Das künstlerische Werk, das vorgestellt werden soll, kenne ich seit ca. 30 Jahren und habe erstaunlicher Weise bis jetzt kaum jemanden gefunden, der es kennt oder bei meinen Worten darüber neugierig wurde. Gut, man findet es nicht so im Vorübergehen...
Maria im Tale 1 (Foto: H. Kneffel)
Ich entdeckte es beim gründlichen Durchstreifen des Viertels um die Altendorfer Kirche, als ich einige Jahre im Altendorf wohnte nahe der Altendorfer Stiege. Vom Kreuzen kommend, benannt nach dem einstigen Friedhof nahe der Kirche, stieg ich außen an der Treppe am Pfarrhaus empor, auf dem Grundstück seitlich wieder hinab hin zur Ostwand des Gotteshauses.
Ich traute meinen Augen kaum, als ich linker Hand unter der Dachtraufe eine weibliche Büste aus Stein entdeckte, die dort auf einer Steinplatte befestigt war, diese wiederum an der Mauer des Bauwerkes. Sie war also keinesfalls ursprünglich dort angebracht gewesen. Das feingeschnittene Gesicht mit den mandelförmigen Augen und dem leichten archaischen Lächeln, die gepflegten, exakt gekräuselten Haare, die kleine stilvolle Krone auf dem Haupt, die Kette, alles strahlte Würde aus, aber auch etwas Unergründliches.
Steinerne Büste einer romanischen Marienfigur? an der Ostwand (Dachtraufe) der Altendorfer Kirche -
Dieses nächste künstlerische Werk, das in Augenschein genommen werden soll, findet sich also in der Altendorfer Kirchgasse 1. Dort steht die Altendorfer Kirche, die den Namen St. Maria im Tale (Beatae Mariae Virginis in Valle) - Kirche der seligen Jungfrau Maria im Tale – trägt. Die kleine Pfarrkirche fand im Jahr 1294 ein Orden von Zistersienserinnen vor, die in Bischoferode nahe des Ortes Woffleben gelebt hatten. Sie baten darum, ihr Kloster wegen unruhiger Zeiten verlassen und ins Altendorf umsiedeln zu dürfen, um dort ein Klostergebäude zu errichten. Dort blieben sie bis 1526.
1353 wird eine größere Kirche erbaut, eine dreischiffige Hallenkirche mit einem hochgotischen Chor. Die Sakristei war ursprünglich eine mit einem Kreuzgratgewölbe gebaute Kapelle mit einem romanischen Portal, trug also ein mittelalterliches Gepräge.
Es ist zu berichten, dass es an diesem Bauwerk immer wieder zu Reparaturen kam, man sie umbaute, ja erneuerte. Also, ihr Erscheinungsbild innen und außen veränderte sich häufig. Wir haben ja selbst einen deutlichen Umbau miterlebt, als das Bauwerk zu einer Jugendkirche wurde und im Oktober 2017 die Eröffnung erfolgte.
Es war mir wichtig, dass die Leserschaft von der Baugeschichte dieses Gotteshauses wenigstens einen kleinen Eindruck erhält. Denn das Kunstwerk, das ich eingangs vorgestellt habe, gibt Rätsel auf. Diese kleinere steinerne weibliche Büste ist an einer Stelle der Kirche angebracht, die ungewöhnlich erscheint. Ich habe den Bildhauer Peter Genßler aus Bleicherode zu Rate gezogen, dessen Fähigkeiten ich schätze. Wir denken, dass diese Büste wahrscheinlich aus der Zeit der Romanik stammt.
Er schrieb mir u. a.: Meiner Meinung nach handelt es sich um ein Bruchstück einer Ganzfigur, die früher woanders und an einem repräsentativeren Platz ihre Verwendung hatte. Ich habe, gerade in der Romanik, meist thronende Madonnen gefunden, das Jesuskind auf dem Schoß. In der Bauplastik ist jedenfalls eine entsprechende Beiordnung begleitender Figuren zu finden … Er erwähnt den mehrfachen Umbau und die Veränderungen an der Kirche, die Bilderstürmerei und die Beschädigungen im Bauernkrieg, so wäre die Einsetzung einer gefundenen oder auch geborgenen Skulptur denkbar. Die Anbringung unter der Dachtraufe sieht für mich eher wie eine verschämte Einordnung in der Zeit nach der Blüte des Marienkultes aus.
Mariendarstellung aus der Zeit zwischen Spätgotik und Renaissance
In Nordhausen gibt es noch einige Mariendarstellungen, die größte ist die der Pieta, die im Kunsthaus Meyenburg aufgestellt ist. Von einem Schild erfährt man, dass diese Schmerzensmutter 1481 aus Lindenholz geschnitzt wurde und aus der Altendorfer Kirche stammt und von dort ins Museum gegeben wurde. Als Vermerk liest man, dass sie aus der Werkstatt des Tilman Riemenschneiders stammen könnte. Auf alle Fälle ist sie künstlerisch wertvoll, bedarf dringend der Restaurierung. Diese wird erfolgen, wie mir Susanne Hinsching sagte. Der Förderverein befasst sich damit. Man wird dann darüber informiert werden.
Pieta aus Lindenholz (Foto: H. Kneffel)
Pieta aus der Zeit zwischen Spätgotik und Renaissance im Kunsthaus Meyenburg
Bei meinen Recherchen stieß ich im Internet auf: Historische Nachrichten von der Evangelischen Kirche im Altendorfe zu Nordhausen … aus dem Jahr 1795 von Johann Christoph Ludwig, Prediger der Kirche, herausgegeben. Darin ist zu lesen: An der Mauer gegen Mitternacht zu ist ein wohlausgearbeitetes Marienbild in Lebensgrösse befindlich, welches sitzend vorgestellt wird, und das Bild des Welthenhyelandes auch in Lebensgrösse auf dem Schoosse liegen hat. Es ist dieses Bild allezeit mit einem weissen Tuch behänget, welches von guten Personen zur Zierde geschencket worden, wie dieses Bild überhaupt nur bloß als ein Zierrath dieses Tempels darin aufbehalten wird. Welcher Künstler dieses Marienbild gemacht und wenn es ehe in die Kirche gekommen, habe nirgends finden können. Auf die Pieta aus dem Kunsthaus Meyenburg kann das meiner Meinung nach nicht zutreffen. Da brach ja eine Zeitepoche an, wo die Künstler selbstbewusst genug waren, um sich zu ihrer Kunst zu bekennen. Eine Bedeckung des Werkes kam also, denke ich, nicht mehr in Frage. Worauf also bezieht sich diese Beschreibung?
Mit dieser Fragestellung entlasse ich die Leserschaft. Vielleicht weiß der eine oder die andere etwas zu der mittelalterlichen Büste zu sagen!
Heidelore Kneffel