Martin Domke und seine drei Buntglasfenster in „St. Blasii“

Nordhausen und seine künstlerischen Werke (4)

Sonntag
24.12.2023, 10:33 Uhr
Autor:
red
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In Nordhausen gibt es einen Raum, dessen Farbigkeit unübertroffen ist. Der gen Osten gelegene Hohe Chor der St.-Blasii-Kirche wird, wenn die Sonnenstrahlen ihn treffen, durch seine drei großen Buntglasfenster je nach der Höhe des Standes der Sonnen in unterschiedliche Farbsymphonien getaucht...

Dieses Leuchten nimmt einen im guten Wortsinn gefangen. Diese Buntgläser stammen nicht mehr aus der gotischen Erbauungszeit, denn sie wurden in den ersten Apriltagen 1945 durch britische Bomben zerstört. Am 31. Oktober 1949 wurde die hergestellte Kirche wieder eingeweiht und Martin Domkes neue Farbfenster in dem gotischen Maßwerk das erste Mal gesichtet. Es sind in großer Meisterschaft erschaffene Kunstwerke, die in der Geschichte der Glasfensterherstellung Geschichte geschrieben haben. Sie erzählen sehr eindrücklich biblisches Geschehen. Links beginnt es mit dem dreispaltigen „Weihnachtsfenster“, das ursprünglich „Marienfenster“ heißen sollte, in der Mitte strahlt die vierspaltige „Auferstehung“, rechts außen wurde das dreispaltige „Passionsfenster“ eingefügt.

Weihnachtsfenster in der Blasiikirche Nordhausen (Foto: H.Kneffel) Weihnachtsfenster in der Blasiikirche Nordhausen (Foto: H.Kneffel)

Der Künstler Martin Domke (1911- 2005) soll hier in gebotener Kürze vorgestellt werden. Wer ausführlicheres erfahren möchte, kann das in dem wichtigen Nachschlagewerk „Nordhäuser Persönlichkeiten aus elf Jahrhunderten“ in der Hagelstange-Bibliothek oder im Stadtarchiv nachlesen. In Breslau kam er zur Welt, legte dort seine Gesellenprüfung als Dekorationsmaler ab und begab sich zeichnend und malend auf Wanderschaft und reichte 1928 eine üppig gefüllte Bildermappe an der Kunstakademie in Breslau erfolgreich ein. Er war Meisterschüler bei Oskar Schlemmer, Otto Müller und Georg Muche. Dank seines Könnens erhielt er ein Stipendium für die Villa Massimo in Rom. Wegen einer Magenerkrankung blieb er vom Kriegseinsatz verschont, studierte in Krefeld Textilkunst und war Handwerkspfleger in Oberschlesien. Vor Kriegsende floh er von Breslau über Görlitz, Dresden, Leipzig, Halle nach Nordhausen, wo er eine Mappe mit Arbeiten eingelagert hatte. Er überlebte die Bombardierungen, arbeitete als Holzdrechsler, stellte seine Graphiken und Malereien in mehreren Kunstausstellungen in Nordhausen vor. Der Künstler unterrichtete an der Pädagogischen Fachschule im Lindenhof und an der Oberschule „Wilhelm von Humboldt“. Ab 1947 hielt er Lichtbildervorträge über Werke der bildenden Kunst in der Volkshochschule und kaufte den stark beschädigten Judenturm auf dem Petersberg, einen historisch wichtigen Bollwerksturm der Stadtmauer, um dort mit 11 begabten Schülerinnen und Schülern eine Kunstschule einzurichten.

Signet für die Kunstschule Judenturm Nordhausen (Foto: H.Kneffel) Signet für die Kunstschule Judenturm Nordhausen (Foto: H.Kneffel)

Alle bewarben sich 1949 in Weimar, Dresden und Berlin erfolgreich zum Kunststudium und bereicherten dann die Kunstszene mit ihren Werken, Aber vorher erlebten sie mit, wie Domke den Auftrag von Vertretern der evangelischen Kirche (Führ, Trautmann, Dr. Dobert) erhielt zur Neugestaltung der zerstörten drei Kirchenfester im Chorraum und auch der kleineren in der Sakristei von „St. Blasii.“ Man musste in Diskussionen auch Widerstände überwinden! Nicht nur für Nordhausen waren die Entwürfe eine Neuheit in der Buntglasgestaltung. Zahlreiche Entwürfe als Zeichnungen und in Farbe entstanden damals, die seit 1996 von Domke der Kunstsammlung der Stadt übergeben wurden. Der Künstler stand in Quedlinburg mit der Kunstanstalt für Glasmalerei, gegründet 1876 von Ferdinand Müller, in Verbindung. Anders als bei den farbigen Fenstern in gotischer Zeit sollten diese neuen Fenster nicht zusätzlich bemalt werden. Domke suchte vor allem Gläser in den leuchtenden Farben Rot, Gelb und Blau aus, mit denen er die biblischen Personen formte, indem er sie durch Bleiruten einfasste. Wir erblicken das biblischen Geschehen als Glasmosaike. Domke erzählte über diese Zeit: „Meine 1:1 Werkzeichnungen konnte ich … im Sommer 1949 vollenden. Im Herbst, während der Ausführung der Fenster, die einige Wochen dauerte, war ich in den Werkstätten bei Müller in Quedlinburg und bestimmte sämtliche Farbscherben; ebenso die wichtige Bleirutenauswahl, da durch diese ja die Zeichnungen der Gesichter, Hände und Gewänder in meinem nicht bemalten Fenstern bestimmt wird.“

Auf der Flucht aus Ägypten Buntglasfebster in der Blasiikirche (Foto: H.Kneffel) Auf der Flucht aus Ägypten Buntglasfebster in der Blasiikirche (Foto: H.Kneffel)

Um Domkes Vorgehensweise zu verdeutlichen, schauen wir die letzten drei Fenster des Weihnachtsfensters an, die die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten darstellen. Sie sind den Nordhäusern und der Stadt gewidmet. Domke erlebte ja mit, wie die Menschen bei den Bombardierungen 1945 fliehen mussten. Er orientierte sich deshalb am Stadtbild Nordhausens, der Radierung von 1640 von Matthäus Merian d. Ä. Wesentliche Bauwerke sind darauf abgebildet, natürlich auch die Kirchen. Sie entnahm er für seine Bilder. Auf dem linken Bild sehen wir Joseph mit seinem Stab, neben ihm erkennen wir den „Dom“, in der Mitte hält Maria den Jesusknaben in den Armen, der sich auf ein Eichhörnchen zubewegt. Ihr zur Seite fällt „St. Blasii“ auf. Das letzte Fluchtbild zeigt vorn den Esel, dahinter den Turm von „St. Peter“ und markant den hergerichteten Judenturm, unter dem ein Spruchband aussagt: „1949 Entwurf M. Domke Ausführung Ferd. Müller Glasmalerei Quedlinburg“ Diese Glaswerkstätten entwickelten sich in Mitteldeutschland als marktführend in Deutschland und anderen Ländern.
Heidelore Kneffel