Nordhausen und seine künstlerischen Werke (10)

Die Friedenssäule

Sonntag
11.02.2024, 14:19 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Möchte die Vorstellung eines Kunstwerkes des Bildhauers, Grafikers und Malers Lothar Rechtacek (1943-2013) in Nordhausen mit einem besonderen Bild des Künstlers beginnen, das er 2010 gemalt hat, als es im Kunsthaus Meyenburg eine Ausstellung über den großen Künstler Adolph Menzel (1815.1905) gab...

Insbesondere wurden die Lichtdrucke von dessen „Kinderalbum“ ausgestellt, aus einer Mappe, die dank des Nordhäuser Kunstvereins, der sie kaufte, in unserer Stadt aufbewahrt werden. Die Originale schuf Menzel für die Kinder seiner Schwester.

Zahlreiche Motive einheimischer und fremder Tiere entstanden vor allem in verschiedenen Zoos. Außerdem wurden Bilder Menzels gezeigt, die er bei einer Reise in den Harz schuf. Darauf sehen wir seinen Wachtelhund Selurri. Jetzt kommen wir zu Rechtacek, der in seiner Kunst die Darstellung von Menschen und Tieren bevorzugte. Wir hatten die Kunstschaffenden unserer Region 2010 gebeten, zu Ehren Menzels ein Bildwerk zu schaffen. Alle beteiligten sich, Rechtacek schuf das farbige Blatt: „Hommage A. Menzel und Selurri“, das sich in den Kunstsammlungen Nordhausens befindet. Das Besondere an dieser Bildfindung ist, dass sich Rechtacek mit einem Augenzwinkern seinem Porträt Menzels annähert.

Lothar Rechtacek, „Hommage A. M. und Selurri“, 2010     (Foto: Menzelblatt) Lothar Rechtacek, „Hommage A. M. und Selurri“, 2010 (Foto: Menzelblatt)


Der Stadtteil Nordhausen-Nord entstand seit 1976 und erfuhr seitdem mehrere Veränderungen. Die Plattenbauweise ist für viele Häuser prägend. Damit die dadurch entstandene Monotonie unterbrochen wurde, legte man Grünflächen an, pflanzte Bäume, vor allem Linden. In einer solchen Lindengruppe befindet sich auf der Höhe der Stolberger Straße seit 1986 eine große Plastik, die aus Beton gegossen wurde, die „Friedenssäule“ des Künstlers Lothar Rechtacek.

Auf einer quadratischen Platte hat der Künstler in der Mitte um einen Baum herum eine Familie gruppiert, Mutter, Vater und drei Kinder unterschiedlichen Alters, einen Hund, die Irish-Setter-Hündin Anja der Familie Rechtacek, ein Katzenpaar, ein Taubenpaar und auf dem Wipfel des Baumes gruppieren sich mehrere Vögel. Dieses Kunstwerk ist ca. 3 m hoch und besitzt einen Umfang von 1,5 m. Schaut man die Skulptur an, so ist man doch traurig, dass viele Einzelheiten der detailreichen Gestaltung im Laufe der Jahre nicht mehr die Möglichkeit haben, eindeutig für sich zu wirken. Moose haben sich angesiedelt, Schmutzpartikel der nahen Stolberger Straße sich daraufgelegt. Errichtet man ein Denkmal, so ist der Besitzer in der Pflicht der Pflege, den Bewohnern gegenüber, dem Künstler und dem Kunstwerk.

„Friedenssäule“, erste Ansicht mit der Frau im Zentrum (Foto: Heidelore Kneffel) „Friedenssäule“, erste Ansicht mit der Frau im Zentrum (Foto: Heidelore Kneffel)


„Friedenssäule“, zweite Ansicht mit dem Mann im Zentrum       (Foto: Heidelore Kneffel) „Friedenssäule“, zweite Ansicht mit dem Mann im Zentrum (Foto: Heidelore Kneffel)


Die Menschen und die Tiere sind eng mit einem Baum verbunden, er gibt ihnen Halt. Bäume gelten seit Menschengedenken als Sinnbild für eine intakte, lebenswerte Umwelt. Im Frieden gedeihen sie natürlich am besten. So sah es auch der Künstler, der seine Figuren voller Vertrauen darum gruppiert hat. Der Natürlichkeit des Baumes gesellt er die Natürlichkeit der Tiere und Menschen hinzu, sie sind im Zustand der Natur. Dem jeweiligen Alter angepasst, zeigen sie sich dem Betrachter in ungezwungener Haltung, sie fühlen sich wohl, sind offen für ein ungezwungenes Leben in einer friedlichen naturnahen Umgebung.

Einer der Bleistiftentwürfe für die Plastik in Nordhausen Nord, entnommen dem Buch „Null Prozent Tarnung - Lothar Rechtacek“, Berlin 2013 (Foto: Heidelore Kneffel) Einer der Bleistiftentwürfe für die Plastik in Nordhausen Nord, entnommen dem Buch „Null Prozent Tarnung - Lothar Rechtacek“, Berlin 2013 (Foto: Heidelore Kneffel)


Die weibliche Figur steht stolz am Baum, um sich zwei ihrer Kinder. Über ihr hat sich eng verbunden ein Katzenpaar im Baum niedergelassen, hinter ihr ragt auf der anderen Baumseite die Schulter ihres Mannes und ein Teil seines Kopfes hervor. Auch er zeigt sich selbstbewusst. Auf einer seiner Schultern trägt er das jüngste Kind, neben ihm sitzt aufmerksam die Hündin Anja. Im Baumgeäst hat sich oberhalb seiner Figur ein Taubenpaar niedergelassen. Fruchtbar ist die Erde und alles, was auf „ihr kreucht und fleucht.“

Für Lothar Rechtacek wurde der Januar zum Schicksalsmonat, am 29.1.1943 wurde er in Teplitz/Teplice geboren, 1945 musste er von dort mit der Mutter und der älteren Schwester fliehen, die faschistische Herrschaft war beendet worden, der 2. Weltkrieg vorbei. Lothar also war ein Kriegskind und kam als Umsiedler in den Südharz nach Niedersachswerfen, wo er die Natur intensiv in sich einsog fürs Leben, insbesondere auf und um den Mühlberg. Nach der Schule absolviert er eine Malerlehre. Im nächsten Lebensabschnitt verpflanzte er sich 1962 nach Ostberlin, studierte Dekorative Malerei an der Fachschule für angewandte Kunst in Potsdam, wechselte 1965 an die Kunsthochschule Berlin Weißensee, um sich der Bildhauerei zu widmen. Weil man ihn dafür als nicht genug geeignet empfand, wandte er sich dem bereits anerkannten Bildhauer Gerhard Rommel zu (1934 - 2014), der Fritz Cremer (1906 - 1993) und Theo Balden (1904 - 1995) als Lehrmeister gehabt hatte. Auch in Werner Stötzer (1931- 2010) fand er einen begnadeten Mentor. Ab 1971 war er freischaffender Künstler, engagierte sich künstlerisch vielfach. Für den Tierpark unter der Leitung des berühmten Prof. Dr. Dr. Heinrich Dathe (1910 - 1991) schuf er z. B. einige Tierskulpturen.

So bestens ausgerüstet, arbeitete er mit Rommel am Wiederaufbau des kriegszerstörten Schauspielhauses/Konzerthauses am Gendarmenmarkt in Ostberlin, speziell am „Apollogespann mit den zwei Greifen“ von Christian Friedrich Tieck (1776 – 1851). Während der Arbeitspausen übte er sich, um bei Kräften zu bleiben, im Pfeilschießen.

Rechtacek und Rommel während ihrer Arbeit am „Apollogespann“, entnommen aus dem bereits erwähnten Rechtacek-Buch von 2013 (Foto: Heidelore Kneffel) Rechtacek und Rommel während ihrer Arbeit am „Apollogespann“, entnommen aus dem bereits erwähnten Rechtacek-Buch von 2013 (Foto: Heidelore Kneffel)


In Berlin hatte er seine Frau Elke kennengelernt, tierliebend wie er. 1984 zogen sie in den Südharz, nach Heringen in Waldesnähe, wo auch ihre Doggenzucht gedeiht. In Berlin hatte er sich auch in der Graphik und Malerei vervollkommnet. Die Darstellung von Menschen und Tieren waren ihm wichtig und begleiteten ihn lebenslang. Aktdarstellungen, insbesondere von Frauen, sind eines seiner Markenzeichen. Er beherrscht zahlreiche künstlerische Techniken und besitzt ein umfängliches Allgemeinwissen. Das kam z. B. Jugendlichen über Jahre während seiner Dozentenzeit in der Jugendkunstschule in Nordhausen zugute. Mich interessieren vor allem seine vielfältigen Tierdarstellungen, die großen Einfallsreichtum und Einfühlung in die Dargestellten zeigen.

1989 zogen die Rechtaceks in eine alte Wassermühle mit einer größeren Landfläche vor das Dorf Holbach, wo ihre Tiere gedeihen können. Umschreiten wir die große Plastik Schritt für Schritt, um die Fülle der Figuren zu erfassen. Vielleicht erheben sich die Vögel zwitschernd in die Lüfte, bellt der Hund uns Erfreuliches zu. Mir fällt der von mir erweiterte Spruch ein: Friede auf Erden, der Natur, den Menschen und Tieren, die auf ihr leben, ein Wohlgefallen!

PS Leider baute die SW 2023 in der Blickrichtung auf die Säule auffällige wuchtige gelbe Tafeln mit schwarzer Schrift in das parkähnliche Areal. Damit das Kunstwerk wieder in den Mittelpunkt rücken kann durch sein Leuchten, wäre eine Restaurierung angezeigt, bald. Leider kennt man den Etat im Haushalt nicht, wo die Ausgaben zur Pflege der zahlreichen Kunstwerke eingestellt worden sind. Sie prägen entscheidend mit, was man als das Wohlgefühl in einer Stadt empfinden kann.
Heidelore Kneffel