Strafverfahren gegen Bürgermeisterin Rieger eingestellt

Es ist kein guter Wille zu sehen

Dienstag
14.05.2024, 18:34 Uhr
Autor:
red
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Der gordische Knoten im Nordhäuser Rathaus kennt viele verwobene Stränge, drei davon wurden jetzt von der Staatsanwaltschaft aufgelöst. Die Strafverfahren richteten sich gegen Bürgermeisterin Alexandra Rieger, die sich zu den Vorgängen im Rathaus nun persönlich geäußert hat…

Bürgermeisterin Rieger ist seit Februar wieder im Dienst und ist nun drei Strafverfahren los (Foto: agl) Bürgermeisterin Rieger ist seit Februar wieder im Dienst und ist nun drei Strafverfahren los (Foto: agl)


Disziplinarverfahren, Strafverfahren, Amtsenthebung, Einspruch,, Aufhebung, Widerspruch, Hauptverfahren - die Situation im Nordhäuser Rathaus ist und bleibt ein Fundus mannigfaltiger Verwunderung für den Beobachter. Vergangene Woche wurde bekannt, dass die Suspendierung des Oberbürgermeisters nicht rechtens war, womit die Sache aber bei Leibe noch nicht ihr Ende gefunden hat. Heute nun gab Bürgermeisterin Alexandra Rieger bekannt, dass drei vom Rathaus gegen ihre Person gerichtete Verfahren von Seiten der Staatsanwaltschaft kassiert wurden.

Während die Verfahren liefen habe sie sich bewusst bedeckt gehalten, sagt Rieger heute. Mit dem Ende der Ermittlungen ist nun auch Schluss mit der Zurückhaltung, Rieger sprach am Nachmittag ausführlich zu den Vorgängen und der Arbeit im Rathaus.

Ärger ab Amtsantritt
Die erste Rüge ihres Vorgesetzten habe sie schon am zweiten Tag ihres Amtsantritts bekommen, die frisch in Amt und Würden eingeführte Bürgermeisterin hatte mit der nnz gesprochen, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen. „Wir kannten uns ja eigentlich vorher, aber danach ging es steil bergab, ich wurde nur noch gesiezt“, sagt Rieger, die Zeichen standen aber schon vorher auf Sturm. Die Wahl im Stadtrat war nicht frei von Reibungen gewesen, Amtsvorgängerin Jutta Krauth hatte eine Klage gegen ihre Kandidatur angestrengt, die ins Leere lief. Die bei der Wahl im Stadtrat Unterlegene sollte es in der Folge aber sein, die vom Oberbürgermeister mit der Ermittlungsführung in einem Disziplinarverfahren gegen Rieger beauftragt wurde. Hintergrund zu diesem Verfahren waren vertraglich geregelte Zahlungen an einen Träger im Rahmen der Jugendarbeit in der Stadt, während man sich im Rathaus noch unter der vorläufigen Haushaltsführung befand. „Ich habe das damals im Haus und in den Ausschüssen besprochen und war ehrlich gesagt sprachlos als das Disziplinarverfahren gegen mich angestrengt wurde und ausgerechnet Frau Krauth die Ermittlungsführung übernehmen sollte“, sagt Rieger heute.

Kurz darauf wird der OB durch die Kommunalaufsicht suspendiert, Herr des Verfahrens gegen Rieger ist nun der ehrenamtliche Beigeordnete, Michael Kramer. Einen Befangenheitsantrag gegen die Ermittlungsführung habe der abgelehnt, sagt Rieger, auch Akteneinsicht sei ihr bis heute verwehrt worden. „Es wurde zu keinem Zeitpunkt und zu keinem der Verfahren im Vorfeld das Gespräch gesucht oder die Gelegenheit zu einer Anhörung gegeben. Ich habe Post bekommen. Im Juli letzten Jahres wurde mir auf diesem Weg mitgeteilt, dass das Disziplinarverfahren ruht, weil schwerwiegendere Vorwürfe gegen mich im Raum stünden.“

Drei mal abgelehnt
Strafverfahren Nummer 1 bezog sich laut Rieger auf die nach der Suspendierung des OB von ihr veranlasste Beurlaubung zweier Rathausmitarbeiter. Sie habe dabei auf Weisung der Rechtsaufsicht gehandelt, was dem Beigeordneten Kramer auch klar gewesen sein müsse. Ein Verfahren wird dennoch angestrengt, die Staatsanwaltschaft habe hier aber nicht einmal Zeugen vernehmen müssen, sagt Rieger, dass entsprechende Schriftstück habe zur Entkräftung der Vorwürfe ausgereicht.

Verfahren Nummer Zwei findet seinen Ursprung in vier Knöllchen, die Anwohnern der Riemannstraße von Seiten des städtischen Ordnungsamtes aufgebrummt worden waren. In der Straße wurde zu dem Zeitpunkt gebaut, die Anwohner hätten ihre Grundstücke nicht erreichen können. „Wir haben da als Stadtverwaltung nicht richtig gehandelt, also habe ich die Rücknahme der Bußgelder veranlasst. Im Rahmen des Opportunitätsprinzips liegt das in unserem Ermessensspielraum“. Die Entscheidung Riegers zu vier Strafzetteln á 40 Euro wird zur „Schweren Untreue“, die Staatsanwaltschaft ermittelt, befragt Zeugen im Rathaus und stellt auch dieses Verfahren schließlich ein.

Auch bei Verfahren Nummer Drei lautet der Vorwurf „Schwere Untreue“, das Strafmaß beträgt im Maximum bis zu fünf Jahre Haft. Die Summe ist hier mit 3.000 Euro aber deutlich höher als im vorangegangenen Verfahren. Um diesen Betrag lässt Rieger den Gebührenbescheid für das erste Bahnhofsfest im vergangenen Jahr kürzen, die Rechnung zur Sondernutzung für den privaten Veranstalter Sven Bolko Heck halbiert sich somit. Auch hier sieht die Bürgermeisterin ihre Entscheidung im Ermessensspielraum gerechtfertigt und zum Wohle der Stadt. „Da kommt jemand, organisiert ein Fest, übernimmt den Aufwand, trägt das Risiko und bringt Leben in die Bahnhofstraße. Davon profitiert die Stadt, wir sollten froh sein über so ein Engagement. Also habe ich nicht mit der Wimper gezuckt und auch nicht gedacht, dass ich etwas falsch machen würde. Die Rathausclique hat das anders gesehen, es gab wieder keine Anhörung, keine Akteneinsicht. Auch dieses Verfahren wurde nun eingestellt, die Vorwürfen waren nicht haltbar. Das zweite Bahnhofsfest ist gerade zu Ende gegangen und hatte 30.000 Besucher. Das ist ein Mehrwert für die Stadt, ihre Menschen und das Rathaus. Wenn wir letztes Jahr auf die 6.000 Euro gepocht hätten, weiß ich nicht ob das wieder stattgefunden hätte.“, sagt die Bürgermeisterin.

Sich gegen die Vorwürfe zu wehren habe viel Kraft gekostet und der Stadt sei dabei Schaden entstanden. Nicht nur am Image, wenn man den Ermessensspielraum der Verwaltung nicht mehr nutzen könne, ohne mit einem Strafverfahren rechnen zu müssen, verunsichere das die Mitarbeiter der Verwaltung und schade damit auch der Arbeit der Verwaltung selbst, meint Rieger.

Die Grabenkämpfe manifestieren sich
Nach seiner Wiederwahl im letzten Jahr hatte der Oberbürgermeister vor dem Stadtrat Besserung gelobt, folgt man den Ausführungen Riegers, hat sich im Umgang nichts geändert. Seit ihrer Rückkehr im Februar diesen Jahres habe es kein klärendes Gespräch gegeben, die Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag sei ihr nach acht Tagen im Dienst schriftlich per Kurier verweigert worden und ebenfalls nicht rechtens gewesen. „Ich bin froh das dass jetzt vorbei ist und nun werde ich mich hier weiter durchkämpfen. Das war alles nicht leicht wegzustecken aber vom Grunde her macht mir die Arbeit Spaß und ich werde mich da nicht beirren lassen.“, gibt sich Rieger stoisch.

Den ersten Krach gab es schon: die Gebühren für die Miete der städtischen Bühne wurden drastisch erhöht, von ehedem 500 Euro auf 4.000 Euro für gemeinnützige Vereine und 6.000 Euro für sonstige Interessenten. In der letzten Stadtratssitzung machte Rieger ihrer Kritik über die Entscheidung Luft, nach der Wahl dürften im neuen Stadtrat weitere Diskussionen zur Gebühren und Kultur anstehen.

Das Arbeitsverhältnis an der Rathausspitze ist derweil nachhaltig gestört, guter Wille nicht zu erkennen, meint Rieger, aber die formale Zusammenarbeit zwischen Rathaus und Stadtrat funktioniere immerhin. Der gordische Knoten im Rathaus wird zeitnah also eher nicht zerschlagen werden. Nun da die Strafverfahren eingestellt sind, kann das Disziplinarverfahren gegen die Bürgermeisterin weiter laufen, mit der Amtsvorgängerin als Ermittlungsführerin. Und auch dem OB dürfte noch das Hauptsacheverfahren von Seiten der Kommunalaufsicht bevorstehen.
Angelo Glashagel