Rück- und Ausblick auf den Arbeitsmarkt

Der Blick in die Glaskugel

Mittwoch
03.01.2024, 13:00 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Das zurückliegende Jahr war kein leichtes und das spiegelt auch die Jahresbilanz der Agentur für Arbeit wieder. In den vier Nordthüringer Kreisen zählte man rund 12.700 Arbeitslose. Agenturchef Karsten Frohböse mahnt im Jahresrückblick aber zu dringend nötiger Differenzierung...

Arbeitsmarkt aktuell (Foto: Agentur für Arbeit) Arbeitsmarkt aktuell (Foto: Agentur für Arbeit)


Nordthüringer Arbeitsmarkt im Dezember 2023
Im Dezember gab es den saisontypischen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Er war dieses Jahr etwas geringer als letztes Jahr. Im gesamten letzten Jahr ist die Arbeitslosigkeit aber allen voran durch Flucht, Migration und die schleppende Konjunktur gestiegen. 12.683 Männer und Frauen waren zum Jahresende im Agenturbezirk arbeitslos gemeldet, 4,1 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Die Zahl der Arbeitslosen war damit nur noch etwas geringer als im Dezember 2017.

Die Arbeitslosenquote betrug 6,9 Prozent für gesamt Nordthüringen. Damit war sie 0,2 Prozentpunkte höher als im November. Im Dezember des vergangenen Jahres lag sie bei 6,7 Prozent. Die höchste Arbeitslosenquote im Bezirk wies der Kyffhäuserkreis mit 8,8 Prozent auf, die niedrigste das Eichsfeld mit 4,3 Prozent. Ein Drittel aller arbeitslos Gemeldeten wurden durch die Agentur für Arbeit, zwei Drittel durch die Jobcenter betreut.

„Das Jahr 2023 war geprägt durch eine schwache Konjunktur und die Auswirkungen der humanitären Entscheidungen der Politik, das hat sich auch auf dem Arbeitsmarkt niedergeschlagen. Wir hatten im Jahresdurchschnitt 12 Prozent mehr Arbeitslose als im Jahr 2022“, resümiert Karsten Froböse, Leiter der Nordthüringer Arbeitsagentur. Die Arbeitslosigkeit stieg in allen Landkreisen, am stärksten betroffen war der Kyffhäuserkreis. Der größte Einfluss auf die Arbeitslosigkeit entstand infolge der humanitären Entscheidungen zur Aufnahme Geflüchteter und Migranten.



Und hier sei dringend Differenzierung nötig, unterstreicht Froböse. Unter den Einheimischen war der Anstieg der Arbeitslosigkeit mit einem Plus von 324 Personen auf 9.849 oder 3,4 Prozent auf im Vergleich zum Vorjahr überschaubar. Die Arbeitslosigkeit unter Ausländern stieg im Jahr 2023 derweil um 60 Prozent oder 1034 Personen auf einen Wert von 2.756. Die Arbeitsaufnahme benötigt hier größeren Aufwand und Zeit, so der Agenturchef, es gebe aber auch positive Signale. So stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ukrainer seit Ende 2022 vor allem in Nordhausen und dem Unstrut-Hainich Kreis merklich an. Die jüngsten Daten reichen zwar nur bis in den Juni 2023, zeigen aber einen Aufwärtstrend für beide Kreise und moderatere Anstiege für den Kyffhäuser und das Eichsfeld. Mit 197 Personen für den Unstrut-Hainich Kreis und 152 für Nordhausen ist die Gesamtzahl zwar noch überschaubar, aber man sehe, dass sich etwas tue, so Froböse.

Zum 30. Juni 2023 gingen 8.836 Ausländer einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach, 1.431 Männer und Frauen mehr als im Juni 2022. Das entspricht einem Anstieg um fast 20 Prozent. Im Eichsfeld machten Ausländer 9,7 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten aus, 7,7 Prozent im Unstrut-Hainich-Kreis, 6,3 Prozent im Landkreis Nordhausen und 4,2 Prozent im Kyffhäuserkreis.

Flucht und Migration wirken sich auch auf die Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit aus. "Die Agentur für Arbeit konnte den Anteil derer, die länger als ein Jahr arbeitslos gemeldet sind im Jahresdurchschnitt deutlich senken. In den Jobcentern stieg sie im vergangenen Jahr dagegen an. Es wurden zwar weniger Stellen im Jahresverlauf gemeldet als 2022. Das Verhältnis von Arbeitslosmeldungen aus Arbeit und Arbeitsaufnahmen aus Arbeitslosigkeit heraus war vergleichbar mit dem Vorjahr“, erklärte Froböse.

Steigende Arbeitslosigkeit
Im Jahresdurchschnitt für 2023 betreuten die Agentur für Arbeit und die Jobcenter 12.605 Arbeitslose. Das entspricht einem Anstieg zum Vorjahr um 12,1 Prozent. Am stärksten betroffen war der Kyffhäuserkreis. Hier nahm die Arbeitslosigkeit in 2023 um 15,5 Prozent zu. Für Nordthüringen stieg die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt von 6,1% im Jahr 2022 auf 6,9 % im Jahr 2023.

Bei den Ausländern stieg die Arbeitslosigkeit in 2023 um mehr als das Doppelte auf durchschnittlich 2.756 Menschen. Fast 90 Prozent von ihnen wurden durch die Jobcenter betreut. Die Arbeitslosenquote für Ausländer betrug im Jahresdurchschnitt 34,8 Prozent im gesamten Agenturbezirk. Sie sank aber leicht gegenüber dem Vorjahr, weil mehr ausländische Arbeitnehmer in Nordthüringen beschäftigt sind.

Die Langzeitarbeitslosigkeit stieg im vergangenen Jahr leicht an. Im Durchschnitt waren 4.365 Männer und Frauen länger als ein Jahr arbeitslos gemeldet, 3,6 Prozent mehr als 2022. Die meisten Personen (86 Prozent) werden in den Jobcentern betreut. Dort zeichnet sich der Anstieg auch mit 6,3 Prozent ab. Die Agentur für Arbeit konnte die Zahl Langzeitarbeitsloser um mehr als zehn Prozent auf durchschnittlich 584 Personen senken.

Auswirkungen der schwachen Konjunktur
Der Arbeitsagentur wurden im vergangenen Jahr 745 weniger Stellen gemeldet als 2022. Das entspricht einem Rückgang um fast 14 Prozent. Der Fachkräftebedarf blieb aber hoch. Im Jahresdurchschnitt wurden 2.766 Stellen betreut, 2,7 Prozent weniger als im Jahr 2022.

Sozialversicherungspflichtige Beschäftigte am Arbeitsort
Zum Stichtag 30. Juni 2023 befanden sich in Nordthüringen 119.844 Männer und Frauen in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Im Vergleich zum Vorjahresquartal blieb das Beschäftigungsniveau konstant. Neben der Konjunktur wirkt sich die Demografie negativ auf die Beschäftigungssituation in Nordthüringen aus.

„Bereits jetzt ist der Fachkräftebedarf in vielen Branchen deutlich spürbar“, so Froböse. "In den kommenden Jahren werden uns ein größerer Teil unserer Beschäftigten altersbedingt in den Ruhestand verlassen. „Auf zehn über 55-Jährige die in Rente gehen kommen aktuell nur drei unter 25-Jährige die an ihre Stelle treten werden."

Ausländischen Beschäftigte könnten hier zumindest zu einer Stablisierung der Entwicklung beitragen, so der Agenturchef, man werde aber in den kommenden Jahren noch über diverse Ansätze reden müssen. Mögliche Ansätze verfolgt man bereits in der Aus- und Weiterbildung. Die Fortbildung von Beschäftigten helfe sowohl den Arbeitnehmern wie auch den Unternehmen auf lange Sicht. Zur Unterstützung für beide Seiten wurde die "Weiterbildungsagentur Thüringen Nord" ins Leben gerufen. Geboten wird telefonische Beratung von Montag bis Donnerstag jeweils von 08.00 bis 15 Uhr und am Freitag von 08.00 bis 13 Uhr unter 03631/650 100. Außerdem ist man in allen vier Landkreisen in Unternehmen zu Gast und bietet Sprechtage in den Geschäftstellen an.

Der Tag in der Praxis
Eine Erfolgsgeschichte aus 2022 konnte man in 2023 fortsetzen - das Kooperationsprogramm "TiP", der "Tag in der Praxis". Schülerinnen und Schüler der 8. Klassen können hier über mehrere Wochen je einen Tag der Schulwoche praktische Erfahrungen in Unternehmen sammeln. Im Kern lehnt sich das Angebot an den Unterrichtstag in der Produktion aus DDR Tagen an, wobei die Auswahl der Betriebe wechselt, sodass der Nachwuchs möglichst viele Eindrücke sammeln und am Ende der Schullaufbahn informiertere Entscheidungen treffen kann.

Der Ansatz kommt an, 2022 startet man mit drei teilnehmenden Regelschulen, 180 Schülerinnen und Schülern und 120 Betrieben. Im Herbst 2023 hatte man 23 Regelschulen mit im Boot, das ist etwa die Hälfte aller Regelschulen in Nordthüringen, 1.120 Schüler und 850 Betriebe. Im Rest der Freistaates macht der "TiP" inzwischen auch Schule, kann Froböse berichten, in Südthüringen gebe es bereits erste Versuche und in Ostthüringen werde man nach den Winterferien mit einem eigenen Praxistag starten. Ganz einfach ist die Umsetzung nicht, da diverse Partner von den Schulen über die Unternehmen bis hin zum Schülerverkehr in Einklang gebracht werden müsse, aber der Einsatz lohne sich, so Froböse weiter. So habe die Industrie- und Handelskammer in Nordhausen und dem Eichsfeld seit der Einführung eine positive Entwicklung bei den Ausbildungsverträgen verzeichnet.

Der Blick in die Glaskugel
Zum Ende der traditionellen Rückschau auf den Arbeitsmarkt wagt man in der Nordthüringer Arbeitsagentur auch den Blick in die Glaskugel. Das Bild zeigt sich ob der unsicheren Weltlage heute eher neblig-trüb. Faktoren wie die demografischen Entwicklung könne man klar ablesen und auch in auf die konjunkturelle Entwicklung ließen sich gewisse Rückschlüsse ziehen, so Froböse, wie es aber mit dem Thema Flucht und Migration weitergehe sei eine große Unbekannte. Klar ist hingegen, dass den Agenturen bundesweit weniger Geldmittel zur Verfügung stehen und damit auch das allgemeine Förderangebot sinken werde. Wenn es schlecht läuft, dann werde die Arbeitslosigkeit in Nordthüringen auf über 13.000 Personen steigen, summiert Froböse, wenn sich die Lage stablisiert und man keinen Anstieg oder gar einen leichten Rückgang der Zahlen verzeichnet, könne man am Ende des Jahres zufrieden sein.

Die ausführliche Statistik für die Arbeitsmarktentwicklung im Dezember findet sich wie üblich hier .