Nordhausen und seine künstlerischen Werke (5)

Die Malerei soll ein Augenschmaus sein

Sonntag
31.12.2023, 16:30 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Am gestrigen Samstag war unter den Traueranzeigen für Nordhausen auch zu lesen, dass der Dipl. Maler u. Grafiker Erich Enge in Erfurt im Dezember gestorben ist. Auch in Nordhausen war der Künstler aktiv und Heidelore Kneffel will ihm in ihrer Reihe die letzte Ehre erweisen...

Wenn meine Recherche stimmt, starb er am 21.Dezember. Als Leitspruch hat die Familie gewählt: „Das Leben ist vergänglich. Deine Kunst nicht.“

Dass die Anzeige auch in Nordhausen geschaltet wurde, könnte damit zu tun haben, dass Erich Enge 1991 vom Landratsamt Nordhausen gemeinsam mit seinem Erfurter Kollegen Ulf Raecke den Auftrag erhielt, die künstlerische Gestaltung der Gasträume des Ratskellers zu übernehmen.

Da ich in diese Erneuerung/Restaurierung beratend mit einbezogen wurde, hatte ich die Freude, beide bei ihrer Arbeit zu erleben und aufgeschlossene, anregende Gespräche mit ihnen zu führen. Dieser Artikel widmet sich Erich Enge und seiner künstlerischen Gestaltung des Ratskellers, insbesondere seinem Wandbild im zweiten Gastraum, das leider viel zu wenig bekannt ist, obwohl es in sich auch Historie von Nordhausen trägt.

Er wurde in Böhmen geboren, absolvierte eine Ausbildung als Maurer, studierte an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle/Saale bei den Professoren Willy Sitte und Kurt Bunge und erhielt das Diplom als Maler. Bis 1971 lebte er freischaffend in Eisleben, verzog dann nach Erfurt. Er beschäftigte sich intensiv mit dem Holzschnitt, schuf als Kunst am Bau mehrere Wandbilder im öffentlichen Raum, deren Schicksal sich nach 1990 sehr unterschiedlich gestaltete.

Enge hatte es in Nordhausen übernommen, die Decken im zweiten und dritten Gastraum neu zu bemalen, denn die Bemalungen von 1936/37 besaßen kaum noch Leuchtkraft. Dieser zweite Raum leuchtet nun wieder im kräftigen Blau auf die Gäste, die der Antike nachempfundenen hellen Figuren, die Nereiden, die Selene, Satyre, der bogenschießende Zentauer, der Bachus, dem der Wein schon zugesetzt hat. Die weiblichen Wesen zeigen eine tamburinverfeinerte Gewändershow.

Zwei Motive des antikisierenden Deckengemäldes (Foto: Heidelore Kneffel) Zwei Motive des antikisierenden Deckengemäldes (Foto: Heidelore Kneffel)


Aber das Glanzstück stellt ein auf Alabastergips gemaltes Wandbild dar, das Enge unter den Titel „Bachus im Harz“ stellte in der Größe von 2,80 cm x 2,30 cm. Der Bezug zur Decke ist gefunden.

Wie kam es zu der Motivwahl des Enge-Gemäldes? Wir hatten 1991 längere Zeit vor dem aus Eiche geformten Roland gestanden, seinen Wert als historische Gestalt für die Stadt dargestellt und das Entstehen der vierköpfigen Rolandgruppe erläutert. Die vier Personen erschienen dann beim Malvorgang auch in den Gasträumen und erzählten. Der Maler schlief sehr oft in den Räumen, wollte den Tag voll ausschöpfen. Vor Presseleuten äußerte er zum Thema „Bacchus im Harz“: „Natürlich spielte für mich der Wein, manchmal verbunden mit etwas Spinnereien, eine gewisse Rolle und lässt einem dabei große Freiheiten. Aber es gibt auch einen Bezug auf die historischen Deckenelemente und auf ortsansässige Originale wie Professor Zwanziger und den alten Ebersberg.“ Wir besuchten Erich Enge in seinem Atelier in Erfurt am Ufer der Gera unweit des Rathauses, erfreuten uns an der Gastfreundschaft, erblickten Skizzen zum Bild und sahen ein Modell, wie er sich die Eingliederung des Wandgemäldes vorstellte.

Enge bei der Ausführung im Jahr 1991 (Foto: Heidelore Kneffel) Enge bei der Ausführung im Jahr 1991 (Foto: Heidelore Kneffel)


Im Vordergrund des Gemäldes sitzen zwei Gruppen an zwei Tischen und speisen. Die linke Gruppe zeigt den Prof. Zwanziger in seinem ordensgeschmückten und etwas zu reichlich geratenem Frack. Das (eulen) – gespiegelte Konterfei des Karl Ebersberg blickt den Betrachter aus dem blanken Boden einer Bratpfanne entgegen, aus der gebratene Hühnchen fliegen. Sein Knotenstock lehnt am Stuhl, der Hut hängt an der Lehne. Am Nebentisch hat Enge seinen Malerkollegen Ulf Raecke und sich gemeinsam mit dem bärtigen Bauleiter Gerlach des Landratsamtes platziert. Auf dem Tisch leuchtet eine antikisierende Laterne, die sich Raecke im Nordhäuser Antiquariat gekauft hatte. Zwischen den Tischen schreitet geschmeidig beschwingt eine kurzberockte Kellnerin mit Sektgläsern auf dem Serviertablett hindurch..

Über dieser Szenerie spielt sich Phantastisches ab, das sich Zwanziger schmunzelnd betrachtet, seine Zigarre in der Hand, die Wetterkarte im Arm. In der oberen Szene entdeckt man das Pferd der Dichtkunst, den Pegasus mit Schmetterlingsflügel. Man sieht sich tummelnde Hexen fliegen, den Mond, ein Segelschiff mit der blauen Blume der Romantik verziert, ein sich küssendes Paar, eine Musikantin taucht auf, denn der Himmel hängt voller Geigen, die Muse der Malerei ist am Wirken. Ja, Phantastisches passiert auch in Nordhausen, glauben wir daran!

Das fertige Bildnis im restaurierten Ratskeller (Foto: Heidelore Kneffel) Das fertige Bildnis im restaurierten Ratskeller (Foto: Heidelore Kneffel)


Nach einer Bauzeit von 13 Monaten konnten alle drei Räume, der große holzverkleidete Gastraum mit den sechs großformatigen in Ölmalerei gemalten Halbbogenbildern mit Landschaftsdarstellungen aus unserer Region, das Antikenzimmer, was im Text beschrieben wurde, und der mit prachtvoll von der Decke leuchtenden Wappen gestaltete dritte Raum an den Pächter des Ratskellers, Herrn Ronald Gerlach, übergeben werden.

Es gibt über die weitere Historie dieser der Gastlichkeit in Nordhausen gewidmeten Räumlichkeiten seit 1992 vieles zu sagen, Erfreuliches und dann zum Teil Niederschmetterndes! Wann kommen die farbigen Bogenbilder zurück? Wann kann man das von Enge gemalte Bild betrachten, das leider auch nicht unbeschadet die Jahre überdauert hat. Es beginnt das Jahr 2024! Tut es dem Ratskeller mit seiner exquisiten Ausstattung der Räume Gutes!? Auf jeden Fall haben wir ein gemaltes Bild von Erich Enge in Nordhausen. Danken wir ihm für dieses einfallsreiche Vermächtnis.
Heidelore Kneffel