Trübe Aussichten bei Nordthüringer Unternehmen

Vorfahrt für die Wirtschaft

Freitag
09.02.2024, 17:23 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Die deutsche Wirtschaft ist in den letzten Jahren von einer Krise in die nächste gelaufen. Die Aussichten der Unternehmen für die kommenden Monate sind auch in Nordthüringen nicht erbauend, wie eine Umfrage der Industrie- und Handelskammer zeigt. Aber man macht sich auch Gedanken, wie man aus der Misere wieder herauskommt…

Steckt die Wirtschaft in der Sackgasse? Nordthüringer Unternehmer fordern Kurskorrektur (Foto: agl) Steckt die Wirtschaft in der Sackgasse? Nordthüringer Unternehmer fordern Kurskorrektur (Foto: agl)

In den letzten Wochen hat die Industrie- und Handelskammer (IHK) insgesamt 60 Unternehmen im Landkreis nach ihrer wirtschaftlichen Prognose für die kommenden Monate gefragt, knapp 30 haben geantwortet . Als Bezugsgröße ist das überschaubar, die Aussagen sind aber auch ohne breitere Datenbasis recht eindeutig, erläuterte heute Christian Böduel, Leiter des Nordthürringer Regionalbüros der Kammer.

Die gegenwärtige Geschäftslage wird von der Mehrheit zwar noch als „befriedigend“ beschrieben, die Zahl derer, die eher schlechte Aussichten sehen ist im Vergleich zum Vorjahr aber stark angestiegen. Über die Hälfte der Befragten rechnet mit einer schlechteren Geschäftsentwicklung in den nächsten 12 Monaten, an Besserung glaubt fast niemand. Immerhin, ihre Beschäftigten wollen die Unternehmen in deutlicher Mehrheit halten.

Der Vizepräsident der Thüringer IHK, Ulrich Schlegel, selber Baustoffhändler aus der Region, sieht auch deutlich woher die Zurückhaltung in den Personalabteilungen kommt. „Die Fachkräfteproblematik wird von niemanden in Frage gestellt, mittel- bis langfristig bleibt das ein Problem. Die Unternehmen halten ihr Personal, weil man nicht sicher sein kann, das man Fachkräfte die einmal gehen lässt wieder bekommt wenn sich die Lage bessert. Aber das kostet Geld. So lange die Auftragsbücher voll waren, ging das gut, inzwischen werden die Herausforderungen größer. Die Fachrkäftefrage ist gerade nicht unser Hauptproblem.“

Im Nordthüringer Unternehmerverband teilt man die Einschätzung der Kammer, Pessimismus sei zur Zeit an der Tagesordnung, sagt dessen Vorsitzender, Niels Neu. „Wir waren bei der Wirtschaft mal Klassenbester. Jetzt sind versetzungsgefährdet.“, sagt der Bauunternehmer. Immer neue Steuererhöhungen würden in den jetzigen Phase das Konsumverhalten nur weiter drücken und neben den Energie- und Rohstoffpreisen ist es vor allem die wegbrechende Inlandsnachfrage, die der Wirtschaft im Thüringer Norden auf die Bilanz schlägt.

Die Gründe für die Misere sieht man in falschen, politischen Weichenstellungen, allem voran in einer verfehlten Klimapolitik. Vorhaben wie das Heizungsgesetz müssten dringend und zügig zurückgedreht werden. Das Geld, so Schlegel, müsse man „für die richtigen Sachen“ ausgeben, also Vorhaben, die auf die Wertschöpfung im Land einzahlten. „Vorfahrt für die Wirtschaft“, müsse die Devise jetzt lauten. Zu dem zu hebenden Potential gehören laut dem Thüringer IHK Vize auch die „fünf Millionen arbeitsfähiger Bürgergeldempfänger, die am Morgen liegen bleiben“ - Leistung müsse sich lohnen - man spielt die alten Hits.

v.r.: Christian Böduel, Regionalleiter der IHK, der NUV Vorsitzende Niels Neu und der Vizepräsident der IHK Thüringen, Ulrich Schlegel (Foto: agl) v.r.: Christian Böduel, Regionalleiter der IHK, der NUV Vorsitzende Niels Neu und der Vizepräsident der IHK Thüringen, Ulrich Schlegel (Foto: agl)


Also Lohnerhöhungen für die, die „Leistung“ zeigen und staatliche Neuverschuldung zwecks Investitionsschub? Nein, an die Schwarze Null und das Lohnniveau will man nicht heran. Der Staat habe kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem, erläutert Niels Neu, trotz Rekord-Steuereinnahmen gelinge es aktuell nicht, die Mittel effektiv zu verteilen. Dringend geboten wäre flankierend ein ernstzunehmender Abbau bürokratischer Hürden, etwa in der Aktivierung von Arbeitskräften. Gute 50 Prozent der erwähnten Bürgergeldempfänger dürfen laut den geltenden Regularien gar nicht am Arbeitsleben teilnehmen, so Neu weiter.

Lösungen vor Ort schaffen
Nun wird man die Berliner Wirtschaftspolitik kaum von einem Regionalbüro am Südharzrand umkrempeln können. Aber es gebe Mittel und Wege, lokal aktiv zu werden um aus der Misere herauszukommen oder ihr zumindest proaktiv zu begegnen. IHK und NUV planen in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit ein Pilotprojekt, das darauf abzielt speziell ukrainische Geflüchtete Abseits der Vorgaben zum Spracherwerb in Arbeit zu bringen. Denkbar sei der Einsatz im Servicebereich, in der Landwirtschaft, im Baubereich oder anderen Branchen, die nicht zwingend die perfekte Beherrschung der deutschen Sprache voraussetzen. Mit rund 20 Personen würde man beginnen wollen, erläuterte Neu, die Vermittlung in Unternehmen ließe sich ohne weiteres arrangieren. Vorteile sieht man für alle Beteiligten - Sprachtraining „on the job“ für die neuen Arbeitskräfte, weniger Steuerlast für den Staat, mehr Hände für die Unternehmen.

Auch anderweitig könne man der gebeutelten Wirtschaft in der Region unter die Arme greifen. Größere Bauvorhaben, wie unter anderem die Sanierung der B4, müssten zügiger geplant und abgeschlossen werden. „Es finden sich immer Gründe, warum etwas nicht geht. Es wäre gut, wenn diese Dinge mit mehr Fingerspitzengefühl gehandhabt würden. Allein die lange Sperrung der B4 kostet die Bauwirtschaft richtig Geld, rund zwei Euro pro Tonne für die zwanzig Kilometer Umleitung und der Bausektor ist einer der größten Motoren der Region.“, erklärt Neu. Derweil werde man die Fachkräfteproblematik nicht außen vor lassen, die IHK gehe weite Wege, um dem zu begegnen, bis nach Kasachstan und in die Mongolei, ergänzt Schlegel. Gute Erfahrungen hat man mit den Kooperationspartnern aus dem Osten bereits gemacht, nicht nur an der Hochschule sondern auch in Betrieben wie Schachtbau, deren Kontakte in die Ferne historisch gewachsen sind.

Der Mittelstand hält Stand
Patentlösungen für die trübe Gesamtlage hat niemand in der Schublade, die möglichen Ursachen und tieferliegenden Probleme sind zu komplex, als das sie sich regional aus dem Weg schieben ließen. Was man dennoch nicht verloren habe, sei der dem Unternehmer eigene Optimismus, sagt Ulrich Schlegel. „Wir sind eine ländliche und beschauliche Region. Das heißt wir treiben nicht jeden Hype bis an die Spitze aber wir schlagen in der Regel auch nicht ganz bis unten durch, wenn es mal nicht so läuft. Die Region hat gute Chancen, auch durch diese Krise durchzukommen.“ Der NUV kann sekundieren, es kommen auch wieder bessere Tage, ist sich Niels Neu sicher: „Die Stärke des Landes war immer der Mittelstand - vor Ort verankert, familiär aufgestellt, mit Verantwortung für die eigenen Mitarbeiter und die Region.“ Die großen Konzerne mögen beim ersten lauen Lüftchen weiter ziehen, der Mittelstand könne gar nicht anders, als dem Sturm zu trotzen. So war es in der Vergangenheit und es gibt keinen Grund, dass es sich in Zukunft anders verhalten würde.
Angelo Glashagel