Nordhausen und seine künstlerischen Werke (14)

Nordhausen baut auf - das Werk Otto Knöpfers

Sonntag
10.03.2024, 15:35 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Im Stadthaus Nordhausens, 1909 nahe des Alten Rathauses mit dem Bogengang zur Rautenstraße erbaut, wird Ende 1953 im Treppenhaus ein Ölgemälde öffentlich gemacht, das dem Gebäudekomplex am Markt wieder etwas von dem zurückgeben soll, was durch die Bombardierung britischer Bomber am 4. April 1945 verlorengegangen war...

In beiden Baukörpern hatten Brände das Innere so zerstört, das sie nicht mehr wieder zu erkennen waren. Deshalb war auch von der zahlreichen soliden künstlerische Gestaltung in den beiden Gebäuden kaum etwas zurückgeblieben. Ende 1953 erfuhr man, dass die Regierung unserem Bezirk für das zusätzliche Bauprogramm 20 Millionen DM zur Verfügung gestellt hatte. Die Kreise hätten aber diese Möglichkeit sehr unterschiedlich ausgenützt. In Nordhausen war man nicht zögerlich gewesen.

Otto Knöpfer: „Nordhausen baut auf“, Ölgemälde im Stadthaus, 100 cm x 120 cm, 1953 (Foto: Heidelore Kneffel) Otto Knöpfer: „Nordhausen baut auf“, Ölgemälde im Stadthaus, 100 cm x 120 cm, 1953 (Foto: Heidelore Kneffel)


Dieses Gemälde, das einen Sommertag festhält, besitzt eine besondere Geschichte, die in einer Akte festgehalten ist, die sich im Stadtarchiv in Nordhausen befindet. Eine Vielzahl arbeitender Menschen soll abgebildet werden, so dass die Arbeiterklasse der Held des Bildes ist. Optimismus soll ausgestrahlt werden trotz der argen Verwüstung, die ja auch den Künstler erschütterte.

Es gilt der Slogan: „Zu neuen Taten ruft der neue Kurs“. Von Knöpfer wird auch erwartet, dass eine der Personengruppen Menschen darstellen soll, die damals Nordhausen regierten. Man erwartete Porträtähnlichkeit. Es ist klar, dass der Künstler sich ein Bild von der Situation in Nordhausen machte. Da diejenigen, die der Stadt damals vorstanden, wechselten, hätte er mehrmals auftauchen müssen. Die Kunstschaffenden mussten damit rechnen, dass ihre Arbeiten der Kritik ausgesetzt waren, wenn sie angeblich nicht den Ansprüchen des „sozialistischen Realismus“ in der Bildsprache genügten. Das Lieferdatum verzögerte sich, Mahnungen wurden ausgesprochen. Man erfährt in Nordhausen, dass das Gemälde im August 1952 auf einer Ausstellung in Dresden gezeigt werden soll.

Handschriftlicher Brief Knöpfers an den Bürgermeister Nordhausens, Akte Stadtarchiv (Foto: Heidelore Kneffel) Handschriftlicher Brief Knöpfers an den Bürgermeister Nordhausens, Akte Stadtarchiv (Foto: Heidelore Kneffel)


In einem Brief vom 31. X. 53 schreibt der gebeutelte Künstler an den Nordhäuser Bürgermeister: „Das Gemälde ‚Nordhausen baut auf‘ ist fertig. Ich habe in der kommenden Woche Gelegenheit, mit einem Auto nach Nordhausen zu fahren, das Bild zu bringen und das Ersatzbild zurückzunehmen.“ Hier ist ein Einschub wichtig, denn man hatte von Knöpfer wegen der Verzögerung verlangt, ein Ersatzbild zu schicken. Das war geschehen und so kam sein Landschaftsgemälde „Große Erntelandschaft“ in der Südharzstadt an. Dieses prächtige Landschaftsgemälde entsprach ganz anders den Intensionen des Malers als das Aufbaubild, das doch weniger malerische Möglichkeiten für Knöpfer bot. Die Drei-Gleichen-Landschaft war des Künstlers geliebte Heimatlandschaft. Dieses Bild fand dann seinen Platz in der am 1.9.1954 eingeweihten Zentralschule in Nohra an der Wipper, wo es heute noch hängt.

Otto Knöpfer: Ölfarbe auf Leinwand, 107 cm x 163 cm, „Große Erntelandschaft“ mit den Drei Gleichen, 1952 (Foto: Heidelore Kneffel) Otto Knöpfer: Ölfarbe auf Leinwand, 107 cm x 163 cm, „Große Erntelandschaft“ mit den Drei Gleichen, 1952 (Foto: Heidelore Kneffel)


In dem Bürgermeisterbrief heißt es weiter, dass er hoffe, das Auto zu bekommen, ansonsten müsse er mit dem Zug fahren. Er könne nur Freitagnachmittag kommen, er hätte ansonsten Unterricht Am Hügel in Erfurt.
Was wissen wir über diesen Künstler? Er kam in einfachen Verhältnissen am 13. März 1911 in Arnstadt zur Welt, wuchs in Holzhausen in der Nähe der Wachsenburg auf, diese Landschaft prägte ihn nachdrücklich. Er wird Landschaften gestalten und Stillleben und gern auch Menschen in ihren Besonderheiten darstellen. Aber vorerst erlernt er das Malerhandwerk, ist dann arbeitslos, bekommt aber wegen seiner auffallenden künstlerischen Begabung eine der begehrten Freistellen an der Kunstgewerbeschule in Erfurt. Sein großer Förderer wurde Franz Markau (), der große Könner in der Farbgestaltung. Er erhielt Fertigkeiten in der Tafel- und Wandmalerei. Mit erfolgreichem Abschluss stellte er in Arnstadt, Erfurt, Gotha und Molsdorf aus, verkaufte erste Werke. Im zweiten Weltkrieg war er Kartenzeichner in Frankreich und Italien. Seine genaue Beobachtung der Natur führte bei ihm zur Detailtreue, er war wirklichkeitsbezogen, wurde nicht sentimental. Knöpfer lebte seit 1951 in Erfurt, brauchte Kontakt zu den Kollegen, Verbindung zu seinen Malzirkeln. Er bestückte von 1958 bis 1988 zahlreiche Kunstausstellungen, starb am 22. Mai 1993 in Erfurt.

Das Geschehen auf der Baustelle im zerstörtem Stadtzentrum 1952/53 (Foto: Heidelore Kneffel) Das Geschehen auf der Baustelle im zerstörtem Stadtzentrum 1952/53 (Foto: Heidelore Kneffel)


Der Künstler stand in einem fast vollständig zerstörten Zentrum der Stadt. Er konnte das, was er vorfand, nur beleben mit tätigen Menschen. So bildete er mehrere Gruppen, deren Bewegungen Lebendigkeit in die Komposition bringen. Drei Männer sind am unteren Bildrand in intensivem Körpereinsatz. Es soll vorangehen. Etwas entfernt steht eine Vierergruppe, damit beschäftigt, anhand des Planentwurfes das Geschehen zu überprüfen. Weitere Arbeitende gruppieren sich nach hinten. Neben diesem Bildausschnitt begibt sich eine größere Anzahl von Männern und Frauen zielstrebig auf die Baustelle mit Hacken, Schaufeln und anderen Gerätschaften.

Werktätige aus Betrieben begeben sich im Nationalen Aufbauwerk als Aufbauhelfer in das Baugeschehen  (Foto: Heidelore Kneffel) Werktätige aus Betrieben begeben sich im Nationalen Aufbauwerk als Aufbauhelfer in das Baugeschehen (Foto: Heidelore Kneffel)


Von Knöpfer gibt es noch ein drittes Kunstwerk in unseren Breiten. Mitte der 1950-Jahre schuf er in Bleicherode in einem Flur des Schillergymnasiums ein Wandgemälde, das 2023 von Frau S. Hesse restauriert wurde. In sechs Szenen wird gezeigt, womit sich Mädchen und Jungen beschäftigen, die in Dreiergruppen versammelt sind. Ein wichtiges Dokument aus vorheriger Zeit.

Otto Knöpfer, Wandgemälde im Flur des Schillergymnasiums in Bleicherode im unrestaurierten Zustand (Foto: Heidelore Kneffel) Otto Knöpfer, Wandgemälde im Flur des Schillergymnasiums in Bleicherode im unrestaurierten Zustand (Foto: Heidelore Kneffel)


Der Künstler war ein Anhänger des Philosophen Arthur Schopenhauer. „Die Werke der Dichter, Bildner und darstellender Künstler überhaupt enthalten anerkanntermaßen einen Schatz tiefer Weisheit: eben, weil aus ihnen die Weisheit der Natur, der Dinge selbst redet, deren Aussagen sie bloß durch Verdeutlichung und reiner Wiederholung verdolmetschen.“ Mit dieser „Verdolmetschung“ war Knöpfer Zeit seines Lebens ständig aufs Neue beschäftigt. Aber ihm ist auch klar, dass jeder Mensch selbst mit seinen Fähigkeiten und seiner Bildung dazu beitragen müsse, jene Weisheit zu fördern.
Heidelore Kneffel