nnz-Zusammenfassung der Ereignisse in Thüringen und bundesweit

Ein bewegender Tag, an dem sich nicht viel bewegte

Montag
08.01.2024, 18:32 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Bundesweit waren heute Traktoren und Trucks unterwegs, um gegen Subventionskürzungen und die Politik der Bundesregierung zu demonstrieren. In einem bisher einzigartige Aktionstag legten sie Städte und viele Straßen lahm. Es kam zu massiven Behinderungen. Weitere Proteste wurden heute bereits angekündigt …

Seit dem frühen Morgen waren die Bauern wie hier bei Bleicherode unterwegs (Foto: S.Dietzel) Seit dem frühen Morgen waren die Bauern wie hier bei Bleicherode unterwegs (Foto: S.Dietzel)

Wie die Zeitschrift „agrar heute“ berichtet, haben heute „im nahezu gesamten Bundesgebiet Landwirte ihrem Ärger Luft gemacht und sind für ihre Interessen auf die Straßen gegangen. Mit dabei waren vielerorts Spediteure. Es kam zu Blockaden: In Hamburg und Bremen sollen es jeweils gut 2000 Traktoren gewesen sein. In München 7000, in Berlin fast 600, in Stralsund 1000. Die Städte Brandenburg und Cottbus sollen zeitweise komplett abgeriegelt gewesen sein.“
Trotz der Massenproteste, die ein bisher in Deutschland ungekanntes Ausmaß annahmen, hält die Bundesregierung an ihrem jüngsten Haushaltsplan fest. Heute hat sie eine sogenannte Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf beschlossen, berichet „agrar heute“ weiter. Mit diesem Papier wird das Bundeskabinett in den Bundestag gehen, der den Haushalt absegnen muss. Mit auf dem Zettel stehen nach wie vor die schrittweisen Kürzungen der Agrardiesel-Subventionen.
Ministerpräsidenten einzelner Länder solidarisieren sich heute mit den Landwirten und forderten eine Rücknahme der Kürzungspläne und den Dialog mit den Landwirten. Die Landeschefs des Saarlandes, Brandenburgs, Niedersachsens und Schleswig-Holsteins äußerten sich alle in dieser Richtung.

In Thüringen erstreckten sich die Protestaktionen von Suhl bis Nordhausen und von Uder bis Gera über das ganze Land. Schon am Morgen hatten Unbekannte vor den Wahlkreisbüros der Parteien SPD, Linke, FDP und Grüne in Suhl Mist abgekippt. "Wir sehen einen Zusammenhang mit den Bauernprotesten", hieß es aus Polizeikreisen.
Es handle sich bei dem Unrat um jeweils ein mal ein Meter umfassende Misthaufen, die direkt in den Eingangsbereichen platziert worden seien. Die Polizei ermittelt dazu.
Bei der zentralen Kundgebung der Landwirte und Spediteure in Erfurt mit bis zu 4.500 Personen und 2.000 Fahrzeugen wurde Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) von den Teilnehmern ausgepfiffen. Laut MDR seien „laute Rufe wie "Buh! Hau ab!", "Lügner" und "Volksverräter" aus der Menge zu hören“ gewesen. Ein Appell des Thüringer Bauernpräsidenten Klaus Wagner, sich gegenseitig zuzuhören habe kaum Wirkung gezeigt, berichtet der öffentlich-rechtliche Sender.

Der Vorsitzende der Thüringer CDU, Mario Voigt, hat heute an der Seite der Thüringer Landwirte gegen die Streichung der Agrarhilfen durch die Ampel-Regierung protestiert und um Verständnis für die entstandenen Verkehrsbehinderungen geworben: „Wir stehen an der Seite der Thüringer Bauern und solidarisieren uns mit ihrem Protest. Unsere Haltung ist klar: Diese Politik gegen die Fleißigen in unserem Land muss endlich ein Ende haben. Die heutige Demo verlief mehr als anständig. Allen Versuchen, die Landwirte und ihren friedlichen Protest in Misskredit zu bringen, werden wir uns entgegenstellen. Trittbrettfahrer gibt es leider immer. Für diese Trittbrettfahrer dürfen aber nicht alle in Geiselhaft genommen werden. Was die Ampel macht, ist völlig überzogen. Ihr fehlt jedes Gespür für die Sorgen und Existenzängste der Leistungsträger in unserer Gesellschaft. Die in Aussicht gestellten Korrekturen reichen nicht. Die Streichung der Hilfen für die Landwirte muss deshalb komplett zurückgenommen werden“, sagte Voigt.

Im Namen der in der Berliner Ampelregierung mitregierenden FDP erklärte Thomas L. Kemmerich, Vorsitzender der FDP im Thüringer Landtag zu den Protesten: „All der grüne Eifer funktioniert nicht – auch nicht in der Agrarpolitik! Die stete Verunsicherung der Bauern muss ein Ende haben. Sie benötigen faire Rahmenbedingungen statt eines unablässigen Kuhhandels um Steuermillionen. Das Streben der Politik sollte darin bestehen, ihnen das Leben nicht schwerer zu machen, sondern leichter. Wer unser Land ernährt, verdient Respekt! Noch dazu leisten die Bauern seit eh und je einen elementaren Beitrag zum Erhalt und zur Pflege unserer Kulturlandschaften. Ich stehe an der Seite all der Bauern, die für ihre berechtigten Interessen friedlich demonstrieren.“

Vertreter der Berliner Kanzlerpartei SPD sprachen sich dafür aus, dass die Bauern Gehör finden müssten. Der Thüringer Landwirtschaftspolitiker Lutz Liebscher unterstrich: „Es wird höchste Zeit, dass die Erzeugerpreise an die Realität angepasst werden. Das Höfesterben geht unvermindert weiter, Fachkräfte fehlen und zugleich braucht es Investitionen, um auch zukünftig Landwirtschaft in Deutschland zu ermöglichen. Kurz gesagt: Es bedarf einer fairen Wertschöpfungskette, in der das Geld nicht hauptsächlich im Handel bleiben darf. Nur so können wir eine vielfältige Kulturlandschaft erhalten, die Menschen, welche in und mit dieser wirtschaften auskömmlich ernährt. Die wachsenden Ansprüche an eine naturverträgliche, nachhaltende und tierwohlorientierte Landwirtschaft müssen wir als Gesellschaft honorieren und zugleich wollen wir auch weiterhin die regionale Nahrungsmittelversorgung erhalten.“

Liebscher forderte das Aussetzen der Schuldenbremse, die eine „Planungssicherheit“ verhindere. Die Maßnahmen seiner Berliner Kollegen und ihrer Koalitionäre aus der Partei der GRÜNEN und der FDP verteidigte er wie folgt: „Die Ampelkoalition hat die geplanten Einsparungen teilweise zurückgenommen. Jetzt muss an anderer Stelle gekürzt werden. Wir wollen Planungssicherheit für die Betriebe wieder in den Mittelpunkt des Handelns stellen und zugleich gesellschaftliche Aufgaben an die Landwirtschaft auskömmlich finanzieren. Hier hindert uns als Gesellschaft die Schuldenbremse, welche die notwendigen Investitionen für die nächsten Jahrzehnte einzig auf die Mittel der Gegenwart beschränkt. Ein Haus, was ein Leben lang halten soll, kann ich in der Regel auch nicht aus den laufenden Einkommen finanzieren. Hier braucht es einen Zukunftskredit.“

Die Thüringer Regierungspartei DIE LINKE und ihr Koalitionspartner DIE GRÜNEN habe sich bisher nicht per Pressemeldungen zu den Ereignissen des heutigen Tages zu Wort gemeldet.
Olaf Schulze