Das Jugendclubhaus braucht mehr Geld für Vereine

Warme Worte und mehr nicht?

Freitag
23.02.2024, 16:14 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Kuddelmuddel - ein Wirrwarr, Durcheinander, Allerlei, Aufregung und Chaos - so steht es im Duden. Ein Kuddelmuddel hat man auch in Nordhausen seit der Schließung des Thomas Mann Clubs, das gerade durch eine weitere Nuance verkompliziert wird. Der Versuch einer Entwirrung…

Das Clubhaus in der Krise - bleibt das Haus Vereinsheim? (Foto: Mario Schieke) Das Clubhaus in der Krise - bleibt das Haus Vereinsheim? (Foto: Mario Schieke)


Abendtermin im Jugendclubhaus, der Kreisjugendring (KJR) hat eingeladen, das Thema: die Zukunft der Vereine im Haus. Die haben hier seit Anfang 2021 eine neue Heimat gefunden, als das Thomas Mann Haus, begleitet von viel Getöse und Diskussion, endgültig geschlossen wurde. Nicht alle Nutzer des alten Hauses hat es damals in den neuen Club gezogen, einige sind anderweitig untergekommen, doch seitdem haben andere Neuzugänge an die Tür des Clubhauses geklopft, berichten die Vertreter des KJR gestern Abend.

Für die Vereine wurde ein Raum renoviert und eingerichtet, rund 10.000 Euro hat die Stadtverwaltung Nordhausen dafür bezahlt, für die Betreuung wurden zwischen 2021 und 2023 jährlich 20.000 Euro an den Beitreiber gezahlt.

Wie überall anders auch sind nun aber die Kosten für den KJR in den letzten Monaten deutlich gestiegen, berichtet deren Vorsitzender, Andreas Meyer. Man biete heute mehr Vereinen eine Heimat, habe damit auch mehr personellen Aufwand und natürlich gestiegene Energiekosten. Wenn etwa die Seniorentanzgruppe den Saal nutzen will, dann muss der auch geheizt werden.

In der Vergangenheit habe man den Mehrbedarf über das eigene, kommerzielle Geschäft, sprich den Betrieb der Disco, zusätzlich querfinanzieren können, doch der allgemeine Niedergang des Nachtlebens hat auch vor der Nordhäuser Traditionsdisco nicht Halt gemacht, die Einnahmen aus dem Partybetrieb sind lange nicht mehr das, was sie mal waren, berichtet Christoph Rode, der im Haus unter anderem für die Veranstaltungen zuständig ist. Knapp die Hälfte der 30.000 Gäste, die man im letzten Jahr im Clubhaus gezählt hat, fallen unter die Rubrik „Kulturangebote“, darin enthalten sind auch die Veranstaltungen und Treffen der Vereine. Deren Nutzungszeit beläuft sich im Jahr auf rund 1.500 Stunden, rechnet der KJR vor, die Betreuung mache gut 2000 Personalstunden aus.

Die Geschäfts- und Vereinsleitung des Kreisjugendrings lud die Vereine gestern ins Clubhaus um über die Zukunft zu sprechen (Foto: agl) Die Geschäfts- und Vereinsleitung des Kreisjugendrings lud die Vereine gestern ins Clubhaus um über die Zukunft zu sprechen (Foto: agl)


Und nun sieht man sich in einer Zwickmühle, braucht mehr Geld. Im letzten Jahr sei man durch diverse Instanzen gegangen, war bei den beiden Rathausspitzen, den Fraktionen, in den Ausschüssen und bat um Unterstützung, führt Anja Barth aus der Geschäftsführung des KJR aus. Das Ergebnis bisher: der Zuschuss der Stadt wird von 20.000 auf 25.000 Euro erhöht. Den eigenen Mehrbedarf setzt man aber eher auf 70.000 Euro an.

Soweit der Stand. Im frisch genehmigten Haushalt der Stadt Nordhausen haben die Wünsche des Kreisjugendrings keinen konkreten Niederschlag gefunden, die CDU Fraktion hatte noch im Januar einen entsprechenden Antrag gestellt, diesen dann aber selber wieder zurückgezogen. Und damit nähern wir uns Kuddelmuddel-Territorium.

Wer ist? Was ist? Wo ist?
Im Clubhaus habe sich unter den Vereinen eine tolle Gemeinschaft gebildet, die Vereine und Interessengruppen seien wichtig für die Gesellschaft und man sei froh, diese wichtige Arbeit unterstützen zu können, heißt es aus dem KJR. Nicht alle hier sind „e.V.“, also eingetragene Vereine in nachweislicher Gemeinnützigkeit, manche sind nur Kleingruppen von ein paar Menschen, die besondere Interessen teilen und die im Moment nirgendwo anders unterkommen können. Vom Deutsch-Russischen Netzwerk über den Fahrradverein, die Aquarianer, den Kleingartenverein Beethovenring bis zum Salzaer Karnevalsclub, dem Alpenverein oder dem Harzklub und den Doppelkopffreunden sind hier alle möglichen Interessen vertreten. Die Altersspanne ist groß, von vier bis 80 Plus, die Bedarfe mitunter sehr spezifisch.

Ihrer Osteoporose Sportgruppe habe man schon im Zuge der Thomas-Mann-Diskussionen nahe gelegt, doch eine der städtischen Turnhallen zu nutzen, berichtet eine ältere Dame, nur seien die a.) ohnehin knapp belegt und b.) wenn überhaupt erst nach 16 Uhr nutzbar, was den Mitgliedern nicht recht in den Zeitplan passe. Andere halten ihre Treffen in Lokals und Kneipen ab, aber welcher Wirt ist schon bereit, sich die Tische mit einer Zierfischbörse zu belegen, oder die regulären Gäste mit bunt verkleideten „Cosplayern“ zu beglücken? Von Mietkosten hat man da noch gar nicht gesprochen, die hätten viele Vereine letztlich aus dem von der SWG ursprünglich als Begegnungszentrum betriebenen „Nordhaus“ getrieben, sagt eine andere Teilnehmerin. „Seit 30 Jahren investieren wir Zeit und Geld und wir tun das gerne. Aber wenn einem nur noch Knüppel vor die Füße geworfen werden, macht es irgendwann einfach keinen Spaß mehr“. Rund 30 Selbsthilfegruppen, Chor- und Singgruppen, Verkehrswacht und Sportler hätten sich früher in Nord treffen können, außer dem Clubhaus habe man jetzt kaum Alternativen.

Viele Vereine und Interessengruppen haben im Clubhaus eine neue Heimat gefunden (Foto: agl) Viele Vereine und Interessengruppen haben im Clubhaus eine neue Heimat gefunden (Foto: agl)


Dreh- und Angelpunkt sei der politische Wille, Geld für die Vereinsarbeit auszugeben, sowohl in der Stadt wie auch im Kreis, sagt Heidi Schell vom Nordhäuser Naturschutzbund BUND. „Warme Worte bekommt man überall, der Mangel an Rückhalt manifestiert sich dann aber, wenn es ums Geld geht“, sagt Schell. Wenn das Clubhaus die Kosten auf die Vereine umlegen müsse, dann sei man weg.

Und nun sind wir gleich mittendrin im Durcheinander. Der Kreisjugendring argumentiert, dass es eine Pflichtaufgabe der Stadt sei, für die Unterbringung ihrer Vereine zu sorgen, zu den originären Aufgaben der Kreisjugendrings gehöre das nicht. Die liegen laut Satzung in der Jugendarbeit, dafür bekommt man Geld vom Landkreis, dass man nicht einfach für andere Zwecke einsetzen kann. „Wir wehren uns dagegen, mehr Geld von den Vereinen zu nehmen. Die Stadt Nordhausen hat diese Aufgabe „outgesourced“ und wir sind mehr als enttäuscht. Uns wurde immer alles versprochen aber im Stadtrat scheint man nicht zu sehen, dass die soziokulturelle Arbeit mehr Unterstützung braucht“, sagt Andreas Meyer. Die Quintessenz: entweder nimmt der KJR ab dem 1. April höhere Miete von seinen Gästen oder man muss zur Kündigung schreiten. Für den Kreisjugendring sei weder das eine noch das andere eine tragbare Lösung, aber man sei inzwischen in Zugzwang.

Spätestens an diesem Punkt kommen eine ganze Menge komplizierter Sachverhalte zusammen. „Pflichtaufgabe“ ist zum Beispiel ein deutlich umrissener Begriff im Kommunalrecht und die Kulturförderung fällt allgemein nicht darunter. Was nicht heißen muss, dass es eine Verwaltung nicht dennoch als ihre ideelle Pflicht ansehen kann, auch die kleinen, wenig sichtbaren Vereine in ihren Mauern zu unterstützen. Und es ist nicht so, dass es gar keine Unterstützung gibt, vertraglich geregelt ist aber allein die Verfügbarkeit der Räumlichkeiten im „soziokulturellen Zentrum“, daher kommen die besagten 25.000 Euro, ist auf Nachfrage aus den Fraktionen zu erfahren. Personalkosten trägt die Stadt nicht, weil der Kreisjugendring in den Zuständigkeitsbereich der Kreisverwaltung fällt. Und aus dieser Richtung wird der KJR nicht schlecht ausgestattet, nur eben nicht für die Aufgaben, die man im Haus als Dienstleistung für die Stadt betrachtet. Und da Finanzmittel meist Zweckgebunden sind, kann man mit den Kreisgeldern nicht einfach machen, was man gerade will.

Aus den Stadtratsfraktionen ist nach einem halben Tag an Telefonaten und Nachfragen zu hören, dass die Wünsche des Kreisjugendrings durchaus bekannt sind, die in den Ausschüssen gestellten Anträge aber inhaltlich nicht ausreichend unterfüttert gewesen seien. Die CDU habe ihren Antrag unter anderem wieder zurückziehen müssen, weil die inhaltliche Begründung der gewünschten Summen „zu dünn“ gewesen sei, teilt deren Fraktionsvorsitzender, Steffen Iffland mit. Auch bei der SPD kritisiert man, dass der Kreisjugendring seine Betätigungsfelder in der Antragstellung unsauber voneinander getrennt und seine tatsächliche finanzielle Lage nicht voll offenbart habe. Im Kulturausschuss habe man wiederrum nach dem Rückzug der CDU keine ordentliche Diskussionsgrundlage mehr gehabt aber auch hier wurde die Problematik besprochen. Wobei unter anderem die Frage im Raum gestanden habe, warum man sich nicht auch an den Landkreis richtet, denn am Ende ist das Landratsamt Eigentümer des Hauses, nicht die Stadt und es könne demnach auch nicht die Stadt sein, an die man gestiegene Personal- und Betriebskosten weiter reiche. Zu klären wäre zudem, was die Beteiligten konkret unter der Arbeit eines „soziokulturellen Zentrums“ verstehen, die vertraglichen Formulieren aus der Zeit der Bürgermeisterin Juttas Krauth seien dazu vage gehalten.

Wer ist also zuständig für die auskömmliche Finanzierung und Was soll eigentlich genau bezahlt werden? Eine dritte Frage ist das „Wo“?, denn eine Dauerlösung sieht der Stadtrat in der Unterbringung im Clubhaus eher nicht. Und mit dieser Feststellung vollzieht sich der Kreis, denn wir sind wieder beim Thomas-Mann-Haus. Der per Beschluss angeordnete Verkauf der Liegenschaft konnte bis jetzt nicht realisiert werden und stand trotz Mehrheit im Stadtrat immer wieder in der Kritik.

Bei der SPD könnte man sich eine Reaktivierung des alten Hauses als Vereinsheim durchaus vorstellen. Die CDU sehe es lieber, wenn man das Waisenhaus, inzwischen mit saniertem Dach wieder eine Option, als zukünftigen Versammlungsort nutzen würde. Die Vereine bräuchten nicht nur Platz um sich zu treffen, sondern auch Büroräume und Lagerflächen, um ordentlich arbeiten zu können, was sich im Waisenhaus realisieren ließe. Der Vorschlag findet aber bei den anderen Fraktionen bis dato wenig Gegenliebe, wobei zu bedenken ist, dass der Stadtrat in seiner jetzigen Zusammensetzung kurz vor dem Ende seiner Legislatur steht.

Frage Vier: Wie weiter?
Was auch geschieht, man werde die Vereine in keinem Fall im Regen stehen lassen, auf der Straße werde keiner landen, versichert die SPD. Selbst wenn die Wünsche des Kreisjugendrings keinen Niederschlag im aktuellen Haushalt gefunden haben, gebe es Möglichkeiten und Wege der Unterstützung, etwa über die jüngst beschlossene Aufstockung der Mittel im allgemeinen Kulturbereich.

Der Kreisjugendring will derweil den Gang durch die Instanzen fortsetzen und kündigt sein kommen für die anstehenden öffentlichen Sitzungen der diversen Ausschüsse an, zu denen man auch die anwesenden Vereine geladen hat. Mancher wird mit Wut im Bauch kommen, mancher mit Enttäuschung, mancher mit Hoffnung auf eine zügige Lösung, mancher vielleicht auch mit profunder Kenntnis der Zusammenhänge und rechtlichen Zwänge und dann die richtigen Fragen stellen. Eine Lösung des Konflikts bis zum April ist aber eher nicht zu erwarten, gewählt wird erst im Mai.
Angelo Glashagel