nnz-Betrachtung: Wie die SPD für die Windmühlen im Wald kämpft

Viel warme Luft

Mittwoch
06.12.2023, 18:41 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Im größten Romanwerk des spanischen Autors Miguel de Cervantes kämpft ein Ritter von trauriger Gestalt einen aussichtslosen Kampf gegen Windmühlen. Heute kämpft die linksgrüne Politelite für einen Unmenge neuer Windräder im Thüringer Wald …

Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festgehalten, dass Waldgebiete aufgrund ihrer ökologischen Funktion, ihrer Lage oder auch wegen ihrer Schönheit schutzwürdig und -bedürftig sein können. Es obliege dem Gesetzgeber, dies entsprechend zu regeln. In ihrem aktuellen Gesetzentwurf hat die Thüringer FDP an die Stelle eines Pauschalverbots von Windrädern im Wald jetzt eine Einzelfallprüfung gesetzt, die Interessenabwägung bei der Nutzung von Waldflächen vorsieht.

„Wir wollen, dass bei der Entscheidung, ob eine Waldfläche für eine andere Nutzungsart umgewidmet werden darf, zwei Belange zwingend berücksichtigt werden. Zum einen ist dies die Frage, ob geschädigte Flächen wieder aufgeforstet werden können. Denn dort, wo wir heute aufforsten, wächst der Wald der Zukunft. Zum anderen wollen wir vermeiden, dass Ausgleichsaufforstungen zulasten landwirtschaftlicher Flächen gehen“, erklärte dazu Dirk Bergner, der umwelt- und agrarpolitischer Sprecher der FDP. „Wenn Waldflächen durch Borkenkäfer und Trockenheit in Mitleidenschaft gezogen sind, sollte man sie ökologisch sinnvoll umbauen, anstatt sie plattzumachen. Wald muss Wald bleiben! Alles andere ist ökologischer Unsinn.“

Laut einer aktuellen MDR-Umfrage lehnen es 78 Prozent der Thüringer ab, dass Windkraftanlagen in Wäldern errichtet werden. Nicht aber die regierende Minderheitskoalition aus LINKE, SPD und GRÜNE.

Aus deren Mitte, also der Neunprozentpartei SPD, hat sich nun der energiepolitische Sprecher zu Wort gemeldet. Der Experte Denny Möller, gelernter Sozialarbeiter und diplomierter Sozialpädagoge, hat bei den Liberalen eine „Wirtschaftsschädigung im Schein vermeintlicher Waldfreundlichkeit“ ausgemacht.
 
„Die selbsternannten Wirtschaftsparteien CDU und FDP schaden mit diesem Gesetz dem Wirtschafts- und Industriestandort Thüringen und gefährden Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Thüringen. Es gibt bereits zahlreiche Akteure aus der Wirtschaft, die einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien insbesondere der Windkraft fordern, um auch in Zukunft am Standort Thüringen wettbewerbsfähig produzieren zu können“, poltert der Energieexperte, der offenbar auch genau weiß, was die Thüringer Wirtschaft will. Beispiele für die vielen Betriebe, die „Windkraft fordern“ bleibt er allerdings schuldig in seinen Ausführungen, die er heute der Presse zugearbeitet hat. Dafür weiß Möller aber die juristischen Hintergründe genauestens zu deuten: „Diese Bemühungen mit einem Gesetz zu blockieren, dass im Schein vermeintlicher Waldfreundlichkeit sogar das Urteil des Bundesverfassungsgerichts durch die Hintertür entkräftet, ist grob fahrlässig und schadet unserem Freistaat enorm.“

Wie man ein Urteil durch die Hintertür entkräften kann, ist sicherlich ein hochbrisanter juristischer Streitfall. Aber auch hier bleibt eine Erklärung des allwissenden Abgeordneten Möller aus. Vielleicht sollte ihn seine Fraktion außer zum sozialpolitischen und energiepolitischen Sprecher auch zum rechtspolitischen Sprecher machen.

Doch halt: das Wort „rechts“ möchte der Herr Möller sicherlich nirgends in seinen zahlreichen (handgezählte 28) Funktionen vom stellvertretenden Kreisvorsitzenden in Erfurt über die Mitgliedschaft im Flüchtlingsrat Thüringen bis hin zum Bezirksvorsitzenden der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft in seiner Vita finden.

Und daher weht letztlich auch der Wind seiner Argumentationen und seines Widerspruchsgeistes. Der Sozialdemokrat Möller betont empört, dass sowohl FDP als auch CDU erneut nicht davor zurückgeschreckten, parteipolitische Interessen mit den Stimmen der „extremen Rechten“ (gemeint ist hier die Thüringer AfD) durchzusetzen: „Ich halte das gerade im Rahmen der noch laufenden Haushaltsverhandlungen für ein brandgefährliches Signal. Und wie sich bereits heute andeutet, drohen im Rahmen des Dezemberplenums wohl weitere solcher Abstimmungen.“

Ja, Herr Möller, es „drohen weitere Abstimmungen“ in einem demokratischen Parlament und noch kann eine Splitterpartei, zu der sich die SPD in Thüringen inzwischen - um mal in der Sprache unserer Zeit zu bleiben - transformiert hat, nicht einfach entscheiden, was wo und wann in den Wald gepflanzt wird außer Bäumen.

Das umstrittene Waldgesetz der FDP wurde mit Stimmen von CDU und AfD auf die Tagesordnung für Freitag gesetzt und die Gesetzeseinbringer begründen ihren Kampf gegen die Windmühlen etwas anders als seinerzeit Don Quichote so: „Das grüne Herz Deutschlands tickt anders, als linksgrüne Windkraft-Lobbyisten weismachen wollen. Eine manipulative Wortwahl ist ebenso Teil dieser Inszenierung wie das demonstrative Naserümpfen“, sagte FDP-Chef Thomas Kemmerich unlängst. „Es kommt aber nicht nur darauf an, umweltfreundlich Strom zu erzeugen, sondern ebenso auf eine hohe Versorgungssicherheit. Wer insbesondere gegenüber den 7.000 Beschäftigten der heimischen Glasindustrie die Hoffnung weckt, dass binnen kurzer Zeit genug heimische Windenergie zur Verfügung steht, um Erdgas zu ersetzen, handelt verantwortungslos. Es ist allein schon aus Kapazitätsgründen überhaupt nicht möglich, ausreichend Windräder zu bauen. Wer sie dennoch verspricht, stellt einen ungedeckten Scheck aus.“

In einer Befragung auf abgeordnetenwatch.de hatte der Streiter für die Windkraft im Wald, Denny Möller, übrigens vor der letzten Landtagswahl auf die These „Um die im Thüringer Klimagesetz festgelegte Energiewende bis 2040 zu erreichen, muss es ermöglicht werden, im Thüringer Wald Windräder zu errichten“ geantwortet „ICH STIMME DAGEGEN“. Das war allerdings lange bevor die drei Koalitionsparteien im Thüringer Landtag die linksgrünen Pläne einer Flutung der Wälder mit ineffizienter, umweltschädlicher und unzuverlässiger Energieerzeugung zustimmten, die von Kritikern auch schon mal als „steinzeitliche Technologie“ bezeichnet wird.

Ich persönlich hoffe im Gegensatz zu Herrn Möller, dass der Kampf gegen die Windmühlen in Thüringen erfolgreicher ausgeht als der des armen Ritters von der traurigen Gestalt in Cervantes’ Roman. Und dass sich die gesetzeinbringende FDP dabei auch der Stimmen der „extremen Rechten“ wird bedienen müssen und nicht beispielsweise von vernünftigen, verantwortungsbewussten Sozialdemokraten unterstützt wird, ist für mich so traurig wie die Geschichte des Mannes aus La Mancha.
Olaf Schulze