Artenschutz am Jägerfleck

Mähen auf dem Todesstreifen

Montag
05.02.2024, 08:06 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Vor 35 Jahren wurde die ehemalige DDR-Staatsgrenze durch den Mauerfall zum Grünen Band. Aber erst nach rund 30 Jahren wurde sie in Thüringen als Nationales Naturmonument ausgewiesen. Viele wertvolle Flächen sind in dieser langen Zeit verschwunden, - und dem stemmt sich der BUND-Kreisverband entgegen...

Im Bereich zwischen Kolonnenweg, Grenzzaun und der eigentlichen DDR-Grenze mit den Grenzpfählen befand sich ein abgeholzter, vegetationsarmer und teils gepflügter, bis zu 100 Meter breiter Streifen. Als naturschutzfachlich besonders wertvoll erweisen sich dabei unter anderem die so entstandenen, mageren und lückigen Bereiche. Nach dem Ende der Grenze setzte dort eine Wiederbewaldung ein, die durchaus positiv zu bewerten ist. Jedoch wurden auch die artenreichen Magerrasen dadurch, oder aber durch ungeeignete landwirtschaftliche Nutzung, zunehmend verdrängt.

Zwar betonten Politiker und Wissenschaftler schon kurz nach der Wende den ökologischen Wert des Grenzstreifens und auch die Notwendigkeit, diesen zu erhalten und zu fördern; Magerrasen, bzw. magere, blütenreiche (Berg)wiesen an der Grenze jedoch wurden durch fehlende oder falsche Maßnahmen seltener und seltener, wodurch es, entgegen den Mahnungen, zu starken Biodiversitätsverlusten gekommen sein dürfte. -

Die gemähte Bergwiese im ehemaligen Grenzstreifen vor der Mahd (Foto: Bodo Schwarzberg) Die gemähte Bergwiese im ehemaligen Grenzstreifen vor der Mahd (Foto: Bodo Schwarzberg)


Am nordwestlich von Rothesütte an der B4 gelegenen Dreiländereck Thüringen / Sachsen-Anhalt / Niedersachsen haben sich bis heute wenigstens Relikte von einst im Zuge des Grenzregimes extensiv genutzten Bergwiesen erhalten. Seit Jahren werden auch sie, Grünes Band hin oder her, nicht bewirtschaftet und der Wald holt sich diese Bereiche zurück. Auch hier drohen Artenverluste.

Mitglieder und Freunde des BUND-Kreisverbandes Nordhausen wollen dieser Entwicklung nicht länger zusehen. Denn bei einer Begehung mit Behördenvertretern vor wenigen Monaten wurde deutlich, dass es auf Thüringer Seite nur schwer möglich ist, eine art- und biotopgerechte Bewirtschaftung der Magerrasenrestflächen im Bereich des Kolonnenweges und auch benachbarter Bergmähwiesen zu organisieren.

Wo der Staat im Naturschutz nichts bringen kann, muss, wie so oft im kontinuierlichen, praktischen Artenschutz, also notgedrungen das Ehrenamt einspringen.
Am vergangenen Sonnabend mähten fünf Mitglieder und Freunde des BUND-Kreisverbandes be ihrem 183. Pflegeeinsatz daher absprachegemäß einen 1.200 Quadratmeter großen, am Jägerfleck befindlichen Magerrasen, dessen artenschutzseitig negative Entwicklung sich in den vergangenen Jahren durch Mulchen, also Mahd und Liegenlassen des Mähgutes, noch beschleunigt hatte.

 und rund sechs Stunden später nach der Mahd.  Rechts ist der frühere Kolonnenweg zu sehen. (Foto: Bodo Schwarzberg) und rund sechs Stunden später nach der Mahd. Rechts ist der frühere Kolonnenweg zu sehen. (Foto: Bodo Schwarzberg)


Im vergangenen Jahr konnten dort aber noch seltene Arten wie das Spitzflügelige Kreuzblümchen (Polygala vulgaris ssp. oxyptera) und der Kühlezeiger Hallers Schaumkresse (Cardaminopsis halleri) nachgewiesen werden.

Bei andauerndem Nieselregen versetzten wir innerhalb von sechs Stunden den ehemaligen Grenzstreifenbereich unentgeltlich unter Einsatz von zwei starken Freischneidern, mehreren Profiharken und Heugabeln wieder in einen kurzrasigen, lückigen Zustand, so dass sich, kontinuierliche, jährliche, einschürige Mahd vorausgesetzt, in den kommenden Jahren konkurrenzschwache Bergwiesenarten und damit auch zahlreiche Insektenarten etablieren können.

Erschwert wurden die Arbeiten durch das mit Wasser vollgesogene und dadurch schwere Mähgut und durch die Tatsache, dass die letztjährige, abgestorbene Pflanzenmasse durch Schnee und Frost dem Boden bereits flach auflag.

Gegen Mittag machten wir eine ausgiebige Pause in der wohltuend trockenen Schutzhütte am Jägerfleck, die im Gegensatz zu zahlreichen anderen derartigen Schutzeinrichtungen im Nordhäuser Südharz noch nicht abgerissen wurde. Mehrere andere, so im Brandesbachtal, am Poppenberg und am Schwarzen Weg, hatten weniger Glück; sie wurden, trotz zunehmender Wetterextreme in der letzten Zeit durch zugige, überdachte Sitzbänke ersetzt, was in anderen Wandergebieten Mitteldeutschlands meist unüblich, da nicht wandererfreundlich ist.

Die obengenannte, für wirksamen Artenschutz dringend notwendige Kontinuität geeigneter Maßnahmen ist übrigens das größte Problem. Sie ist zwar DAS Markenzeichen und der große Wert unserer ehrenamtlichen Artenschutzeinsätze, da sie nicht von zeitlich begrenzt und oft einmalig gewährten Projektmitteln abhängig sind. Der BUND-Kreisverband jedoch pflegt bzw. betreut mittlerweile und seit vielen Jahren um die zwei Dutzend naturschutzfachlich wertvoller, artenreiche Reliktflächen und konnten so den Artenrückgang stellenweise nachweislich stoppen. Wir können dies aber nicht unbegrenzt auf immer neue Flächen erweitern. Hier muss die Politik zu ihrem Wort stehen, und das Nationale Naturmonument im wahrsten Sinne des Wortes nachprüfbar, effektiv und kontinuierlich abgesichert, mit Leben erfüllen. Und die Behörden sowie die Landschaftspflegeverbände müssen dies aktiv, auch finanziell, unterstützen.

Wir vom BUND-Kreisverband ergreifen hier praktisch zunächst weiter die Initiative und werden zumindest auf Thüringer Seite in den nächsten Wochen, je nach Wetter, noch zwei weitere Relikt-Magerrasen am Jägerfleck mähen. Eventuell treten wir hierzu auch mit Behörden benachbarter Bundesländer in Kontakt. Ob wir am Jägerfleck auch in Zukunft im Interesse der Arterhaltung tätig sein müssen, wird die Zukunft zeigen. Jedoch wäre es allein schon auf Grund der historischen Bedeutung des Jägerflecks am Dreiländerweck und auf Grund des nun erklärten Nationalen Naturmonuments, dringend notwendig, gerade dort die letzten Magerrasen staatlicherseits zu erhalten.

Für unsere Einsätze suchen wir weiterhin Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die bei unseren Einsätzen für einige Stunden eine körperlich und seelisch wohltuende Auszeit vom Alltag nehmen und zugleich etwas für die Natur und die vielen bedrohten Arten tun möchten. Kontakt: bodo_schwarzberg@yahoo.de.
Bodo Schwarzberg
BUND-Kreisverband Nordhausen