Großes Wandbild des Künstlers Gottfried Schüler (1923-1999)

Nordhausen und seine künstlerischen Werke (3)

Sonntag
17.12.2023, 09:44 Uhr
Autor:
red
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Im Jahr 1976 erhielt die Westwand der Turnhalle der damaligen Friedrich-Engels-Schule in Nordhausen an der Sangerhäuser Straße ein Wandgemälde in der Größe von 20 m x 8 m (160 Quadratmeter) mit dem Titel „Gestaltung der Fest- und Feiertage im Wohngebiet“, kurz „Freizeitgestaltung“ betitelt...

Eine vielgestaltige Freizeit würzt das Leben, lässt Freude aufkommen, verbindet mit anderen. Dank der besonderen Technik des Farbauftrages durch Gottfried Schüler, der Zeitlebens künstlerisch erfolgreich experimentierte, hatte das große Wandbild über 40 Jahre überdauert, musste nun aber 2022 dringendst restauriert und konserviert werden, wenn man es erhalten wollte. In den letzten Jahren ist das Interesse an baubezogener Kunst aus der DDR deutlich gestiegen und die Chancen gewachsen, Geldgeber zu finden. Auftraggeber zum Erhalt des Schüler-Bildes waren die Stadt Nordhausen als Eigentümer und die Stiftung Wüstenrot als Unterstützer. Diese richtet ihre Aufmerksamkeit „besonders auf Lebensqualität, die gebaute Umwelt und den Umgang mit dem gemeinsamen kulturellen Erbe.“ Dabei sind Arbeiten, die nach 1945 entstanden, besonders im Blick.

Das Wandgemälde Schülers in Nordhauen (Foto: H.Kneffel) Das Wandgemälde Schülers in Nordhauen (Foto: H.Kneffel)

In Nordhausen wurde die Diplomrestauratorin Suzy Hesse beauftragt, eine umfassende Bestandsaufnahme vorzunehmen. Anfang September 2022 begann sie die Restaurierung an der eingerüsteten Wand, die bis in den Dezember dauerte. Mitte 2023 wurde der Sockel instandgesetzt.

Es trifft sich sehr gut, dass Anfang Dezember dieses Jahres vom Nordhäuser Geschichts- und Altertumsverein und vom Stadtarchiv Nordhausen die „Beiträge zur Geschichte aus Stadt und Landkreis Nordhausen“ als 48. Band / 2023 erschienen sind. Frau Hesse hat darin in einem bebilderten Kapitel dargestellt, wie sie das Wandbild an der Turnhalle in Nordhausen und ein Wandbild im Inneren des „Schiller- Gymnasiums“ in Bleicherode von Otto Knöpfer restauriert hat.
Auf dem großen Schülergemälde sieht man zahlreiche Kinder und Erwachsene beim Spielen, Sporttreiben, Tanzen, Musizieren, Lesen, Essen, im Zirkus, im Varitè, im Theater. Oft sind sie in Gruppen vereint, aber auch einzelne Personen sind in eine Beschäftigung vertieft, bringen Ruhe ins Bildgeschehen, denn überwiegend herrscht auf der Bildfläche sehr viel Bewegung in den Farben Weiß, Hell- und Dunkelgrau, Gelb, Rot, Braun, Orange, Grün, Umbra. Ein blauer Hintergrund bringt die Farbigkeit zum Leuchten. Die Betrachtenden sehen auch zahlreiche Details. Vor ihnen entfaltet sich ein in Form und Farbe bewegt gestaltetes Gemälde.

Frau Hesse auf dem Gerüst (Foto: H.Kneffel) Frau Hesse auf dem Gerüst (Foto: H.Kneffel)
Gottfried Schüler wurde am 9.5.1923 in Falkenstein im Vogtland geboren, starb am 15.12.1999 in Osterrode im Harz, wohin er 1998 aus Weimar gezogen war, wo er 43 Jahre gewirkt hatte. Er studierte Graphik, Malerei und baugebundene Kunst in der Klassikerstadt an der Staatlichen Hochschule für Baukunst und Bildende Kunst, der heutigen Bauhausuniversität, lebte ab 1950/51 freischaffend. An seiner Ausbildungsstätte war er dann von 1954-1974 Lehrbeauftragter für mehrere Fächer. Seit 1955 zog es ihn intensiv zur Beschäftigung mit baugebundener Kunst, zahlreiche Wandgestaltungen im gesellschaftlichen Auftrag entstanden an mehreren Orten.
In Nordhausen gibt es zu dem benannten Farbgemälde auch in der Kantine des ehemaligen VEB NOBAS ein großes Wandbild von ihm aus dem in den sechziger Jahren neuen Baustoff Aluminium geformt. Der Künstler fügte die Metallbänder daraus zu Personengruppen zusammen. Da dieses Werk seine Bagger in viele Staaten der Welt exportierte, entstand eine figurative Wandgestaltung „Welthandel“ mit Menschen aus verschiedenen Ländern. In der gleichen Technik wurde in der Bertolt-Brecht-Schule in Nordhausen im Eingangsbereich ein Wandbild zu Brechts Theaterstück „Das Leben des Galileo Galilei“ geschaffen.

Wandbild an der Bertolt-Brecht-Schule (Foto: H.Kneffel) Wandbild an der Bertolt-Brecht-Schule (Foto: H.Kneffel)

In welcher besonderen Technik wurde das Farbgemälde für Nordhausen gestaltet? Ein streichfähiger Kunstharzgranulatputz, etwa 3 cm dick, wurde auf Glasfasergewebe in ca. 2 m x 1 m Bahnen aufgetragen, die dann in Streifen auf die Wand aufgeklebt wurden. Wenden wir uns einigen Details im Bildaufbau zu. Am rechten unteren Rand steht ein Mann mit seinem Fahrrad, der auf das quirlige Geschehen linker Hand blickt, dass er wohl entworfen hat. Rechts oben ziehen als gutes Omen weiße Wolken dahin, von Vögeln begleitet. Es ist ein schöner Tag! Im Mittelpunkt erblickt man eine auffällige Baumgruppe, um die sich Tanzende bewegen. Von hier aus kann man rechts und links die einzelnen Szenen entschlüsseln. Links im oberen Bereich entdeckt man neben einem Rufer ein wichtiges Detail aus dem Bertolt-Brecht-Stück „Mutter Courage und ihre Kinder“, den berühmten Planwagen, mit dem die Marketenderin durch den dreißigjährigen Krieg fährt. Im Mai und Juni 2023 wurde in Weimar anlässlich des 100. Geburtstages des Künstlers eine umfassende Werkschau in der Kunsthalle Harry Graf Kessler gezeigt im Verbund mit der Galerie „Profil“. Neben der baubezogenen Kunst sind seine Grafiken und gemalten Landschaften, Porträts und Aktdarstellungen in Museen, öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten. Demnächst wird es auf einer Tafel nahe des Nordhäuser Wandgemäldes Erläuterungen zum Kunstwerk und seinem Schöpfer geben.
Heidelore Kneffel