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Meinungsfreiheit? Gerade noch so!

Sonnabend
24.02.2024, 09:50 Uhr
Autor
psg
veröffentlicht unter:
In den zurückliegenden Tagen entbrannte eine breitgeführte Kontroverse um mögliche Verletzungen demokratischer Prinzipien durch Entscheidungen und Äußerungen führender Regierungsvertreter. Politische Kommentatoren sprechen bereits von Attacken auf die Rechtsordnung. Dazu die Meinung eines nnz-Lesers...


Angefangen hatte alles damit, dass das Bundeswirtschaftsministerium unter Robert Habeck gegenüber dem Magazin Cicero die Herausgabe der genauen Begründung für die beschlossene Abschaltung der letzten drei noch aktiven Kernkraftwerke verweigert. Cicero klagte daraufhin und bekam in einem vielbeachteten Gerichtsverfahren Recht – das Ministerium wurde gerichtlich zur vollständigen Offenlegung der Entscheidungsgrundlagen verpflichtet.

Das Urteil stützte sich auf das im Grundgesetz verankerte öffentliche Informationsrecht. Demnach sind Regierung und Behörden gerade bei Entscheidungen von großer nationaler Tragweite gegenüber Medien und Öffentlichkeit zu umfassender Auskunft verpflichtet. Kritiker werteten die Blockade des Ministeriums als schwerwiegenden Affront gegen demokratische Transparenzpflichten; sie sei Ausdruck einer „Kultur der Intransparenz“ innerhalb der Ampel-Regierung, wenn es um die Rechtfertigung heikler Beschlüsse geht.

Politikwissenschaftler und Juristen argumentieren, in einer Demokratie müsse die Regierung ihr Handeln der kritischen demokratischen Kontrolle durch unabhängige Medien öffnen. Wenn lebenswichtige Informationen der öffentlichen Diskussion entzogen würden, führe dies zu einer schleichenden Aushöhlung des politischen Systems. Eine demokratische Regierung zeichne sich dadurch aus, dass sie die Bürger auch und gerade bei unbeliebten Entscheidungen transparent über ihre Motive und Erwägungen informiere. Dieses Wesensmerkmal einer demokratischen Streitkultur sah man durch den Regierungsstil der Ampel empfindlich beschädigt.

In einem weiteren vielbeachteten Fall wurde eine unzulässige Verquickung von Amt und Parteipolitik moniert: Steffi Lemke hatte über ihr Umweltministerium direkt auf eine Aussage von Markus Söder auf dem Politischen Aschermittwoch reagiert. Kritiker verschiedener Couleur rügten, Lemke habe damit staatliche Ressourcen ihres Hauses für eine parteipolitische Auseinandersetzung missbraucht – was gemäß dem Bundesverfassungsgericht unzulässig ist (Merkels Äußerung als Bundeskanzlerin zur Wahl von Kemmerich).

Die strikte Trennung von Staatsamt und Parteienfunktion sei für das Funktionieren der Demokratie jedoch essenziell. Wenn Ministerien und nachgeordnete Behörden parteipolitisch instrumentalisiert würden, führe dies zwangsläufig zu einer Aushöhlung des Rechtsstaats von innen. Der Vorfall zwischen Söder und Lemke steht damit symptomatisch für eine gefährliche Verwischung der Grenzen zwischen Regierungsapparat und Parteipolitik.

Für Aufruhr sorgte auch ein Auftritt von Familienministerin Lisa Paus anlässlich der Präsentation eines Maßnahmenpakets gegen „Hass und Hetze“ im Internet. Paus erklärte in diesem Kontext wörtlich, man wolle „dem Umstand Rechnung tragen, dass Hass im Netz auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze vorkommt“. Es gehe um Äußerungen, die „noch gerade so unter Meinungsfreiheit“ fallen. In der Folge kündigte die Ministerin die Einführung von „Meldesystemen“ für problematische Online-Inhalte sowie die direkte Meldung entsprechender Fälle an das Bundeskriminalamt an. Ziel sei ein konsequenteres staatliches Vorgehen auch gegen nicht eindeutig strafbare Äußerungen im Netz bereits im Vorfeld. Dies führt unweigerlich zu Zensur, Denunziantentum und einer dramatischen Beschneidung der im Grundgesetz garantierten Meinungsfreiheit. Parallelen zum digitalen Überwachungsstaat nach chinesischem Vorbild tun sich auf.

Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft fordern die Bundesregierung dringend auf, von derartigen Plänen Abstand zu nehmen und die Kommunikationsfreiheit der Bürger zu garantieren. Andernfalls, so die Sorge, könnte der demokratische Diskurs erheblich und auf Dauer beschädigt werden. Die Ministerin allerdings zeigt sich von der Kritik an ihrem Vorstoß gänzlich unbeeindruckt.

Für besonderes Aufsehen sorgte der Auftritt von Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang nach dem durch „Correctiv“ aufgedeckten Treffens in Potsdam, wo ein Plan zur „Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland“ gesponnen worden sein soll. In ihren Statements kündigten die beiden eine Reihe von Maßnahmen an, um verstärkt gegen „rechtsextreme Netzwerke“ vorzugehen. Nach Angaben der VS-Behördenchefs sollen demnach vermehrt auch Personen und Gruppierungen ins Visier genommen werden, die sich zwar nicht strafbar gemacht haben, deren Aktivitäten aus Sicht des Verfassungsschutzes aber als „staatswohlgefährdend“ eingeschätzt werden. Als mögliche Konsequenzen dieser Einstufung wurden unter anderem Entlassungen von Beamten oder der Entzug von Waffenscheinen genannt.

Massiv und überparteilich warnen Kritiker, ein derart extensives staatliches Vorgehen gegen politisch Andersdenkende führe zwangsläufig zur Beschneidung fundamentaler Bürger- und Freiheitsrechte. Es drohe so die Etablierung eines „Gesinnungsstrafrechts“, bei dem legale, aber missliebige politische Standpunkte mit harten beruflichen und gesellschaftlichen Sanktionen belegt würden. Dies kennzeichne autoritäre Systeme, habe aber in einer pluralistischen Demokratie keinen Platz, so der Vorwurf.

Politikwissenschaftler und Historiker sehen in diesem angekündigten Expansionskurs des Verfassungsschutzes einen gefährlichen Dammbruch, der Tür und Tor für den schleichenden Abbau von Bürgerrechten öffne. Die Absicht, bereits nicht strafbare Handlungen mit derlei schwerwiegenden Konsequenzen zu belegen, offenbare ein zutiefst undemokratisches, ja totalitäres Staatsverständnis der Behörde. Auch in Teilen der Regierungskoalition regt sich mitunter Widerstand gegen diesen Kurs.

Die zum Teil erbittert und emotional geführte Auseinandersetzung spiegelt die enorm zugespitzten Spannungen innerhalb der politischen Landschaft wider: Auf der einen Seite stehen Akteure, welche die politische Ordnung durch eine wachsende extremistische Bedrohung von „Rechts“ unter Generalverdacht stellen und mehr Befugnisse bei der Extremismusbekämpfung fordern. Auf der anderen Seite warnen Kritiker davor, dem Staatsapparat sei mittlerweile jedes Maß abhandengekommen. Sie würden die Freiheitsrechte der Bürger – etwa auf freie Rede oder Presse – bereits jetzt schon beschneiden und so die demokratischen Prinzipien selbst beschädigen, die sie eigentlich verteidigen wollten.

Es zeichnet sich dabei keine leichte Lösung für diese festgefahrene Situation ab. Viel wird davon abhängen, ob es gelingt, einen tragfähigen Interessenausgleich zwischen dem Schutz der demokratischen Verfassungsordnung und der Wahrung der Freiheitsrechte der Bürger zu finden. Und ob man wieder dahin geerdet wird, dass auch rechts der Mitte politische Standpunkte legitim sein können, ohne diese gleich mit einem Extremismus-Vorwurf abzuwatschen. Kommt auf absehbare Zeit keine Annäherung zustande, droht das weitere Auseinanderdriften gesellschaftlicher Lager und Zeiten schwerer politischer Turbulenzen.
VE, der Name des Lesers ist der Redaktion bekannt.