EINE SAGE AUS DEM HARZ, ERZÄHLT VON ULF ZASPEL

Der böse Feuerdrachen

Sonntag
05.05.2024, 15:59 Uhr
Autor:
psg
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Der Harz war einst sehr reich an Edelmetallen wie Gold, Silber und Edelsteinen. Diese wurden viele Jahre von fleißigen Bergleuten abgebaut. Ein berühmtes Zentrum der Silbergewinnung waren Goslar und Sankt Andreasberg...

Wohnte hier der Feuerdrache? (Foto: privat) Wohnte hier der Feuerdrache? (Foto: privat)
Wie aber kamen diese Schätze in den Harz? Die Antwort liegt in weit vergangenen Zeiten. Die Schätze sind der uralte Hort des bösen und mächtigen Feuerdrachens Donnerbold, auch Tonnerbold genannt, einem Verwandten des nordischen Gottes Thor.

Auf seinem Kopf trug er drei mächtige Zacken aus Horn. Sein ganzer Rücken war mit Zacken übersät, eine Ausgeburt der Finsternis. Wer in seine feurigen Augen blickte, erstarrte sofort zu Stein. Überall im Harz findet man noch heute Steinsäulen von solchen unglücklichen Menschen.

Der Feuerdrachen beherrschte die gesamte Ebene im Norden und Süden des heutigen Harzes. Im Norden beherrschte er die Gegend bis zum Bernsteinmeer, welches wir heute als die Ostsee kennen, und im Süden ging sein Reich bis zum heutigen Mittelmeer und darüber hinaus.

War er wütend, spie er Feuer und Glut, dann schmolz sogar Stein zu Glas. Noch heute findet man dieses geschmolzene Glas, wir kennen es unter dem Namen Marienglas. Die Glut, die aus seinen gewaltigen Rachen kam, ist der noch heute vielfach gefundene Bernstein, welcher ursprünglich Brandstein hieß.

Seinen Sitz hatte Donnerbold am Nordrand des Harzes in der Nähe der heutigen Stadt Blankenburg. Dort kann man noch heute seine Überreste finden. Oft überfiel der Drache Städte der Menschen und der Zwerge und zwang diese, ihm ihre Schätze zu überlassen. Wenn die umliegenden Bewohner dem Drachen Donnerbold aber regelmäßig Kostbarkeiten brachten, so verschonte er sie.

Der Drache kam immer des Nachts, denn das Böse fürchtet die freundliche Sonne. Donnerbold war eine schlimme Landplage, weshalb die Menschen danach trachteten, ihn unschädlich zu machen. Dereinst fragte eine kluge Kräuterfrau die freundliche Zauberin Mäde aus dem Harz, wie man den Bösen los werden konnte. Die Zauberin Mäde sagte:

"Stark mag der böse Drache sein, doch er fürchtet das Licht und die Sonne, denn diese verwandelt ihn zu Stein. Auch ist er nicht sehr schlau und in vielen Jahren werden die Menschen solche Geschöpfe Pisaopfer nennen“. Dies wusste die Zauberin Mäde, denn sie hatte die Macht in die Zukunft zu sehen.

Da der Drache Donnerbold oft mit seiner Kraft aber auch mit seiner Klugheit prahlte, beschloss sie ihn zu überlisten. Sie begab sich zu ihrem guten Freund Kobold Waldmeister, welcher am Salzaspring beim heutigen Nordhausen lebte. Sie besprachen einen Plan, Donnerbold zu überlisten. Auch Ihre Freundin, die Sonne, spielte dabei ein wichtige Rolle.

Nachdem die drei Wunderwesen, die Zauberin Mäde, der Kobold Waldmeister und die Sonne, ihren Plan besprochen hatten, begab sich der Kobold Waldmeister zum Drachen Donnerbold, welcher in einer düsteren Nacht gelangweilt vor seiner Drachenhöhle lag. Sein weißer Zauberhut schütze Waldmeister davor, sofort in Stein verwandelt zu werden, auch hatte er vorher im Salzaspring gebadet und seine kristallklaren Wasser schützen gleichfalls vor schwarzer Magie.

„Sag mächtiger Drache Donnerbold, alle Welt rühmt deine Schlauheit, kannst du mir ein uraltes Rätsel aus Griechenland lösen?“ „ Natürlich kann ich das, denn so mächtig ich bin, so schlau bin ich“, sprach der Drache. „Nun sage mir, oh kluger Drache, was ist das?“, fragte der listige Kobold Waldmeister.

„Am Morgen geht es auf vier Füßen, am Mittag auf zwei Füßen und am Abend auf drei Füßen. Seine größte Kraft und Gewandtheit hat es, wenn es die wenigsten Füße auf der Erde hat?“ Der Feuerdrache überlegte und überlegte und begann zu glühen, doch die Antwort wollte ihm nicht einfallen.

Unbemerkt stiegt an diesem Morgen die Sonne eine Stunde eher als sonst den Himmel empor. Sie verwandelte den Drachen in Stein. Seinen Kopf mit den drei Zacken kann man noch heute bestaunen. Dieser ist das heute so genannte „Hamburger Wappen“ bei Timmenrode. Seine Schwanzspitze aber ist der heute noch bekannte Großvaterfelsen bei Blankenburg. Spaziert man zwischen diesen zwei Felsen, so läuft man auf den Rücken des Drachen, und bei nebligem Wetter meint man die Anwesenheit des Bösen zu spüren.

Nachdem der Drachen zu Stein geworden war, begannen die Menschen nach seinen Schätzen zu graben. Der Ort Timmenrode ist nach dem Drachen Tonnerbold benannt. Viele tausend Jahren gruben Bergleute im Harz nach Gold, Silber und Edelsteinen.

Die gute Zauberin Mäde findet man noch heute im Harz, in Form der Pflanze Mädesüß. Auch den Kobold Waldmeister in Form des Waldmeisterkrautes. Die Sonne strahlt jeden Tag über dem Harz und der Welt. Doch was ist die Lösung des Rätsels aus Griechenland, welches man heute als das Rätsel der Spinx kennt?

Am Morgen geht es auf vier Füßen, am Mittag auf zwei Füßen und am Abend auf drei Füßen. Seine größte Kraft und Gewandtheit hat es, wenn es die wenigsten Füße auf der Erde hat?

Es ist der Mensch. Als Kleinkind krabbelt er auf 4 Füßen, im Vollbesitz seiner Kräfte auf zwei Füßen und am Abend des Lebens nimmt er einen Stock zur Hilfe und geht auf drei Füßen.
Ulf Zaspel