Orte des Erinnerns in der Flohburg

Wie Tage des Gerichts

Donnerstag
04.04.2024, 20:31 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Zerstörung, Befreiung, Offenbarung - der April 1945 hat sich tief in Antlitz und Selbstverständnis der Stadt Nordhausen eingegraben. Wo die Spuren dieser Tage bis heute klar zu sehen sind und welche Geschichten sich hinter den Fotografien verbirgt, zeigt jetzt eine sehenswerte Ausstellung in der Flohburg…

Illumination am Rathaus: Nordhausen gedenkt dieser Tage den Schrecken des Krieges (Foto: agl) Illumination am Rathaus: Nordhausen gedenkt dieser Tage den Schrecken des Krieges (Foto: agl)


April 1943, der Ort ist nicht Nordhausen, sondern Amsterdam, genauer die Kirche St. Rita im Nordteil der Stadt. Draußen gellt der Luftalarm, drinnen drängt man die Anwesenden Kinder dazu, bloß nicht hinauszugehen. Bomben fallen, auch die Kirche wird getroffen, zwei 13jährige sterben. Unter den Toten ist auch ein Verwandter Nico Schlüters, zur Beerdigung kommt der Cousin seines Vaters nach Hause, mit gerade 19 Jahren hat der „Dienstverpflichtete“ im Reich der deutschen Besatzer zu arbeiten. Es waren nicht deutsche Bomben, die hier gefallen sind, es sind die Alliierten, die versuchen die deutsche Kriegswirtschaft in die Knie zu zwingen und den Weltkrieg zu beenden. Doch bis dahin ist der Weg noch weit und gesäumt von Millionen Toten.

Es dauert nicht lange und auch Schlüters Vater wird zur Zwangsarbeit ins Reich befohlen, doch statt nach Berlin zu gehen, wo bereits täglich Bomben fallen, sucht der sein Heil bei dem Cousin in Nordhausen. Es ist 1945 und bald ist wieder April.

Der Niederländer Nico Schlüter spürte der Geschichte seines Vaters mittels Fotografie nach (Foto: agl) Der Niederländer Nico Schlüter spürte der Geschichte seines Vaters mittels Fotografie nach (Foto: agl) Das Erlebte haben Nico Schlüters Vater und seine Freunde in jungen Jahren in ihren Tagebüchern niedergeschrieben, der Sohn ist fasziniert und will in der Stadt dem Geschehen nachspüren, sehen wo der Vater bei der „MBA“ arbeiten, wo er wohnen musste, wohin er floh, als die Bomben fielen. Nur: es ist nicht mehr viel von alledem übrig, als Schlüter die Chance bekommt, die Zwangsheimat des Vaters zu besuchen.

Was bleibt sind Bilder. Fotografien vom alten Nordhausen, die Luftaufnahmen vor und nach den Bombardierungen und schließlich diejenigen Bilder, die das Ausmaß der Zerstörung am Boden zeigen. Schlüter versucht seinen Weg zur Geschichte des Vaters über diese Bilder zu finden, kompiliert schließlich 70 Einzelaufnahmen zu einem Bilderteppich, der einen Überblick über die Folgen jener Schicksalstage verschafft.

Orte des Erinnerns
Zu sehen ist das Ergebnis, zusammen mit einer ganzen Reihe weiterer Aufnahmen und informativer Texte, seit heute in der Flohburg. „Orte des Erinnerns“ wurde die Ausstellung getauft und zeigt an verschiedenen Stellen der Stadt, was war und was geworden ist. Denn hier, in der eigenen Heimatstadt, werden der Krieg den Deutschland über die Welt brachte und seine Folgen „fassbar und konkret“, sagt Oberbürgermeister Kai Buchmann Eingangs. In den Apriltagen 1945 sei für Nordhausen alles zusammengekommen - Zerstörung, Befreiung und Offenbarung und das Erbe dieser Tage laste bis heute auf der Stadtgesellschaft. Erinnern sei deswegen nicht nur Kultur, sondern auch Arbeit, so Buchmann weiter.

Die Ausstellung ist nicht nur reich bebildert sondern wird auch durch diverse Leihgaben wie diesen Blindgänger bereichert, den man am Theater gefunden hat (Foto: agl) Die Ausstellung ist nicht nur reich bebildert sondern wird auch durch diverse Leihgaben wie diesen Blindgänger bereichert, den man am Theater gefunden hat (Foto: agl)


Für die Realisierung der Ausstellung konnte man nicht nur auf das Material des Stadtarchivs und des Museumsdepots zurückgreifen, auch die Beiträge durch Menschen wie den Niederländer Nico Schlüter, der Gedenkstätte Mittelbau Dora und der Berufsfeuerwehr füllen den Raum. Drei Leitlinien habe man dabei gehabt, erläuterte Stadtarchivar Dr. Wolfram Theilemann: Fremdheit, Nachdenken und Dankbarkeit. Fremdheit gilt es zu überwinden, insbesondere für die Nachgeborenen, die auf weniger als 80 Lebensjahre zurückblicken können und für die diese eigentlich nicht allzu ferne Vergangenheit inzwischen oft befremdlich wirkt. Nachdenken gilt es anzuregen, nicht nur im Geiste derer, die gewesen sind sondern vor allem für uns selbst und diejenigen, die nach uns kommen und schließlich solle man Dankbarkeit zeigen für die, die das Land befreit und den Krieg beendet haben, für die, die den Wiederaufbau voranbrachten und die, die den Frieden erhielten.

Wer sich in der Stadt auskennt, kann hier viel entdecken (Foto: agl) Wer sich in der Stadt auskennt, kann hier viel entdecken (Foto: agl)


Die Ausstellung „Orte des Erinnerns“ ist dazu geneigt, all das zu ermöglichen. Es gibt viel zu sehen, gerade für Stadtbürger, es gibt manches nicht zwingend in der Breite bekannte Detail zu erfahren und viel zu lernen, wofür wird man noch bis zum Juli in der Flohburg Gelegenheit haben wird.
Angelo Glashagel