Klares Votum der Christdemokraten gegen Erstaufnahmeeinrichtung

Nordhäuser CDU übt Selbstkritik in Flüchtlingsfrage

Donnerstag
23.11.2023, 19:21 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Die Entscheidungen des Jahres 2015 dürften heute nicht mehr so getroffen werden lautet das Fazit des Nordhäuser CDU-Kreisverbandes zur Diskussion um eine weitere Massenunterkunft für Flüchtlinge in Nordhausen. Der Fraktionsvorsitzende ist aber auch empört über die Kommunikation zu dem Vorhaben…


Die Nachricht, dass Nordhausen in die engere Auswahl einer zusätzlichen Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) für Flüchtlinge komme solle, habe innerhalb der Kreis-CDU für blankes Entsetzen gesorgt. Das Land Thüringen versuche durch die Hintertür eines Markterkundungsverfahrens dem Kreis Nordhausen einen Sonderstatus zu verleihen. Neben den derzeit betriebenen zehn Gemeinschaftsunterkünften, in denen bereits knapp 800 Menschen untergebracht sind, solle nun eine EAE mit weiteren 500 geflüchteten Menschen im rollierenden Wechsel folgen. Das sei nicht nur einmalig in Thüringen, sondern sogar einmalig in Deutschland, ärgert sich die CDU. Die Vorgehensweise der Landesregierung entledige sich jeden demokratischen Verständnisses über Entscheidungsfindungen und zeige das katastrophale Flüchtlingsmanagement des Freistaats.

Der Fraktionsvorsitzende der Kreistagsfraktion René Fullmann zeigte sich regelrecht empört, nach dem die Fraktionsspitzen gestern offiziell im Rahmen eines Ältestenrats durch den Landrat über die Sachlage informiert wurden. Nach Ansicht von Fullmann spielt auch Landrat Jendricke nicht mit offenen Karten. „Obwohl er erst am vergangenen Freitag vom Vorgang Kenntnis erlangt haben will, präsentierte er keine fünf Tage später den Fraktionsvorsitzenden einen fertigen Alternativvorschlag, den er mit Entscheidungsträgern in Erfurt bereits besprochen haben will. Dieser sieht unabhängig von der Standortfrage eine Unterbringung in Nordhausen vor.“, fasst er die Sitzung zusammen. Jegliche dabei vorgebrachten Szenarien werden durch die CDU kategorisch abgelehnt, bekräftigte René Fullmann im Namen seiner Fraktion.

Weiterhin kritisierte er, dass den Kreistagsmitgliedern keine Vergleiche zu anderen Landkreisen durch den Landrat zur Verfügung gestellt werden. Nach parteieigenen Recherchen erfüllten einige Landkreise in Thüringen nicht die geforderten Sollzahlen, was im Umkehrschluss zur Überausstattung der derzeitigen EAE führe, führt Fullmann aus. „Der Landkreis Nordhausen hat im Zusammenspiel zwischen Asylsuchenden und Ukrainern etwa 150 Menschen mehr versorgt, als er hätte müssen. Wir haben unseren solidarischen Beitrag geleistet, jetzt liegt der Ball bei den anderen Landkreisen, ihre Hausaufgaben zu machen“, so Fullmann weiter.

Auch die Leistungsfähigkeit der Kreisverwaltung stellt die CDU Kreistagsfraktion in Frage. Neben dem höheren Aufwand in der Ausländerbehörde entstünden zusätzliche Aufgaben im Gesundheitsamt und dem Fachbereich Jugend. Außer den höheren Kosten müsste das Augenmerk jetzt auch auf die Mitarbeiter gelegt werden, die vor einer Überforderung geschützt werden sollten. „Die Kreisverwaltung darf vor ihren originären Aufgaben nicht kollabieren. Darüber hinaus muss die Polizei gehört werden und auch die medizinische Versorgung muss gesichert sein.“

Andere Mitglieder des CDU-Kreisverbandes äußerten sich ebenfalls entsetzt. „Mit einer solchen Entscheidung verspielen wir den letzten Kredit bei unserer Gesellschaft“, sagte der Bleicheröder Bürgermeister Frank Rostek als stellvertretender Kreisvorsitzender. Jedoch stellt er klar: „Wer bei uns Zuflucht aufgrund von Krieg, drohendem Tod oder Vertreibung sucht, muss Schutz finden. Der eingeschlagene Weg in den vergangenen Jahren zeigte auch positive Erfolgsgeschichten, wie Integration gelingen kann.“

Schlussendlich macht sich aber auch im Nordhäuser Kreisverband der CDU die Einsicht breit, in der Vergangenheit unter Altbundeskanzlerin Merkel wichtige Entwicklungsprozesse nicht richtig eingeschätzt zu haben. Die Pressemeldung des Parteivorstandes schließt mit dem Satz: „Selbstkritisch und demütig blickt der Kreisverband jedoch auch zurück, dass die Entscheidungen aus dem Jahr 2015 heute wohl sicher so nicht mehr getroffen werden dürfen.“
Olaf Schulze