Forum Geschichte

Karpfen und NS-Musterbetrieb

Sonnabend
10.02.2024, 11:40 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Mitunter überrascht Tim Schäfer eine Recherche. Zu einem Werk bei Nordhausen am Kohnstein, welches in mehrerer Hinsicht Teil einer insbesondere schrecklichen Phase grauenhafter Zwangsarbeit am Kohnstein im Nationalsozialismus wurde. Selten erwähnt, sogar als sogenannter "NS-Musterbetrieb"…

Das Gipswerk Niedersachswerfen gehörte um 1938 zur Ammoniakwerk Merseburg GmbH. Für Nazideutschland wurde man, neben der Funktion eines Rohstofflieferanten für Dünger oder Sprengstoffe, auch wegen des geheimen Lagerprojektes „Sachsenberg“ der Wifo für Reichsreserven an Öl- und Schmierstoffen, bekannt.

Später stand das Gipswerk Niedersachswerfen in Beziehungen zum KZ Mittelbau-Dora und in grauenhaften Verhältnissen wurden KZ-Häftlinge zur Zwangsarbeit eingesetzt. Insbesondere im Stollenbau für Projekte wie B11, im Werk selbst oder zu Infrastrukturprojekten.

Ein weniger bekannter Fakt der Jahre um 1937/38 Nazi-Deutschlands erschließt sich nunmehr für uns aus Fotoaufnahmen, die in sogenannter Stereo- Aufnahme als Raumbilder aufgetaucht sind. Da existieren mehr als 35 Aufnahmen, die in einem Band III der Reihe „NS-Musterbetriebe 1937-38“ enthalten sind. Das Gipswerk Niedersachswerfen also „ausgezeichnet“ wurde, als NS-Musterbetrieb zu gelten. Später hat man das nicht mehr so gerne in den Betriebschroniken erwähnt.

Die Aufnahmen des Musterbetriebs zeigen neue Gebäude und moderne Ausrüstungen der Zeit, den Kohnstein, Niedersachswerfen und mehr. Stolz war man seinerzeit auf ein modernes Sani-Zimmer, ein eigenes Freibad, die Lehrlingsausbildung, die Werkssiedlung und mehr. Das Gipswerk war als Arbeitgeber attraktiv und bot weitere Vorteile für die Beschäftigten, wie Zuschüsse, Weiterbildung auch gestützte Urlaubsreisen. Selbst aus einer eigenen Karpfenzucht sind an die Belegschaft die beliebten Speisefische abgegeben worden.

Die Aufnahmen im Gipswerk Niedersachswerfen wurden über Photo Heinrich Hoffmann, München seinerzeit ausgefertigt und publiziert. Jener Fotograf und Verleger, der heute in Dokumentationen als Fotograf Adolf Hitlers benannt wird. Die Raumbildwerke aus der Zeit sind selten. Für die Heimatgeschichte ist ein solches Stereo Raumbild Foto "Die NS-Musterbetriebe 1937-38" Nr. 461 III/151, Gipswerk Niedersachswerfen - Ammoniakwerk Merseburg GmbH, Anhydritzug auf dem Wege zum Brechereigebäude“ gesichert worden. Die Aufnahme wird der Chronik zugeführt, somit kann auch dieser Aspekt zur Heimatgeschichte von Niedersachswerfen der Nachwelt anschaulich überliefert werden.
Tim Schäfer