Solidaritätsbekundungen mit Landwirten und Mittelstand in Bad Langensalza

Kundgebung gegen Regierungspolitik auf dem Neumarkt

Donnerstag
11.01.2024, 17:55 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Nachdem Bad Langensalzas Bürgermeister Matthias Reinz bereits Ende 2022 zu mehreren Demonstrationen gegen die seiner Meinung nach falsche Politik der Berliner Ampel-Koalition aufgerufen und dabei für deutschlandweites Interesse gesorgt hatte, wird es nun am 22. Januar um 16.30 Uhr auf dem Langensalzaer Neumarkt eine Neuauflage der Protestveranstaltungen geben…

Damals waren jeweils mehrere Hundert Bürger dem Aufruf gefolgt, mit ihrer Teilnahme ein Zeichen der Unzufriedenheit mit der zu starken Verteuerungen führenden Energiepolitik im Bund zu setzen. Nun soll eine Lanze für die Landwirte und den regionalen Mittelstand gebrochen werden. Die uhz befragte den Bürgermeister, der sich in vier Monaten zur Wiederwahl stellt, nach seinen Motiven.

Bürgermeister Matthias Reinz hier als Treckerfahrer beim Brunnenfest (Foto: oas) Bürgermeister Matthias Reinz hier als Treckerfahrer beim Brunnenfest (Foto: oas)

uhz online: Herr Reinz, für den 22. Januar haben Sie eine Kundgebung auf dem Langensalzaer Neumarkt anberaumt. Wer ist Anmelder der Veranstaltung und wer sollte aus Ihrer Sicht daran teilnehmen?
Matthias Reinz: Anmelder der Veranstaltung bin ich als Bürgermeister der Stadt. Denn inzwischen geht es nicht mehr nur um die Energiekosten wie noch 2022. Ich bin als Bürger genauso betroffen wie als Bürgermeister der Stadt Bad Langensalza, die mit den Auswirkungen einer mittelstandsfeindlichen Politik konfrontiert wird und die teuren Konsequenzen tragen muss.

Das Motto Ihrer Kundgebung "Deutschland schafft sich ab!" ist einem Bestseller-Buchtitel des SPD-Rebellen Thilo Sarrazin entlehnt. Hat die Wahl dieser Überschrift eine mehrfache Bedeutung?
Nein. Ich beziehe dieses Motto nicht direkt auf das Buch von Sarrazin. Aber der Ausspruch trifft es leider im Kern, was gerade passiert. Ich will mit dem Motto aber niemanden provozieren.

Die Solidarität mit den Landwirten ist in einer agrarwirtschaftlich geprägten Region wie dem Thüringer Becken naheliegend. Wie wollen und können Sie die Forderungen der Bauern und Transportunternehmen unterstützen?
Wir sind als Stadt selbst Verpächter einiger Flächen an Landwirte und insofern direkt betroffen. In unserer Region werden von kleineren Landwirtschaftsbetrieben wichtige Lebensmittel produziert. Und wir haben eine Menge Transportunternehmer vor Ort. Das sind alles Unternehmen, die hier Steuern zahlen und jetzt am Rande der Existenzvernichtung stehen. Die erhöhte Mautgebühr, die ständig steigende CO2-Bepreisung, jetzt die Einschränkungen der Vergünstigungen bei den Bauern: das alles steigert am Ende die Kosten der Verbraucher, also auch der Kommunen. Was zwangsläufig bleibt sind dann auch hier höhere Hebesätze für die Grundsteuer, steigende KiTa-Gebühren, Wasser- und Abwasserpreise. Jede freiwillige Leistung der Stadt wird durch die Inflation in allen Bereichen in Frage gestellt. Das ist kein Zustand, den wir uns wünschen.

In reichlich vier Monaten stellen Sie sich zur Wiederwahl als Bürgermeister. Fürchten Sie nicht mit so klaren Positionierungen den Unwillen der im Land und Bund regierenden Parteien herauszufordern und dadurch für die Stadt Bad Langensalza ungünstigere Förderbedingungen zu provozieren?
Zuerst einmal bin ich Kommunalpolitiker und von den Menschen hier gewählt worden. Und weil ich merke, dass es diesen Leuten nicht gut geht, mache ich von meinem Grundrecht Gebrauch und protestiere gegen diese Entwicklungen. Gerade die kleine Einkommen haben jetzt am meisten zu leiden. Was die Fördermittel betrifft, so tun ja einige Politiker so, als wäre es ihr eigenes Geld, was sie da verteilen. Aber es sind alles Steuergelder und diese Steuern müssen erst einmal erwirtschaftet werden. Unser Stadthaushalt steht momentan nicht gut da; es stellt sich die Frage nach neuen Förderungen derzeit nicht.

Was sagen Sie ihren Kritikern, die eine Protestkundgebung ablehnen?
Ich greife niemanden persönlich an und ich stelle die demokratische Grundordnung nicht in Frage. Aber es ist mein Recht, auf Missstände aufmerksam zu machen. Natürlich trage ich die Konsequenzen für mein Handeln selbst. Und wenn ich mich dadurch politisch ins Abseits stelle, dann ist das eben so. Wir leben in einer Zeit des Umbruchs und ich bin der Meinung, es kann kein „Weiter so“ geben wie in den letzten Jahren.

Was wollen Sie dagegen tun, dass die Versammlung von Reichsbürgern, Rechtsextremen, Verschwörungstheoretikern und anderen Leuten mit „Umsturzphantasien“ (wie es Bundeswirtschaftsminister Habeck ausdrückte) unterwandert und für deren Zwecke benutzt wird?
Es ist nicht auszuschließen, dass solche Menschen unter den Teilnehmern sind. Man kann ja niemandem hinter die Stirn sehen. Bisher haben wir auf den drei vorangegangen Demos keine schlechten Erfahrungen gemacht. Natürlich distanziere ich mich von Extremisten aller Couleur und wünsche auch keine Fahnen und Flaggen zur Kundgebung.

Warum soll die Kundgebung gerade an einem Montagabend stattfinden? Wollen Sie die Tradition der Montagsdemonstrationen wiederbeleben?
Es geht hier nicht um eine Revolution und ich will nicht, dass die Demokratie Schaden nimmt. Der Montagstermin hat keine tiefere Bedeutung. Durch den Protest der Bauern und Transportunternemer wird aber immer klarer, dass viele Menschen unzufrieden sind. Wir geben als Land unseren Wohlstand und unsere florierende Wirtschaft auf, die über viele Jahre gewachsen sind. Ich befürchte, dass noch weitere Betriebe ihre Steuern an die Stadt nicht mehr zahlen können und die Krise sich vertieft, wenn nicht sofort gegengesteuert wird.

Gibt es schon eine Rednerliste für den 22. Januar?
Der Mühlhäuser Unternehmer Günter Oßwald von Federn Oßwald, einem renommierten Familienunternehmen, wird sprechen. Ein sehr sympathischer Mensch und ein absoluter Macher, der vor kurzem sogar das Bundesverdienstkreuz erhielt. Außerdem erwarten wir einen hochrangigen Vertreter der Kreisbauernschaft und ich selbst werde mich auch an die Bürgerinnen und Bürger von Bad Langensalza wenden.

Das Gespräch mit Matthias Reinz führte Olaf Schulze