Kontroversen um Nationalparkverwaltung in Bad Langensalza

Neuer "offener Brief" im Wahlkampf aufgetaucht

Donnerstag
23.05.2024, 14:39 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Kurz vor dem Wahlgang am Sonntag ist ein weiterer offener Brief aufgetaucht, der die Arbeitsweise von Bürgermeister Reinz kritisiert. Unterschrieben ist das Papier von Silvio Hellmundt, Stadtrat und Vorsitzender des Bau-, Planungs- und Sanierungsausschuss der Stadt Bad Langensalza…

Der bisherige Sitz der Nationalparkverwaltung an der Marktkirche (Foto: oas) Der bisherige Sitz der Nationalparkverwaltung an der Marktkirche (Foto: oas)

Der Zimmerermeister aus Ufhoven moniert darin, dass der Freistaat Thüringen wegen des entstandenen Sanierungsstaus am Gebäude der Nationalparkverwaltung nach einer anderen Immobilie sucht und die Villa am Rathaus verlassen will. „Ich gebe hier der Stadtverwaltung ungern die Schuld, aber wenn man sich über so viele Jahre nicht um die eigene Immobilie kümmert, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass sie unbrauchbar wird“, heißt es in Hellmundts Brief.

Bürgermeister Matthias Reinz zeigt sich dagegen verwundert über die Vorwürfe seines Ausschussvorsitzenden. „In der Amtszeit von Bürgermeister Schönau wurde in diese Immobilie kein Cent investiert. Der Sanierungsstau wird seitdem vor sich hergeschoben, weil inzwischen eine Renovierung oder partielle Ausbesserung im Gebäude nicht mehr ausreichend ist. Wir stehen deshalb schon lange in regelmäßigen Gesprächen mit dem Land Thüringen zu dieser Problematik, denn Entscheidungsträger über Auszug oder Verbleib der Behörde ist das Thüringer Umweltministerium, dem wir auch einen Kauf der Immobilie angeboten haben.“

Silvio Hellmundt, der für die Bürgerliste WIR im Stadtrat sitzt und nun für die neue Liste des Bürgermeisterkandidaten Patrick Kosiol „Aktiv für Bad Langensalza“ erneut einen Sitz im Parlament anstrebt, sagte der uhz am Telefon, die Thematik im Ausschuss „nie auf der Tagesordnung“ gehabt zu haben, weil es „immer nur Informationen vom Bürgermeister dazu gab. Jetzt habe ich aus der Zeitung erfahren, dass Herr Reinz keine neue Immobilie hat.“

Reinz kontert diesen Vorwurf mit der Argumentation: “Sowohl dem ehemaligen Verwaltungsleiter Herrn Großmann wie auch dem neuen Chef Herrn Biehl sind mehrere Objekte zur Nutzung vorgeschlagen worden. Das ehemalige Landratsamt war ebenso im Gespräch wie das Bahnhofsgebäude und andere städtische Immobilien. Derzeit wird geprüft, ob das Gebäude der Firma ADIB in der Bahnhofstraße gegenüber der Polizeiwache für die Nationalparkverwaltung in Frage käme oder vielleicht auch das ehemalige Pionierhaus am Lindenbühl.“

Hellmundt weist seinerseits darauf hin, dass es seit vielen Jahren die Möglichkeit gäbe, „recht einfach über die KFW Zuschüsse für eine energetische Sanierung kommunaler Gebäude zu bekommen. Damit hätte man das Gebäude in kleinen Schritten über die Mieteinnahmen in einem guten Zustand halten können, ohne den städtischen Haushalt zu belasten.“

Für Silvio Hellmundt stellt sich die Frage, „wie es soweit kommen konnte?“ In seinem Brief fragt er polemisch: „Gibt es kein zuständiges Personal in der Verwaltung?
Wurde es einfach vergessen und niemand fühlte sich zuständig? Oder gibt es einen Interessenten für die Immobilie in bester Lage? Braucht man die Mieteinnahmen nicht mehr?“
Mit dem jetzt vom Freistaat Thüringen ausgerufenem Markterkundungsverfahren für eine andere Immobilie sähe es nicht gut aus für Bad Langensalza, denn
außer der vorhandenen, stehe zurzeit keine passende Immobilie zur Verfügung.

„Ich weiß, dass der Nationalparkleiter Rüdiger Biehl gern in Bad Langensalza bleiben würde, doch die Entscheidung darüber liegt nicht bei ihm, sondern im Erfurter Ministerium. Das Anforderungsprofil, was aktuell an das neue Verwaltungsgebäude gestellt wird, lässt sich nur mit einem Neubau realisieren“, erklärte Matthias Reinz dazu auf Anfrage.

Der angesprochene Chef der Nationalparkverwaltung beschreibt das Gebäude selbst als gründlich renovierungsbedürftig, fügt aber gleich an: „Die Grundfläche der Immobilie reicht für eine moderne Verwaltung nicht mehr aus. Die Stadt Bad Langensalza, mit der wir in engem Kontakt stehen und gute Gespräche für einen Umzug haben, vermittelte uns verschiedene interessante Objekte. Die Entscheidung darüber, wo der neue Standort sein wird, treffen aber die Landesbehörden und nicht wir.“

In dem Aufruf zur Teilnahme am Markterkundungsverfahren hatte Biehl seinerzeit formuliert: „Wir sind auf der Suche nach einem zeitgemäßen und funktionalen Gebäude, das unsere Arbeit für den Nationalpark Hainich unterstützt und den Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht wird. Wir laden alle interessierte Personen und Organisationen ein, an diesem Prozess teilzunehmen und gemeinsam das optimale Zuhause für die Verwaltung des Nationalparks zu finden.“

Danach befragt, ob denn die Nationalparkmitarbeiter Bad Langensalza gern verlassen wollen, antworte Rüdiger Biehl: „Wir haben sehr gute Erfahrungen in Bad Langensalza gemacht und immer hervorragend mit der Stadt und der KTL als Betreiber des Baumkronenpfads zusammengearbeitet. Deshalb können wir uns einen Verbleib sehr gut vorstellen. Aber es liegt nicht in unserer Hand.“

Silvio Hellmundt fordert in seinem Brief weiter: „Es muss nur wirklich ernsthaft der Wille da sein, die Verwaltung hier in Bad Langensalza zu belassen.“ Und er beendet sein Schreiben mit dem Satz: „Bernhard Schönau hätte alle Hebel in Bewegung gesetzt und die Angelegenheit zur Chefsache erklärt.“

Doch der steht am Sonntag nicht mehr zur Wahl. Das Problem muss schon von einem neu gewählten Stadtrat, neuen Ausschüssen und dem Bürgermeister geklärt werden. Und der heißt dann entweder Matthias Reinz oder Patrick Kosiol.
Olaf Schulze

update:
Während unser Server sich gestern Nachmittag eine kleine Auszeit nahm, erhielten wie von der Stadtverwaltung folgende Chronologie der Bemühungen um das Problem:

Stadtverwaltung
Bad Langensalza 23. Mai 2024



Objekt: Bei der Marktkirche 9
Nationalparkverwaltung


Gemarkung Bad Langensalza, Flur 22, Flurstück 658/1 mit einer Größe von 1.449 qm


von Ende 1991 bis Ende 1997 Nutzung durch Stadtverwaltung Bad Langensalza
als Dienstgebäude

mit Wirkung zum 01.03.1998 wurde zwischen der Stadt Bad Langensalza und dem
Freistaat Thüringen, vertreten durch den Thüringer Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt, dieser wiederum vertreten durch den Leiter der Nationalparks Hainich, Herrn Walter Kemkes ein unbefristeter Mietvertrag zur Nutzung der Räumlichkeiten sowie des gesamten Grundstückes (Garten) geschlossen

Gesamtfläche der Räumlichkeiten betrug 189,23 qm
Mietzins = 1.797,97 DM, entspricht 919,29 €
Korrektur Nutzfläche auf 400,88 qm (gesamtes Objekt) sowie Anpassung des Mietzinses auf 2.048,50 € durch Nachtrag vom 01.11.2011 – Nationalparkverwaltung
ist alleiniger Mieter/Nutzer

erste Anfrage der Nationalparkverwaltung zum Kauf der Immobilie am 17.08.2016
(für Mittelanmeldung Jahr 2017)
Grobkostenschätzung für Sanierung durch Stadt ca. 800.000,00 €
ein weiteres Gespräch fand am 27.05.2019 statt
Festlegungen: (siehe Anhang)
. Stadt gibt Verkehrswertgutachten in Auftrag
. Nationalparkverwaltung wird fundierte Schätzung zur Sanierung des Gebäudes
in Auftrag geben
. Gebäude gehört zum denkmalgeschützten Ensemble der Altstadt; grundsätzliche
Probleme für einen Anbau werden nicht gesehen – barrierefreier Zugang

20.08.2019 – Auftragserteilung Verkehrswertgutachten durch die Stadt Bad Langensalza
07.11.2019 – Erhalt des Verkehrswertgutachtens (Verkehrswert = 270.000,00 €)
11.11.2019 – Übergabe einer Ausfertigung des Gutachtens an Nationalpark-verwaltung zur Abstimmung mit dem Ministerium
27.05.2020 – E-Mail (Stadt) an Herrn Großmann zum Stand des Erwerbs des Grundstückes
18.06.2020 – Rückantwort Hr. Großmann
. demnächst wird durch die Nationalparkverwaltung ein Gutachten zu den
Sanierungskosten in Auftrag gegeben
. auf dieser Basis wird eine Wirtschaftlichkeitsberechnung angefertigt
. Ergebnis muss dann mit Finanzministerium verhandelt werden
. kommt vom Ministerium ein positives Signal, kann das Grundstück 2021 vom Land
erworben und ab 2022 mit der Sanierung begonnen werden


03.02.2022 - Gesprächstermin mit einem Kaufinteressenten beim Bürgermeister
Festlegung zur weiteren Vorgehensweise:
Bürgermeister nimmt Kontakt mit Ministerium auf (Kauf/Umzug?)
Aktualisierung des Verkehrswertgutachtens
öffentliche Ausschreibung zum Verkauf

24.06.2022 – Erhalt des aktualisierten Verkehrswertgutachtens – Verkehrswert
wird mit 293.000,00 € angegeben

öffentliche Ausschreibung ist zunächst nicht erfolgt

November 2023 sollte durch DSK, Hr. Horrmann, eine Wirtschaftlichkeitsberechnung für die Sanierung angefertigt werden


Der Nationalparkverwaltung wurden seitens der Stadtverwaltung verschiedene Objekte, nach Absprache mit dem jeweiligen Eigentümer, zur Nutzung bzw. Kauf angeboten, wie z. B.

Kleinspehnstraße 20/21
Bahnhofstraße 7 – ehem. Bahnhof
Bahnhofstraße 10
Thamsbrücker Straße 20
Molkereistraße 1 a