Südharzstrecke:

Desaster für die Bahn

Montag
20.05.2024, 09:03 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
In der Frühe des Pfingstsamstags (18.05.2024) gingen auf dem digital gesteuerten Teilstück Walkenried–Nordhausen einmal mehr alle Lichter aus. Zugfahrten waren nicht mehr möglich...


Ein vergleichbares Ereignis im letzten Jahr führte zu einem Zugausfall bis in die Mittagsstunden. So wurde es auch für den 18.05.2024 angekündigt, die Kunden wurden mit, wie sich herausstellte, falschen Informationen darüber hinweggetäuscht, dass Zugfahrten östlich von Walkenried gar nicht möglich waren. Die endeten, soweit sie überhaupt fuhren, in Walkenried und drehten wieder um.

Erst in den Mittagsstunden wurde das ganze Ausmaß des Debakels offenbar, denn nun meldete man ehrlicherweise, dass kein einziger Zug mehr zwischen Walkenried und Nordhausen verkehren könne, es läge eine „Stellwerksstörung“ vor. Ein Bus-Notverkehr sei mit einem Bus eingerichtet, der zwischen Walkenried und Nordhausen pendeln würde. Wann und wie, das blieb – und bleibt auch weiterhin – vollkommen offen. Inwieweit der Bus überhaupt fährt, kann niemand nachprüfen, denn im Bahn-Auskunftssystem tauchen diese Fahrten nicht auf. Niemand kann auch wissen, wann welche Station denn angefahren wird.

Mit anderen Worten: Das Reisen mit der Bahn ist seit dem 18.05.2024 zwischen Walkenried und Nordhausen faktisch nicht möglich, da es keinerlei Informationen über das ob, wie und wann des Ersatzverkehrs gibt. Kein Mensch kann sich in Nordhausen oder Ellrich an eine Haltestelle stellen, weil vollkommen unklar ist, ob überhaupt jemals ein Bus vorbeikommen wird. In dieser Brutalität hat man den Kunden im Südharz noch nie gezeigt, welchen Wert man auf sie legt: Keinen nämlich.

Und dieser Zustand, dies wurde am Samstag am Nachmittag mitgeteilt, würde bis zum 21.05.2024 anhalten, also mehr als drei Tage lang. Drei Tage lang gibt es also keinen öffentlichen Verkehr zwischen Walkenried und Nordhausen, denn Busankündigungen ohne jegliche Zeitinformationen sind ein Witz, über den der in Nordhausen oder Walkenried gestrandete Fahrgast nicht lachen kann und der auf den Zwischenstationen wartende Kunde schon gar nicht.

Zum kommunikativen Desaster kommt ein planerisches und ein technisches hinzu.

1. Das planerische Desaster:
Obschon die gepriesene digitale Technik, die zwischen Walkenried und Nordhausen verbaut wurde, offenbar dritte Wahl war und des Öfteren den Geist aufgibt, hat man es nicht geschafft, einen wirklichen Notfahrplan aufzustellen, den man im Bedarfsfall (an den wir im Südharz und ganz offenbar gewöhnen müssen) aus der Schublade zieht und ein Busunternehmen mit seiner Durchführung beauftragt. Hätte man diesen, könnte man, immerhin, Fahrzeiten kommunizieren, auch wenn diese natürlich nicht befriedigen können. Aber der Kunde wüsste immerhin, ob sich der Gang zur Station bzw. zum Ersatzhalt lohnt oder nicht. So wie derzeit gehandhabt, weiß er gar nichts.

2. Das technische Desaster
ist, dass es offenbar nicht möglich ist, einen Fehler in der hochgelobten digitalen Stellwerkstechnik binnen Stunden zu analysieren und abzustellen. Das Lied vom Unvermögen des Unternehmens „DB InfraGO“ (früher DB Netz) kann inzwischen ja schon jeder Spatz mühelos vom Dach herunterpfeifen.

Im vorliegenden Fall – mehr als drei Tage kein einziger Zug, weil im Stellwerk ein doch sicher mühelos zu lokalisierender und demzufolge auch abzustellender Fehler vorliegt – kann man im Zusammenhang mit dem Pfingstfest natürlich noch auf ganz andere Gedanken kommen. Wie, wenn man bei DB InfraGO schlicht und einfach keine Lust darauf hat, sich über die Pfingsttage mit der Reparatur eines Provinz-Stellwerks in Göttingen zu befassen? Reicht doch auch noch am Dienstag, und die Fahrgäste sind doch so oder so schon weg…

Bei der Deutschen Bahn in ihrem aktuellen Zustand kann und darf man nichts ausschließen. Gar nichts. Dafür hat man als Fahrgast ja schon die seltsamsten Dinge erlebt und auch die abstrusesten, leicht zu entlarvenden Ausreden zur Kenntnis nehmen müssen.

Nein, in diesem Unternehmen funktioniert praktisch nichts mehr.
  • Ständig neue Verspätungsrekorde,
  • immer mehr ausfallende Züge,
  • sei es wegen fehlenden Personals oder
  • versagender Technik,
  • und immer häufigere Streckensperrungen.
  • Wird denn tatsächlich irgendwo mal gebaut, klappt auch das nicht – Verzögerungen von bis zu einem halben Jahr sind derzeit nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
Es wird, um im Bild zu bleiben, allerhöchste Eisenbahn, dass Köpfe rollen, und zwar ganz, ganz oben.

Die Vorstände, die man wegen völliger Unfähigkeit entlassen sollte, angefangen bei Herrn Lutz und dann weiter bei den Chefinnen und Chefs von DB Fernverkehr, Regio, DB Cargo und vor allem DB InfraGO, fallen ja Dank üppiger Tantiemen für eine Nullleistung relativ weich und müssen ganz sicher nicht verhungern.

Sie können aber allesamt einen Betrieb wie die Deutsche Bahn nicht führen – oder, führen können sie ihn schon, und zwar rasend schnell in den Abgrund.
Wie lange will man eigentlich noch zusehen, wie das Unternehmen Bahn immer mehr und immer schneller in Agonie verfällt?
Michael Reinboth