Nordhausen

Sonderausstellung im IFA-Museum

Mittwoch
20.03.2024, 15:00 Uhr
Autor:
emw
veröffentlicht unter:
Das IFA-Museum Nordhausen widmet einem Stück Mobilitätsgeschichte der DDR eine Sonderausstellung. Es sind die Roller der Wirtschaftswunderzeit nach dem 2. Weltkrieg. Die Roller aus Ludwigsfelde und später aus Suhl machten die Menschen der aufstrebenden Republik Mobil...

Roller der Wirtschaftswunderzeit (Foto: IFA Museum) Roller der Wirtschaftswunderzeit (Foto: IFA Museum)


Das zeigt die Ausstellung beispielhaft.

Sonderausstellungen sind das Salz Suppe der Museumsarbeit. Sie locken immer wieder neue Besucher zum erneuten Besuch einer Ausstellung an. Das IFA-Museum widmet sich neben seiner eigenen Geschichte auch den vielfältigen Seiten der Mobilitäts- und Technikgeschichte.



Zum Beispiel hat die Fortbewegung auf zwei Rädern eine über 200jährige Geschichte, aber erst die Entwicklung kleiner Verbrennungsmotoren machte es möglich Muskelkraft durch Motorkraft zu ersetzen. So entstanden neben dem Motorrad etwa ab 1920 die ersten sogenannten Motorroller. Im Gegensatz zum Motorrad zeichneten sie durch einen freien Durchstieg und breite Verkleidungen zu Schutz gegen Verschmutzung aus. Besonders diese Eigenschaften machte sie auch für Frauen attraktiv. Aber die Welt der Motorräder war in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts vor allem „von Männern dominiert“ und so fand die neue Fahrzeugklasse zunächst wenig Anklang.

Nach dem 2. Weltkrieg änderte sich die Welt der motorisierten Zweiräder. Die Italiener hatten es vorgemacht, kleine leichte Roller, die mit ihren typischen Eigenschaften und neuem Design dem Geschmack der Zeit entsprachen und die ihre Technik unter einem modischen Kleid verbargen. Die Motorradhersteller im Westen folgten schnell mit eigenen Entwicklungen diesem neuen Trend. Die Werbung hatte die Frauen als Zielgruppe ausgemacht, die Vollverkleidung und der freie Durchstieg kam ihren Wünschen sehr entgegen.

Seiner Grundidee folgend, widmet nun der Verein des IFA-Museums einem Stück dieser Geschichte eine Sonderausstellung „den Rollern aus dem Osten“ aus der Zeit der fünfziger und sechziger Jahre.

Der Focus der sich neu gründeten DDR lag in den Anfangsjahren vor allem im Neuaufbau der Industrie und der Umwandlung der Landwirtschaft. Das Land hatte mit den Folgen von Krieg, Zerstörung und Demontage durch die Siegermacht Sowjetunion schwer zu leiden. Den Menschen wurde viel abverlangt, da standen Motorroller nicht gerade im Vordergrund. Mit den Unruhen 1953 änderte sich diese Politik, die Versorgung mit sogenannten „Konsumgütern“ rückte stärker in den Fokus, die Entwicklung im Westen tat ihr übriges. Dazu kam die immer stärkere Abwanderung von Menschen, die man dringend für Entwicklung und Produktion brauchte.

Vor allem die Presse forderte die Bereitstellung dieser neuen Fahrzeugklasse mit dem Anspruch die Mobilität der Bevölkerung zu verbessern. So entstanden die ersten Modelle in kleinen Werkstätten, Handwerker setzten um was sie wo anders gesehen hatten. Leider sind von diesen Modellen nur wenige erhalten geblieben. 1953 beauftragte die Wirtschaftsführung die damaligen Industriewerke Ludwigsfelde mit der Entwicklung und dem Bau der ersten DDR-Rollergeneration. Das Werk war eigentlich für den Bau von großen Dieselmotoren und Flugzeugtriebwerken vorgesehen, aber daraus wurde nichts und man hatte freie Kapazitäten.

Es gab sie ja schon, die Vorbilder der privaten Entwickler, aber es bedurfte noch der industriellen Umsetzung und so entstand der erste Roller mit dem schönen Namen „Pitty“ dem später „Wiesel“, „Berlin“ und „Troll“ folgen sollten. Bis 1963 wurden 233.000 Großroller in Ludwigsfelde gebaut. Eine andere Erfolgsgeschichte begann Ende der 50iger Jahre in Suhl, die Kleinroller KR50, Schwalbe und SR 50 markierten einen eigenen Weg von kleinen, leichten Rollern für breitere Bevölkerungsgeschichten. Eine Geschichte, die sich bis zum Ende der DDR fortsetzt.

Die Ausstellung auf der ehemaligen Bühne des IFA-Kulturhauses erhebt nicht den Anspruch auf die ganze Geschichte, aber sie zeigt exemplarisch, wozu der Fahrzeugbau im Osten damals in der Lage war.

Die Roller aus Ludwigsfelde, Suhl und der Tschechoslowakischen Republik sind Beispiele für eine Zeit des Aufbruchs und neuer Ideen. Die Exponat Beschreibungen erklären die besonderen Probleme und Widrigkeiten aus dieser Zeit des Mangels an Material und Menschen und deren wachsende Ansprüche an den eigenen Lebensstandard. Auch in dieser Zeit waren die Frauen das erklärte Ziel der Werbung. Am Rande der Ausstellung finden sich schöne Beispiele wie die Presse „Frauen und Roller“ auf den Titelblättern der einschlägigen Zeitschriften verewigte.

Das Automobil und seine massenhafte Verbreitung haben dem Roller das Überleben zumindest in Mitteleuropa schwer gemacht. Aber die Geschichte ist noch lange nicht am Ende, die steigende Verkehrsdichte vor allem in den großen Städten fordern neue Konzepte und dabei wird der Roller in welcher Form auch immer eine große „Rolle“ spielen.


Es hat ein halbes Jahr gebraucht, um die Exponate für die neue Sonderausstellung zusammenzutragen. Verschiedene Sammler haben dem Verein Exemplare ihre Sammlung überlassen, die Freunde der Industriegeschichte Ludwigsfelde und das Museum der Stadt Ludwigsfelde haben Wissen und vielen Zeitdokumente beigesteuert. Nicht zu vergessen Fiedjof Hahn aus Heichelheim der ein schönes altes Zelt und Bernd Schmitt aus Gräfinau Angstedt der einen der letzten „Mego“ Roller beigesteuert hat. Beim Aufbau und der Gestaltung halfen insbesondere die Vereinsfreunde und die Mitarbeiter der AGH des Berufsbildungszentrums Nordhausen.

Die Ausstellung wird bis Ende August im Museum zu sehen sein. Ein besonderer Höhepunkt erwartete die Besucher am 13. April. Der profundeste Kenner der Rollergeschichte, Manfred Blumenthal aus Ludwigsfelde, wird in einem Vortrag aus erster Hand über das Abenteuer Motorroller berichten.