Betrachtung zu Wahlkampf und Protest

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Mittwoch
21.02.2024, 18:00 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Die AfD lud gestern zum Wahlkampfauftakt nach Sundhausen und die nnz hat nicht nur im Saal gesessen und zugehört, sondern auch die Gegenseite besucht. Mit stillem Protest wollte man den Gästen der AfD entgegentreten, das hat nicht immer geklappt…

Gegenprotest zur AfD Veranstaltung in Sundhausen (Foto: agl) Gegenprotest zur AfD Veranstaltung in Sundhausen (Foto: agl)


Eines muss man Björn Höcke lassen, er weiß der Klaviatur der AfD die richtigen Töne zu entlocken und sein Publikum in Wallung zu bringen. Frenetisch war der Applaus der knapp 350 Gäste in der Sundhäuser Festhalle gestern mitunter. Was da so gesagt wurde gereicht dem Skeptiker der Alternative eher nicht dazu, die Sorgen zu nehmen. Der „wahre Wahlsieger“ im vergangenen Herbst war nicht der Kandidat der „Kartell-Parteien“ Buchmann, sondern der OB der Herzen, Jörg Prophet, dass viel gescholtene Treffen bei Potsdam das Machwerk linker Regierungsjournalisten, die landesweiten Proteste von der Ampel zur Ablenkung bestellt und wer für Waffenlieferungen ist, der solle bitte selber in den „Krieg der Ukrainer“ an die „Ostfront“, mit dem Gewehr in der Hand.

In der Regierung sitzen Verräter am Volk, im Saal allein tolerante Patrioten und die politische 180 Grad Wende durfte auch nicht fehlen, auch wenn die gestern nicht allein auf die Erinngerungskultur angewendet wurde. Und natürlich „Remigration“, Höcke spielt die Greatest Hits. Man könnte hier noch mehr auflisten, der Kollege Greiner hat das gestrige Geschehen aber bereits umfassend und ausführlich geschildert.

Interessant ist noch, was Herr Höcke in seiner Rede nicht erwähnt, etwa die Zahl derer, die man gerne koordiniert „remigrieren“ würde, Parteikollege Krah - Kandidat der Partei für die Europawahl - identifiziert da, niedergeschrieben Schwarz auf Weiß, ein paar Millionen Menschen, auch deutsche Staatsbürger. Was man mit „Verrätern“ zu tun gedenkt, so man denn selber einmal an den Schalthebeln der Macht ist, bleibt ebenso ungesagt.

Richtig ist, dass man bei „Correctiv“ auch Geld aus öffentlicher Hand erhalten hat. Was Björn Höcke dem Publikum nicht erzählt ist, dass man für diese Erkenntnis selber nicht lange nachforschen muss, die Finanzen sind auf Heller und Pfennig im Netz einsehbar - auf der Website des Collectiv-Konglomerats, das noch ein paar Dinge mehr im Portfolio hat, als Investigativ-Journalimus.

Eine ähnliche Transparenz in der deutschen Parteienfinanzierung könnte für die Demokratie förderlich sein, vielleicht wären das aber auch Informationen, die die Bevölkerung verunsichern könnten. Wer weiß. Nein, laut gesagt wurde nicht alles am gestrigen Abend, aber man darf ja auch heute nicht mehr alles sagen was man denkt, sprach’s vor vollem Hause, laufenden Kameras und zu tosendem Applaus von Hunderten.

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Was ein virtuoses Konzert für die Einen war, dürfte für die Anderen, die gestern ebenfalls nach Sundhausen geladen hatten, eher nach Kakophonie und Katastrophe geklungen haben. Auf rund 300 Protestteilnehmer schätzte die Versammlungsbehörde des Kreises die Anwesenden zu Beginn der AfD Veranstaltung, aufgereiht im Spalier hinter dem Zaun der alten Schule, entlang des Weges zur Festhalle.

Nach knapp zwei Stunden hatten sich die Reihen ob der frischen Abendluft etwas gelichtet, eine erkleckliche Anzahl Hartgesottener hielt der Kälte aber bis zum Ende in der Festhalle stand. Einen „stillen Protest“ hatte das Bündnis „Nordhausen Zusammen“ angekündigt, nur ein wenig Musik und die Worte des Grundgesetzes, eingesprochen von Nordhäusern und per Video an die Wand des ehemaligen Schulgebäudes geworfen, sollten die Gäste der AfD-Veranstaltung zu hören bekommen.

Protestspalier hinter dem Zaun - mit der "Stille" hat es auf Seiten des Bündnisses gestern nicht durchgängig geklappt (Foto: agl) Protestspalier hinter dem Zaun - mit der "Stille" hat es auf Seiten des Bündnisses gestern nicht durchgängig geklappt (Foto: agl)


Das mit der „Stille“ hat nur bedingt geklappt, Sprechchöre und Trillerpfeifen ließ dann doch mancher Demoteilnehmer ertönen, die Ordner hatten ihre liebe Mühe, das Konzept auch durchzusetzen. Dazu hüben wie drüben kleinere Provokationen aber keine besonderen Vorkommnisse, die ein Eingreifen der anwesenden Polizeikräfte erfordert hätte.

Das Bündnis bewertet die Protestaktion als Erfolg, man habe der AfD gezeigt, dass die derzeitige Entwicklung im Land nicht widerstandslos hingenommen würde. „Wir haben auch an diesem Tag Haltung und Gesicht gezeigt, für Demokratie und gegen Hass und Hetze“, teilt das Bündnis mit, man werde sich auch in den kommenden Wochen und Monaten weiter für eine „bunte, lebenswerte und weltoffene Stadt“ einsetzen.

Drei Wahlen stehen in diesem Jahr an - neben der Kommunalwahl im Mai auch die Europawahl im Juni und schließlich die Landtagswahl im September. Reichlich Gelgenheit, die Gemüter des Wahlvolkes zu beschallen. Wessen Konzert am Ende mehr Zuspruch finden, wird an der Wahlurne entschieden. Man darf gespannt sein.
Angelo Glashagel