Hintergründe zum Gerichtsverfahren

Was ist da am Theater los?

Freitag
01.03.2024, 18:00 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
In den gestern bekannt gewordenen Vorgängen rund um das Nordhäuser Theater kommen neue Details ans Licht. Im Haus wusste man schon länger von den Forderungen, der Aufsichtsrat wurde durch Theaterintendant Daniel Klajner per Brief informiert, welcher der nnz vorliegt…

Theater Nordhausen (Foto: agl) Theater Nordhausen (Foto: agl)

Wie der Mitteldeutsche Rundfunk gestern meldete, strengt die Berliner Produktionsfirma "myWay Entertainment GmbH“ ein Klageverfahren gegen das Nordhäuser Theater mit einem Streitwert von über 800.000 Euro an. Der Aufsichtsrat der Nordthüringer Theater GmbH „TNLOS!“, die aus dem Nordhäuser Theater und dem Loh-Orchester Sondershausen besteht, wurde durch Theaterintendant Daniel Klajner schriftlich über die Vorgänge informiert.

Im Kern geht es um das Musical „Get on Board“ aus der Feder des Autors Dirk Michael Steffan. Der ist auf der Nordhäuser Bühne kein Unbekannter, das Musical „Der Geist der Weihnacht“ hatte mehrfach für voll besetzte Aufführungen gesorgt. Auf dem Erfolg will man aufbauen, 2019 wird mit Steffan ein Aufführungsvertrag über sein neues Stück geschlossen, die große Uraufführung, exklusiv am Nordhäuser Theater, ist für Mitte 2020 geplant. Der aufmerksame Leser wird ahnen, was als nächstes kommt: Corona. Ein halbes Jahr vor der exklusiven Premiere kommt der erste Lockdown, das Leben steht still, auch auf der Bühne.

Man habe damals, in Unkenntnis der Dinge die da noch kommen sollten, weiter geplant und die Erstaufführung dieses „Knallers“ für den Herbst vorbereitet, schreibt Intendant Klajner. Allein, der Herbst kommt und Corona bleibt. Spielen darf man wieder, aber nur unter erschwerten Bedingungen für Publikum und Bühnenpersonal - 1,5 Meter Mindestabstand generell, drei Meter auf der Bühne, wenn gesungen wird sechs Meter.

In November geht auch das nicht mehr, der zweite Lockdown zieht sich bis Ende des Jahres. In dieser Zeit entspinnen sich die ersten Diskussionen mit dem Autor, ist dem Schreiben Klajners zu entnehmen. Steffan habe das Musical in einer „abgespeckten Version“ zeigen wollen, mit reduziertem Orchester, ohne Ballett und Chor und mit isoliert stehenden Solisten. Die Geschichte solle nur „angeteasert“ werden. „Ich versuchte ihn zu überzeugen, das Musical auf einen Zeitpunkt zu verschieben, wo wir es in der ursprünglich geplanten und vertraglich festgelegten Version glanzvoll uraufführen können, konkret auf das Frühjahr 2022. Ich argumentierte damit, dass wir schon einen unermesslichen Aufwand betrieben haben, dass wir uns mit einer Voraufführung den „Knaller“ der Uraufführung vergeben, dass durch die reduzierte Platzkapazität wirtschaftlicher Schaden entsteht, etc.“, ist in dem Brief des Intendanten zu lesen.

Einig wird man sich nicht, der Autor zeigt sich für eine Verschiebung offen, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Steffan habe vom Theater einen neuen Vertrag mit denselben finanziellen Bedingungen sowie Schadensersatz in fünfstelliger Höhe für die ausgefallene Uraufführung und die in der Spielzeit geplanten Vorstellungen gefordert. Der Verschiebung habe er zugestimmt, die Schadensersatzforderungen aber kategorisch abgelehnt, schreibt der Intendant. Der Musicalautor lehnt eine Verschiebung auf die Spielzeit 2022/23 schließlich ab, das Projekt habe damit „auf Eis“ gelegen.

Nun kommen auch die Anwälte ins Spiel, 66.000 Euro will der Künstler, Klajner lehnt ab. Am 21. August 2021 geht ein Mahnbescheid des Amtsgerichtes Wedding ein, gefordert werden jetzt 69.826,60 Euro, TNLOS widerspricht. Danach habe er von Steffan oder seinen Anwälten nichts mehr gehört, teilt Klajner dem Aufsichtsrat mit, Mitte Dezember erhält das Theater schließlich eine Klageschrift. Der Streitwert beträgt jetzt 829.375,93 Euro. Der Theater GmbH wird vorgeworfen, sich rechtswidrig von ihren vertraglichen Pflichten losgesagt zu haben. Der Kläger argumentiert, dass er sein Werk „mit erheblichen Gewinnen“ weiter hätte lizensieren können und ihm so großer Schaden entstanden sei. Eine Güterverhandlung vor dem Berliner Landgericht ist für Mitte des Jahres angesetzt.

Auch Klajner hat inzwischen einen Anwalt eingeschaltet, man sei dabei, Argumente für eine Replik zusammenzustellen, der Schriftverkehr mit dem Autor sei gut dokumentiert. Das Theater habe seine vertraglichen Verpflichtung mit der Verschiebung nachkommen wollen, weder eine „vollgültige Uraufführung“ noch eine „abgespeckte Version“ sei in der Spielzeit 20/21 möglich gewesen.

Zu den Vorgängen hat die nnz gestern Anfragen an Intendant Klajner wie auch an den Hauptgesellschafter der TNLOS! GmbH, die Stadt Nordhausen gestellt. Das Theater hat eine offizielle Stellungnahme angekündigt, die der Redaktion zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aber noch nicht vorlag. Die Pressestelle der Stadt Nordhausen teilte mit, dass man zu laufenden Verfahren keine Auskunft geben könne, im nächsten Aufsichtsrat werde die Angelegenheit aber Thema sein.
Angelo Glashagel

Update Daniel Klajner
In einem Gespräch mit der nnz reagierte Intendant Daniel Klajner am Abend auf die Vorwürfe in der Klageschrift aus Berlin. “Ich habe sofort nach Bekanntwerden einen Anwalt eingeschaltet und die entsprechenden Gremien ausführlich informiert”, so Klajner. Allein schon die Summe, die in der Klage aufgerufen werde, sei so "monströs", dass sie jeder Realität oder Verhandlungsbasis entbehre. “Ich bin nach all den Gesprächen eigentlich guter Hoffnung, dass die Kläger vor Gericht unterliegen werden. Auch ärgere ich mich über die Rufschädigung meiner Person, vor allem aber des gesamten Nordhäuser Theaters. Was ich auch nicht hinnehmen werde, das sind die Anfeindungen in den sozialen Netzwerken. Auch die absurden Vorwürfe eines Aufsichtsratsmitgliedes gehören nicht in die Öffentlichkeit”, sagte Klajner, der versprach, nicht nervös zu werden und sich schützend vor das gesamte Team des Theaters und die Loh-Orchesters zu stellen. Gleiches wünsche er sich von den Gesellschaftern und dem Aufsichtsrat.(psg)