für das gesamte Umland.“, sagt Seidel. Der Bedarf an dem, was nur Nordhausen zu bieten habe, darunter auch aber nicht allein die Stadtbibliothek, ziehe sich bis weit in die Nachbarkreise hinein.

Die letzten Jahre im aktiven Dienst habe sie in der Bibliothek unter dem finanziellen Notbetrieb der Haushaltssperren als lähmende Zeit erlebt, inzwischen habe man deutlich mehr Luft und gestalterischen Spielraum, den es zu nutzen gelte. Sie wolle sich mit ihrer Expertise für Bildung und Kultur einsetzen und trete nicht für den Stadtrat an, um den Oberbürgermeister den Rücken zu stärken, der sich im übrigen auch nicht in die Programmatik der Stadtratsliste eingemischt habe.

Auf die Unabhängigkeit einer etwaigen Bürgerlisten-Fraktion pocht auch der Mann auf dem ersten Listenplatz, Marko Rossmann. Das der OB auch für die Bürgerliste kandidiere, sei ihm im Vorfeld gar nicht bewusst gewesen und stehe auch jetzt nicht im Vordergrund. Im Stadtrat könne man vieles besser machen, darunter auch die Beteiligung der Bürger, für die man in Zeiten der Digitalisierung vielleicht auch einmal neue Instrumente finden müsse.

Zwei Listen also, unter einem Dach. Ob den Neuzugängen im politischen Geschehen der Einzug in Kreistag und Stadtrat gelingt, hat am Sonntag der Wähler in der Hand, die Wahllokale haben dann von 8 bis 18 Uhr geöffnet.
Angelo Glashagel