Hoher Besuch zum Humboldt-Jubiläum

Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit

Donnerstag
11.04.2024, 12:30 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Vor 500 Jahre legte Johannes Spangenberg in Nordhausen mit der Gründung seiner Lateinschule den Grundstein für eine lange Tradition, die vom Humboldt-Gymnasium bis heute fortgetragen wird. Einen ersten Aufschlag zum großen Jubiläum tat man gestern mit diplomatischen Besuch aus Berlin und Kiew…

In der Blasiikirche kamen gestern auf Einladung des Humboldt-Gymnasiums drei Nationen zusammen (Foto: agl) In der Blasiikirche kamen gestern auf Einladung des Humboldt-Gymnasiums drei Nationen zusammen (Foto: agl)


Zwei Dinge waren den alten Nordhäusern Bürgern immer wichtig: ihre Unabhängigkeit und die Bildung ihrer Kinder. Den Grundstein für die freie Lehre legte Johannes Spangenberg anno Domini 1524 mit der Gründung der ersten privaten Schule der Stadt. Am gleichen Ort, an denen Spangenberg das Momentum der Reformation nutzen konnte, um, den unruhigen Zeiten zum Trotze, den Grundstein für das Bildungsbürgertum Nordhausens zu legen, kam man gestern zusammen, um ein halbes Jahrtausend Geschichte zu feiern.

Die Stadt und ihre Bürger haben in den vergangenen 500 Jahren manches durchstanden und wie schon während der frühen Reformationsjahre, war man in den Wogen des Weltgeschehens oft ein kleiner, sicherer Hafen für manche Seele. Und manches mal brachen die Wellen über der Stadt und ihren Menschen zusammen. In lebhafter Erinnerungen bleiben die Zerstörungen des Weltkrieges, derer man dieser Tage wieder gedenkt. Die Stadt hat sich seitdem aus ihrer Asche erhoben, doch um sie herum toben neue Stürme und wieder ist man Hafen und Zuflucht.

Der Chargé d'Affaires der amerikanischen Botschaft, Woodward Clark Price, konnte sich in das Ehrenbuch der Stadt Nordhausen eintragen (Foto: agl) Der Chargé d'Affaires der amerikanischen Botschaft, Woodward Clark Price, konnte sich in das Ehrenbuch der Stadt Nordhausen eintragen (Foto: agl)


Das große Weltgeschehen hat seinen Niederschlag in Nordhausen zu allen Zeiten gefunden, der Puls der Geschichte war immer zu spüren. Und so verwundert es wenig, dass der Auftakt der Feierlichkeiten zum großen Schuljubiläum kein Akt der Nordhäuser Nabelschau sein sollte, sondern die Stadt und ihre Schüler in Raum und Zeit der Gegenwart verortete.

Drei Nationen kamen gestern in der Blasii-Kirche zusammen, deren Schicksale in diesen Tagen eng miteinander verwoben sind: Deutschland, die Vereinigten Staaten von Amerika und die Ukraine. Aus Berlin reiste Woodward Clark Price, der „Charge d’Affairés“ der USA an, der zweite Mann der US-Botschaft in Deutschland. Aus Leipzig folgte Generalkonsul John R. Crosby und mit ihm das „Kyiv Symphony Orchestra“ unter der Leitung von Dirigent Vitalii Protasov. Die Musiker finden seit Kriegsausbruch Zuflucht in Gera und halten von hier aus als musikalische Botschafter die Kultur ihrer angegriffenen Heimat am Leben. Am Humboldt-Gymnasium pflegt man seit mehreren Jahren gute Kontakte zum Konsulat und das Orchester wollte man schon länger einmal nach Nordhausen holen. Die Jubiläumsfeierlichkeiten gaben nun den passenden Anlass, beides miteinander zu verbinden. Mit im Boot war auch die Stadtverwaltung, die in Erinnerung an die Befreiung der Stadt und des Lagers Dora ihr Ehrenbuch öffnete.

Das Kyiv Symphony Orchestra spielte Werke ukrainischer Komponisten (Foto: agl) Das Kyiv Symphony Orchestra spielte Werke ukrainischer Komponisten (Foto: agl)


Das Ende des Weltkrieges für Nordhausen und die Befreiung durch amerikanische Truppen, der neue Krieg nicht weit vor den Toren des Landes und die Sorgen und Schicksale die damit einhergehen, Trotz und Widerstand, Mitgefühl und Hilfsbereitschaft, Aufklärung und Verantwortung - es kommt viel Zusammen in dieser Feierstunde. Oberbürgermeister Kai Buchmann spricht von der Verantwortung, die Freiheit und Erinnerung mit sich bringen, unterstreicht den Umstand dass man rund 1.500 Kriegsflüchtigen Unterkunft, Schutz, Arbeit und Bildung bietet. Generalkonsul Crosby pocht auf den Wert kulturellen des Erbes eines Volkes und die Notwendigkeit, diese Wurzeln auch unter dem Feuer des Krieges zu bewahren. Das Orchester tut das, was es am besten kann, es spielt Musik. Das Klänge geraten zur emotionalen Achterbahnfahrt, eine Interpretation des ausgewählten Stücke dürfte dem Publikum nicht schwer gefallen sein, mal braust man auf, wird hier melancholisch, da verzerrt, geradehin verstörend und schwingt sich letztlich noch einmal auf, kraftvoll, widerständig, hoffnungsvoll, mutig. Die Sorgen und Hoffnungen eines ganzes Volkes mitreißend in Töne gegossen.

Der stellvertretende Botschafter der USA Price findet die für den Diplomaten passende Worte, das Dargebotene sei mehr als ein Konzert gewesen und unterstreiche die Verbindungen und kulturellen Werte freier Gesellschaften, in denen man frei reden und frei Musik machen könne. In der Ukraine werde unser aller Kampf ausgetragen und die freie und offene Weltordnung verteidigt. Deutschland und die Ukraine seien beide Staaten deren Souveränität von Russland in Frage gestellt werde, die aber ihre Wege in die Zukunft selber frei wählten. Zusammen könne und werde man sich Putins Russland entgegen stellen und die Werte der Humanität und auch das kulturelle Erbe verteidigen. Die Verbindung und Allianz zwischen den USA und Europa werde stark bleiben. Die Schülerinnen und Schüler ermutigte der Diplomat zu Zivilcourage und Einsatz, „everything we do makes a difference and everything we do not do makes a difference“ - alles was wir tun, macht einen Unterschied und auch das was wir nicht tun macht einen Unterschied.

Auf den Säulen von Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit sieht sich auch das Gymnasium ruhen und das will man in diesem Jahr nicht nur einmal feiern. Mit dem kurzen Schuljahr sei die Organisation einer ganzen Festwoche nicht möglich gewesen, war von Schulleiter Volker Vogt am Rande zu erfahren, dafür hat man im August einen zentralen Festakt und eine ordentliche Party geplant. Noch im April will man die Lage des Oberstufengebäudes außerdem für ein visuelles Ausrufezeichen zum runden Geburtstag nutzen.
Angelo Glashagel