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Politischer Klimmbimm und „Genosse Günther“

Freitag
17.05.2024, 19:48 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
„Wir müssen einen Zaun entlang der deutschen Grenze bauen.“ Derjenige, der diesen Satz gesagt hat, war am Abend in Nordhausen. Eingeladen hatte ihn eine konservative Partei. Nein, nicht die AfD. Geht das aber heute noch zusammen? Die nnz hörte im Saal der Bürger zu…

Rainer Wendt und Marion Walsmann (Foto: nnz) Rainer Wendt und Marion Walsmann (Foto: nnz)
Eingeladen hatte die CDU-Fraktion im Nordhäuser Stadtrat sowohl Marion Walsmann, die einzige Thüringer Europa-Abgeordnete, als auch den Zitategeber – Rainer Wendt, den Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft.

Marion Walsmann habe sich in den vielen Jahren ihrer Politkarriere, die sie vom Erfurter Stadtrat, über den Landtag bis in das Europaparlament führte, das Thema Sicherheit zu einem Kernthema gemacht. In Thüringen ist sie im Weißen Ring führend zuständig. Und natürlich will diese Frau auch in den nächsten fünf Jahren dieses Land und ganz Europa sicher machen. Sicher an den nicht vorhandenen Grenzen, aber auch im Cyberraum. Und dann seien da noch die Katastrophen, die durch den Klimawandel bedingt sind. Hier bedarf es einer europaweiten Koordination, zum Beispiel mit Hilfe von Löschflugzeugen und Hubschraubern. Wie nötig die seien, das haben die großen Brände im vergangenen Jahr vor Augen geführt. Nur die EU garantiere eine noch bessere Sicherheit, als sie jetzt schon gegeben sei.

Was Frau Walsmann mit Herrn Wendt verbindet, das ist zum Beispiel die gemeinsame Parteizugehörigkeit. Und die Sicht auf die Lage der „Dinge“. Doch erst einmal wurde es düster. „Wenn ich hier die Lage in Deutschland tatsächlich beschreiben sollte, dann versaue ich ihnen den Abend und sie trauen sich vielleicht nicht mehr auf die Straße“, so der Einstand des Polizisten im Bürgerhaus. Das, was ihn seit langem umtreibe, das teilte er trotzdem mit: „Das sind nicht nur die Phänomene der Kriminalität, sondern das nicht mehr eingehaltene Schutzversprechen des Staates.“ Und das habe Folgen: In erster Linie für das Zusammenleben von Menschen.

Rainer Wendt, mit Dienstgrad Polizeihauptkommissar, lobte aber auch. Zum Beispiel die europaweite Zusammenarbeit der Polizeien im Bereich der Bandendiebstähle. Doch beruhigend sei das alles nicht und deshalb müsse es der Wähler am 9. Juni entscheiden. Zum Beispiel Marion Walsmann wieder nach Brüssel wählen.

Ist der geneigte Zuhörer schon einmal in jüngster Zeit bei einer Podiumsdiskussion mit Wendt Gast gewesen, dann geht es ohne einen Wink zu seiner Lieblingsinnenministerin nicht ab. Natürlich ist das die Frau Faeser, die immer da sei, wo sie nicht zuständig ist. Lieblingsministerin aber nur deshalb, weil sie ihm tagtäglich „Vorlagen“ für Pointen liefern würde.

Blick ins Auditorium (Foto: nnz) Blick ins Auditorium (Foto: nnz)
Nicht mehr lustig wurde es bei Wendts Ausführungen zu den Folgen der illegalen Migration. Man könne sich des Gefühls nicht erwehren, dass zum Beispiel die Abschiebung ausreisepflichtiger Asylbewerber „nicht mit dem notwendigen Elan“ gehandhabt werde. Der oberste Polizeigewerkschafter brachte Beispiele des Zuständigkeitswirrwarrs innerhalb der deutschen Polizeien, die so haarsträubend erscheinen, dass einem Angst und Bange werden könne. Doch Wendt war weit davon entfernt, Angst zu schüren. Er beschrieb lediglich den Arbeitsalltag der deutschen Polizei.

Nach den beiden Statements waren Fragen gewünscht. Deren Reigen eröffnete René Fullmann. Der CDU-Kommunalpolitiker erinnerte an die Zeit vor der Ampel, die Fehler von 2015 seien von einer CDU geführten Regierung begangen worden. Das bestätigte der in Duisburg geborene Gast und korrigierte die damalige Formulierung von einem Kontrollverlust. Es sei 2015 und 2016 schlichtweg ein Kontrollverzicht gewesen. Die CDU, seine Partei, die ihm auch schon mal einen Posten als Staatssekretär nicht gegönnt haben soll, sei jetzt vielleicht auf einem anderen Weg, ob das zum Beispiel „Genossen Günther“ aus Schleswig-Holstein nun passe oder nicht. Dazu gehöre, den Menschen zu sagen, was sich mit einer Regierung ändern werde, an der künftig die CDU beteiligt wäre. „Da gibt es viel zurückzunehmen, auch einen zusätzlichen „Sonderaufpasser“ für die Polizei.

Steffen Iffland forderte von der „großen“ Politik, das verloren gegangene Vertrauen unter der Bevölkerung wieder herzustellen. „Wir wollen, wir müssen wissen, wer sich in Europa aufhält“, sagte Marion Walsmann. Das sind die Parolen aus der CDU, die sich im nächsten Jahr auf den Polit-Weg begeben muss, um „einige Gesetze“ der zurückliegenden Jahre – auch vor 2021 – wieder rückgängig zu machen. Mit dieser Regierung werde das nicht zu machen sein, denn die betreibe politischen Klimmbimm und verschleudere das Geld. „Ich würde nach der nächsten Wahl zum Beispiel sämtliche Beauftragte in den Kommunen, den Ländern und im Bund abschaffen. Es sei schwer verständlich und eigentlich unbegreiflich, dass es nun in Berlin einen Einsamkeitsbeauftragten geben.

Carola Böck, Regelschulleiterin in Ellrich, sieht eine absolute Verrohung in Umgang und Sprache unter den Jugendlichen. Auch mache sich immer mehr Gewalt breit, linksradikales und rechtsradikales Gedankengut nehme überhand auch wie die Erziehungsunfähigkeit mancher Elternhäuser – so zeige sich aktuell die Situation nicht nur an ihrer Schule. Rainer Wendt, der in einem nicht unbedingt sozialen Stadtteil von Duisburg groß wurde, schloss sich dieser Situationsbeschreibung an und kritisierte das „ganze antiautoritäre Gehabe“. Ohne Autorität gebe es für ihn keine vernünftige Erziehung, gesellschaftliche Autoritäten wie Lehrerinnen und Lehrer seien schleichend untergraben worden.

Ein Gast wollte von Wendt wissen, warum Kompetenzen der Polizei gegenüber Gewalttätern nicht ausgeweitet werden. Wendt konstatierte vor allem bei jüngeren Kolleginnen und Kollegen eine zunehmende Unsicherheit, welche Konsequenzen der Einsatz von Gewalt für sie haben könne.

Stefan Nüßle kritisierte den mangelnden Informationsaustausch mit Behörden in der Ukraine hinsichtlich des zunehmenden Sozialmissbrauchs. Es könne nicht sein, dass die Ukraine sich mit dem Datenabgleich hinsichtlich der finanziellen Verhältnisse sehr schwer tue. Auch sei es unverständlich, dass die Bundesregierung nichts gegen eine, wie er es ausdrückte, ethnische Säuberung unternehme, mit der der stellvertretende Landrat die lasche Ausstellung von Pässen für Zigeuner meinte.

Inge Klaan erlebe nicht nur aktuell eine Situation der kollektiven Verantwortungsverschiebung und stellte die Frage was zu tun sei, um staatliche Autorität wieder zu stärken? Wendts Antwort: Schulen besser ausstatten, Polizei stärken. Letztlich sei es lächerlich, die Polizei zum Beispiel in einem Corsa in Berlin zu einer Clanfamilie nach Neukölln zu schicken, die mit mehreren 7er BMW „ausgestattet“ sei. Ein starker Staat sei erforderlich, der sich auch Respekt verschaffen könne. Prioritäten in den Haushalten setzen. Prioritäten seien nicht der Frisör von Frau Baerbock oder ein Radweg in Peru. Darüber hinaus müsse der öffentliche Raum wieder sicherer gemacht werden. Und letztlich müssen die Personalabteilungen der Öffentlich Rechtlichen Medienhäuser umgestaltet werden, die ein links-grünes Glaubensbekenntnis zur Einstellungsbedingung gemacht haben.

Schade, dass der Einladung der CDU, nur rund 30 Neugierige gefolgt sind. Rainer Wendt hielt das, was man sich von seinen Statements erwartet hatte. Er teilte aus, er ist CDU-Mitglied, aber er kennt die polizeiliche Basis. Mitunter hätte man Schmunzeln können, wenn es nicht so ernst wäre – und hoffentlich nicht schon zu spät. Ob es hilft, europäisch zu wählen, wie es Frau Walsmann zum Schluss empfahl, da bleibt der Zuhörer skeptisch.
Peter-Stefan Greiner