Auf vier Rädern über Stock und Stein

Montag
18.12.2023, 18:32 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Kein Teilbereich der modernen Staatsformen steht innovativen Entwicklungen so offen gegenüber oder fördert sie, auch mit erheblichen Aufwand, wie das Militärwesen. Hubert Rein vom Ostklassiker Klub Wolkramshausen gibt einen Einblick...

KFZ - Meister Peter Süssemilch, ehemaliger Schirrmeister in der NVA mit schwimmfähigen Wartburg 353 - 400 und einzige Ausführung mit 4 Zylinder 4 Takt - Motor (Foto: H.Rein) KFZ - Meister Peter Süssemilch, ehemaliger Schirrmeister in der NVA mit schwimmfähigen Wartburg 353 - 400 und einzige Ausführung mit 4 Zylinder 4 Takt - Motor (Foto: H.Rein)

Entwicklungen, die in irgendeiner Weise einen Nutzen bzw. eine Überlegenheit in Konflikten bringen können, werden von den jeweiligen Militärstrategen ausgesucht und nach Tauglichkeitsprüfungen dann auch in Massen produziert.

Seit über 100 Jahren gehören Fahrzeuge der verschiedensten Kategorien zur materiellen Grundausstattung aller Armeen der Welt. Bereits 28 Jahre nach der patentierten Erfindung des ersten tauglichen Fahrzeuges durch Carl Benz 1886, rollten schon im 1. Weltkrieg motorisierte Verbände auf den Schlachtfelder Europas. Kaum 20 Jahre nach dem für Deutschland verloren gegangenen 1. Weltkrieg, wurde die Fahrzeugentwicklung massiv betrieben, um leistungsfähige Kriegstechnik u. a. auf Ketten und Rädern für ein 2. Abenteuer, welches in seinen Dimensionen noch gewaltiger war als der 1. Weltkrieg, einsetzen zu können. Auch dieses Abenteuer scheiterte für Deutschland in bekannter Form trotz eines damaligen hohen Entwicklungsstandes in der gesamten Militärtechnik insbesondere auch im Fahrzeugbereich.
Im Ergebnis dieser Niederlagen wurde die Teilung Deutschlands beschlossen und leider auch ratifiziert, zwei Deutsche Staaten entstanden, verankert in zwei entgegenstehenden Bündnissystemen. Für die Militärstrategen auf beiden Seiten der innerdeutschen Trennlinie begann wieder eine Hoch – Zeit der Aufrüstung auf der Grundlage von Erfahrungen aus den Weltkriegen und neuen Erkenntnissen.

In der damaligen Sowjetischen Besatzungszone (SB) wurde unmittelbar nach dem Kriegsende für den Bereich der Inneren Sicherheit die Deutsche Volkspolizei (VP) bereits im Juni 1945 gegründet um ein gewisses Maß an Ordnung und Sicherheit im Nachkriegsgeschehen zu ermöglichen. Zur Durchführung der polizeilichen Aufgaben kamen anfangs noch Fahrzeuge aus der Kriegszeit zum Einsatz. Eine eigene Fahrzeugproduktion entwickelte sich sehr langsam, da wichtige Produktionsstätten im Verlauf des Krieges zerstört oder für Reparationsleistungen demontiert wurden.

Mit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) am 07.10.1949, ca. ein halbes Jahr nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland (BRD), entstand ein weiteres Staatsgebilde auf dem Boden Deutschlands, welches schrittweise die erforderlichen Staats- und Verwaltungsstruktur schaffen musste. Eine dieser grundsätzlichen Staatsaufgaben war auch die Herstellung der Verteidigungsbereitschaft. In einer Übergangsform wurde dazu am 1.7.1952 die Kasernierte Volkspolizei (KVP) gegründet, die bis zum 31.12.1956 bestand. Im Frühjahr 1956 wurde im Nachgang die Nationalen Volksarmee (NVA) einschließlich die Grenztruppen als reguläre Armee ins Leben gerufen, welche bis zum Ende der DDR existierte. Hierfür war es erforderlich, dass die Fahrzeugindustrie der frühen DDR die Entwicklung und Produktion von Fahrzeugen gewährleistete, die den militärischen Anforderungen entsprachen aber auch den Wünschen von Polizei, Feuerwehr und den Kampfgruppen in den Betrieben gerecht wurden.

Bezogen auf Kleinfahrzeuge im Wesentlichen zum Transport von bis zu sieben Personen wurden zwei Kategorien, der Geländewagen und der sog. Kübelwagen unterschieden. Geländewagen besaßen eine völlig eigene Konstruktion bezogen auf das Fahrwerk, den Antrieb und die Karosse, im Gegensatz kamen beim Kübelwagen bereits entwickelte Fahrzeuge für den zivilen Bereich zur Verwendung, die nur geringe Änderungen in der Karosserie hauptsächlich im Bereich der Einstiege und der Faltverdecke erfuhren. In der Gesamtübersicht der Geländewagen kann heute von folgenden Typen ausgegangen werden. Beginnend mit dem IFA P1 der nur in der Stückzahl von 3 Exemplaren als Prototyp vom ehemaligen VEB IFA Forschungs- und Entwicklungswerk Chemnitz entwickelt wurde, erfolgte im Automobilwerk Eisenach mit dem EMW 325-3 im Jahr 1952 die Herstellung der ersten einsatzfähigen Geländewagen der frühen DDR –Zeit mit einer Stückzahl von ca.161 Fahrzeugen. Im Zeitraum von 1952 -1958 wurden in Sachsen die Entwicklung und Herstellung des IFA P 2 M mit den Varianten S und L ermöglicht. Als Nachfolgemodell stand den damaligen Bewaffneten Organen dann der weiterentwickelte IFA P 3, welcher auch mit Spezialaufbauten versehen war, zur Verfügung. Die Entwicklung und Produktion erfolgte im damaligen Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) 1962 – 1963, nachfolgend 1963 – 1966 in den Fertigungsstellen in Ludwigsfelde (Brandenburg) mit einer Stückzahl von ca. 4000 Fahrzeugen. Diese Geländewagen besaßen alle 6 Zylinder 4 – Takt Otto - Motoren mit 55 bis 75 PS. Bedingt durch die damalige Bündnismitgliedschaft der DDR im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) und im Warschauer Pakt, erfolgte anschließend die Einstellung der eigenständigen Entwicklung und Produktion von militärischen Geländewagen in der DDR.
Kübelfahrzeuge für Militär, Sicherheitskräfte des Inneren aber auch für die Wirtschaft wurden ab 1950 gebaut. Beginnend mit der Typenbezeichnung IFA 309-4 auf der Basis des PKW IFA F 9, folgte ab 1959 der Wartburg 311- 4. Beide Varianten entstanden durch den Umbau von zivilen Fahrzeugen für die schon Cabrio Karossen entwickelt waren. Aus dem öffentlich wahrnehmbaren Straßenbild der frühen 1960 - ziger Jahre verschwanden aber diese beiden Fahrzeugtypen sehr rasch, da für den Bereich der inneren Sicherheit nun reine Zivilfahrzeuge wie Wartburg oder der russische Wolga zum Einsatz kamen. Auch der erfolgreichste Kleinwagen der DDR, der Trabant 601, wurde als Kübelwagen P 601 A für die NVA und für die Grenztruppen der DDR mit Faltdach, veränderten Heckteil sowie offenen Einstiegen ab 1966 gebaut. Mit der Bezeichnung P 601 F wurden baugleiche Fahrzeuge für die Forstwirtschaft bereitgestellt. Eine weitere zivile Variante des Kübels war der für den Export ab 1978 hergestellte Tramp. Ohne Staatsauftrag erfolgte in Eigenregie die Entwicklung und der Bau eines schwimmfähigen Kübelwagens auf der Basis des PKW Wartburg 353 mit der Typenbezeichnung 353-400 im Zeitraum 1969 bis 1976.

Als Antrieb der Kübelwagen dienten 2 und 3 Zylinder 2 – Takt Otto – Motoren mit 26 bis 55 PS. Keines der geländegängigen Fahrzeuge bzw. der Kübelwagen war in der Zeit der DDR auf deutschen Boden in einem Kriegseinsatz, sie wurden nach der Ausmusterung Bestandteil der sog. Staatsreserve oder der Wirtschaft, der Zivilverteidigung der DDR (ZV) bzw. der Gesellschaft für Sport – und Technik (GST) zur Verfügung gestellt.
In einem Song des Briten Barry Ryan aus dem Jahr 1991 heißt es u.a. „…die Zeit macht nur vor dem Teufel halt“. Der einstige Arbeiter und Bauernstaat auf deutschen Boden war nach etwas über 40 Jahren beendet und ist nun seit über 30 Jahren Vergangenheit. Für viele Ostdeutsche aber ist manches Relikt aus der damaligen Gesellschaft bzw. aus dem eigenen Leben in der DDR nicht vergessen sondern wird als eigenständiges Kulturgut auch weiterhin bewahrt.

Posthum gesehen, war nicht alles schlecht, manches aber auch besser. Mehrere Mitglieder des Ost Klassiker Klubs im Tal der Wipper besitzen heute neben zahlreichen Zivilfahrzeugen auch 8 der einstigen Gelände – bzw. Kübelwagen der DDR. Entsprechend der chronologischen Reihung bezogen auf die Baujahre sind dies ein IFA P 2 M (1956), ein IFA P 3 (1963), drei Trabant P 601 A ( 1974, 1978, 1988) ein Trabant P 601 F (1988) und ein Trabant 1.1 Tramp (1988) sowie den vermutlich heute einzigen Wartburg 353 – 400 (1976) der vom Hersteller mit einem Dacia 4 Zylinder 4 – Takt Otto - Motor (Lizenzbau Renault 12 TL) gebaut wurde.
Bis auf den IFA P 2 sind alle Fahrzeuge heute im besten Zustand. Seiner kompletten Restaurierung sieht nun auch der IFA P 2 M in der Werkstatt des Oldtimerdienst in Chemnitz entgegen, der das betagte Fahrzeug bereits übernommen hat.
Hubert Rein Ost Klassiker Klub Wolkramshausen