Am Förderzentrum lässt man Wissen wachsen

Sellerie und Lauch auf Sechs

Mittwoch
01.05.2024, 15:00 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Thüringen ist das letzte Bundesland, in dem der Schulgarten noch fest im Lehrplan der Grundschulen verankert ist. Eine gute Sache, weiß man am Förderzentrum Pestalozzi, pünktlich zum Start der Pflanzsaison hat man hier mit der „Gemüseackerdemie“ ein besonderes Projekt gestartet…

Die Grundschulkinder am Förderzentrum Pestalozzi lernen in den nächsten Jahren in der "Gemüseackerdemie" (Foto: agl) Die Grundschulkinder am Förderzentrum Pestalozzi lernen in den nächsten Jahren in der "Gemüseackerdemie" (Foto: agl)


Radieschen, Bohnen, Lauch und Sellerie, Zuckermais, Chinakohl und Sojabohnen - die Grundschulkinder des Förderzentrums Pestalozzi in Nordhausen werden in den kommenden drei Jahren viel zu tun haben. Insgesamt 12 kleine Beete hat man im Schulgarten eingerichtet, minutiös geplant und akkurat aufgeteilt soll hier „Wissen wachsen“. Das ist das Motto der „Gemüseackerdemie“, einem bundesweiten Projekt, das es sich seit 2012 zur Aufgabe gemacht hat, Kindern wieder einen Bezug zur Natur und unseren Nahrungsmitteln zu geben.

Sellerie und Lauch auf Sechs - im Pflanzplan hat jedes Gemüse seinen Ort und seine Zeit (Foto: agl) Sellerie und Lauch auf Sechs - im Pflanzplan hat jedes Gemüse seinen Ort und seine Zeit (Foto: agl)


Derlei Grundwissen sollte eigentlich der Schulgarten vermitteln, doch das Fach ist ein Auslaufmodell, Thüringen ist das letzte Bundesland, in dem in der Grundschule noch gepflanzt und geerntet wird. Und auch hier ist das Ende absehbar, erzählt Kerstin Zimmer, gelernte Landschaftsarchitektin und Quereinsteigerin am Förderzentrum. „Das hier sind die letzten Jahrgänge, die noch richtig Schulgarten haben, das Fach soll mit Heimat- und Sachkunde zusammengelegt werden.“, berichtet die Lehrerin. Zwei Stunden in der Woche sind noch im Lehrplan verankert, das Material mit dem man pädagogisch arbeitet, stamme allerdings zum Teil noch aus den 80er Jahren.

Umso mehr freut sich Zimmer über die „Gemüseackerdemie“, denn die bringt einiges mit sich. „Wir haben unheimlich viel Input für den Unterricht bekommen, eine gut ausgearbeite Beetplanung, Pflanzreihenfolgen mit Texten, die interessant und für die Kinder gut verständlich sind, dazu noch die Samen und Pflanzen selbst“, freut sich Zimmer. „Der Schulgarten wird immer noch gerne belächelt, auch wenn das heute eigentlich wieder ein trendiges Thema ist. Aber gerade für uns im Förderbereich ist Schulgarten eine ganz wunderbare Sache. Die Kinder lernen nicht nur Grundsätzliches, sie haben auch greifbare Erfolgserlebnisse“.

Damit sich die Erfolge auch sicher einstellen, hat man mit Judith Srocke noch eine weitere Frau vom Fach am Feld - in Kehmstedt führen sie und ihr Mann gemeinsam die Gärtnerei Srocke, bei den Pflanzaktionen in der Schule steht die Gärtnerin mit Rat und Tat zur Seite. Diese Woche war man mit der ersten Pflanzung beschäftigt, jedes Feld ist vorbelegt, Sellerie und Lauch etwa kommen auf Ackerfläche Nummer Sechs. Planung und Organisation ist das Eine, Wissen rund ums Gemüse bis hin zur richtigen "Aktivierung" des Bodens, das Andere, den Nachwuchsgärtnern wird viel Praktisches vermittelt.

Srocke hat noch mit den Eltern und Großeltern gegärtnert, konnte sehen und fühlen, wo ihr Essen herkommt. Der Trend zum Anbau im eigenen Garten komme heute wieder zurück, erzählt sie, aber eben nur langsam und viele Kinder würden ohne die Verbindung zu Acker und Scholle groß. „Ich komme ursprünglich aus dem Saarland, da gab es gar keinen Schulgarten, wenn überhaupt vielleicht mal eine AG. Wenn es nach mir ginge, dann hätten wir so ein Unterrichtsfach in jedem Bundesland.“

Der schmucke Kohlrabi ist noch ein Anschauungsobjekt, damit später die Ernte solcher Prachtexemplare gelingt, leiten Gärtnerin Judith Srocke (links) und Lehrerin Kerstin Zimmer das Projekt an (Foto: agl) Der schmucke Kohlrabi ist noch ein Anschauungsobjekt, damit später die Ernte solcher Prachtexemplare gelingt, leiten Gärtnerin Judith Srocke (links) und Lehrerin Kerstin Zimmer das Projekt an (Foto: agl)


Die „Gemüseackerdemie“ am Förderzentrum wird für drei Jahre vom Verein „Acker e.V.“ gefördert, der Verein wiederrum kann sich auf eine ganze Reihe Förderer stützen, wie Stiftungen, Unternehmen, Ministerien, Organisationen und private Spenderinnen und Spender.

Rund 17.000 Euro erhält die Schule, muss dafür aber auch einiges leisten. Das Gartenprojekt der „Kleinen“ hat sich schon jetzt zu einer Gemeinschaftsaufgabe gemausert, denn für die schwere Arbeit im Vorfeld konnte man die „Großen“ der oberen Klassen heranziehen. Im Herbst werden die auch bei der Ernte helfen und das gute Gemüse aus eigenem Anbau könnte danach Verwendung im Hauswirtschaftsunterricht finden. Wohl bekomms.
Angelo Glashagel