70 Jahre Kino Nordhausen

Tradition mit Zukunft

Dienstag
05.03.2024, 12:17 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Gute 70 Jahre ist es her, dass das Nordhäuser Kino zum ersten mal seine Pforten öffnete. Pünktlich zum großen Geburtstag wurde das „Lichtspielhaus“ jetzt einmal von vorne bis hinten durchsaniert. Spuren der langen Geschichte sind wieder zu sehen aber es ist moderner Komfort, der das Haus bestimmt…

Sing mir, oh Muse, vom Zauber der Leinwand - im Nordhäuser Kino hat man die eigene Vergangenheit wieder entdeckt (Foto: agl) Sing mir, oh Muse, vom Zauber der Leinwand - im Nordhäuser Kino hat man die eigene Vergangenheit wieder entdeckt (Foto: agl)


1954 wurde das „Filmtheater Neue Zeit“ eröffnet, nach dem Krieg das erste seiner Art im damaligen Bezirk Erfurt. Ein großer, wuchtiger Saal mit 800 Sitzplätzen, Orchestergraben und Bühne hieß die ersten Besucher willkommen - das "Lichtspielhaus" war noch näher am klassischen Theater als am modernen Kino.

1993 wird der Saal geteilt, aus einer Spielstätte werden vier und vieles von dem, was damals die „neue Zeit“ einläutete, bestimmt auch heute noch das Bild. Das bunte Mosaik, dass die Kinogänger mit dem Lächeln von James Dean und Marilyn Monroe begrüßt, hat 30 Jahre später selber schon fast Denkmalcharakter. Zwei andere „Hingucker“ waren lange verborgen und sind erst mit dem Umbauarbeiten im letzten Jahr wieder zu Tage getreten - zwei überlebensgroße Gipsschnitte, die vor 70 Jahren von der Künstlerin Susanne Kandt-Horn für den markanten Bau des Nordhäuser Stadtarchitekten Friedrich Stabe enstanden waren.

Der große Kinosaal wurde bereits im vergangenen Jahr runderneuert (Foto: agl) Der große Kinosaal wurde bereits im vergangenen Jahr runderneuert (Foto: agl)


„Seit dem Umbau in den 1990er Jahren waren die Figuren hinter dem Vorhang verborgen. Mit der Umgestaltung des Saals sind die beiden Musen nun wieder zu sehen und wir haben sie auch etwas in Szene gesetzt“, berichtet Jürgen Deisting, der Herr der Nordhäuser Kinosäle. Pandemie und Lockdown hatte man im Haus genutzt, um die Restaurierung des alten Filmpalastes voranzutreiben. „Das waren keine leichten Zeiten. Dass man sich trotzdem dazu entschieden hat, hier im höheren sechsstelligen Bereich zu investieren, zeigt das man vom Standort Nordhausen weiter überzeugt ist“, berichtet Deisting, der die Häuser in Nordhausen und Mühlhausen für den Kinobetreiber „Kieft & Kieft Filmtheater“ aus Sachsen leitet.

Stück für Stück hat man sich seit 2020 vorgearbeitet, mit Pausen für die wichtigen Öffnungszeiten wie Feiertage und Ferien. Alles neu macht das Kino - in den Sälen gibt es mehr Beinfreiheit, bequemere Sitze und große Sofas, dezent beleuchtete Becherhalter und Induktionsladen für das Smartphone. Hinter den Kulissen wurde die Lüftungsanlage runderneuert und modernste Abspieltechnik angeschafft. Zuletzt wurde nun auch der Eingangsbereich überarbeitet, die Theke erneuert und dem Ganzen ein frischer Anstrich verpasst. Ganz ist man noch nicht fertig, berichtet Deisting, hier und da sind die Maler noch im Haus, ein paar Lampen fehlen noch. Das Ende der Arbeiten sei aber absehbar.

So lässt sich Kino gut genießen - beim Umbau stand der Komfort im Vordergrund, da kann auch Kinochef Jürgen Deisting einmal die Füße hochlegen (Foto: agl) So lässt sich Kino gut genießen - beim Umbau stand der Komfort im Vordergrund, da kann auch Kinochef Jürgen Deisting einmal die Füße hochlegen (Foto: agl) Komfort ist das Stichwort und das fängt idealerweise schon vor dem Kinobesuch an, beim Kartenkauf. Wer will kann den heute freilich digital tätigen, neu ist, dass das bald auch für Snacks und Getränke möglich sein soll. „Wir integrieren das System im Moment noch aber demnächst wird man in der Lage sein, alles vorzubestellen, bequem von zu Hause aus. Kurz vor der Ankunft gibt man per App an, dass die gewünschten Bestellung frisch zubereitet wird, dann kann man sich das alles schnell und unkompliziert an der Theke abholen, ohne lange Wartezeiten“, erklärt Deisting.

Nicht nur die Theke ist neu, seit vergangenem Jahr ist man Dank Mehrwegbechern auch im Kinoalltag nachhaltiger unterwegs (Foto: agl) Nicht nur die Theke ist neu, seit vergangenem Jahr ist man Dank Mehrwegbechern auch im Kinoalltag nachhaltiger unterwegs (Foto: agl)


Kino für jede Generation
All das funktioniert aber auch weiterhin ganz analog und das ist auch gut so, denn es ist nicht nur das junge und technikaffine Publikum, welches das Nordhäuser Kino aufsucht. Über den Erfolg des „Seniorenkinos“, zu dem man einmal im Monat einlädt, ist man im Haus selber ein wenig überrascht. „Wir machen das zur Zeit in zwei Sälen aber es läuft so gut, dass wir schon darüber nachdenken noch einen dritten Saal dazu zu nehmen“, erzählt der Kinochef. Die großen Blockbuster muss man hier nicht zeigen, es geht um kleinere, feinere Kost, zu der am Nachmittag auch Kaffee und Kuchen am Platz gereicht werden. Das nächste „Seniorenkino“ steht bereits am 18.3. an, dann wird man sich in „Auf dem Weg“ mit Jean Dujardin auf Wanderschaft durch Frankreich begeben.

Eine Altersgrenze nach unten gibt es für das "Seniorenkino" nicht, grundsätzlich stehe jede Vorstellung allen offen, auch die weiterhin beliebte „Ladies Premiere“ oder die „Anime Night“. Aber man will bestimmten Gruppen eigene Events bieten, wenn das Filmprogramm es her gibt. Die Freunde japanischer Zeichentrickfilme hat man zuletzt etwas hängen lassen müssen, die Animenacht soll aber bald zurückkehren. Gleiches gilt für die Übertragungen von Konzerten. „Im letzten Jahr hatten wir zum Beispiel zwei mal Metallica auf der Leinwand. Das ist natürlich etwas anderes, als tatsächlich beim Konzert zu sein. Aber es kann ja nicht jeder mal eben nach Seattle fliegen. Wenn sie das dann mit 100 Gleichgesinnten im Saal live erleben, vorher und nachher vielleicht noch beisammensitzen, ist auch das ein besonderes Erlebnis. Gerade dieses Miteinander, das gemeinsame Erleben, ist dass, was den Reiz des Kinos ausmacht und was uns Netflix und Co. so nicht bieten können“, sagt Kinochef Deisting.

Gerade nach Corona habe man gemerkt, das den Menschen diese Erlebnisse gefehlt hätten. Eine feste Bank ist da auch das Familienkino, wie eh und je fänden gerade Kinderfilme ihr Publikum, nicht selten über Wochen und Monate hinweg, länger als manch große Hollywood Produktion.

Aber nicht alles, was man in den letzten Jahren versucht hat, glänzt auch. Die Reihe „der besondere Film“, bei der auch eher nieschige Arthouse Streifen ihren Weg auf die Nordhäuser Leinwand fanden, hatte zwar ihre Liebhaber, aber nicht genug, dass es sich für das Kino gerechnet hätte. Das gleiche Schicksal teilt auch die Reihe „Best of cinema“ die alte Klassiker noch einmal ins Kino gebracht hat.

Der Riesenblockbuster fehlt noch
Das neue Kinojahr warte mit einigen Highlights auf, berichtet Deisting. Noch diese Woche freut man sich auf „Kung Fu Panda 4“, danach soll „Chantal im Märchenland“ die „Fuck You Göthe“ Fans abholen. Für Frühling und Sommer stehen unter anderem der vierte „Planet der Affen“, „Alles steht Kopf 2“ aus dem Hause Pixar und der nächste Auftritt der „Minions“ in „Ich – Einfach unverbesserlich 4“ auf dem Programm. Außerdem warten die Ghostbusters, Sonic, Garfield und Deadpool auf ihre nächsten Premieren. Im Winter soll zudem der „König der Löwen“ auf die Leinwand zurückkehren.

Mit dem zweiten Teil des Sci-Fi Epos „Dune“ hat man aktuell schon einen veritablen Blockbuster im Programm, ein „Riesenknaller“ - wie etwa „Avatar“ im vergangenen Jahr, fehle aber noch. Das liegt auch am Autorenstreit in Hollywood, der letztes Jahr in der Traumfabrik die Flließbänder still stehen ließ. „Es sind auch so in diesem Jahr ein paar tolle Filme dabei, auf die man sich freuen kann. Und manchmal kommt auch ein Riesenhit wie aus dem Nichts, den keiner auf dem Schirm hatte.“, sagt Deisting. Potential dazu habe zum Beispiel „Wunderland“. Die deutsche Dokumentation aus dem Miniatur-Wunderland Hamburg hätte im Trubel der Filmfestivals erfahrungsgemäß eher unter dem Radar laufen sollen, hat sich aber zum Überraschungshit und Publikumsliebling gemausert. Ab Donnerstag wird „Wunderland“ auch im alten Nordhäuser Filmpalast zu sehen sein und kann um die Gunst des Publikums ringen.

Das kehrt langsam aber stetig ins Kino zurück, heißt es im Kino. Das Niveau von 2019 habe man noch nicht ganz wieder erreicht, aber die Besucherzahlen steigen wieder, erzählt Jürgen Deisting und blickt optimistisch in die Zukunft. Auch nach 70 Jahren finden noch reichlich Gäste ihren Weg in die Sessel des „Lichtspielhauses“ und mit neuem Komfort und passenden Programm wird man auch dieses Kapitel der Kinogeschichte hoffentlich bald abschließen können.
Angelo Glashagel