Landrat und Ministerin stellten sich den Sülzhaynern

Hitzige Dispute um Flüchtlingsunterbringung

Mittwoch
15.11.2023, 18:45 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Eine besondere Situation für den Landkreis sei es, dass in Sülzhayn zwei Gemeinschaftsunterkünfte betrieben werden, sagte Landrat Matthias Jendircke gestern bei der Bürgerversammlung in Sülzhayn. „Wir haben uns den Ort aber nicht nur auf der Karte und aufgrund seiner Randlage ausgesucht.“ …

Landrat und Ministerin diskutierten mit Sülzhayner Bürgern über die Flüchtlingskrise (Foto: C.Wilhelm) Landrat und Ministerin diskutierten mit Sülzhayner Bürgern über die Flüchtlingskrise (Foto: C.Wilhelm)

Es sei vielmehr dem Umstand geschuldet gewesen, dass es sich um eine leerstehende Schule handelte, die dem Landkreis im Vorfeld mehrfach zum Kauf angeboten wurde. Ebenso wurde das Haus „Hohnstein“ in Sülzhayn, das zuvor dem Südharz Klinikum gehörte, mehrfach zum Kauf angeboten. Den Kaufinteressen wurde seitens des Landkreises vollumfänglich entsprochen. „Im Landkreis gibt es gegenwärtig zehn Gemeinschaftsunterkünfte“, erklärte Jendricke weiter. Zuletzt wurde eine Einrichtung in Bleicherode belegt, wobei immer der Aspekt einer Schulanbindung auch berücksichtigt werden müsse. Ebenso das Vorhandensein von Sanitäreinrichtungen und Waschgelegenheiten.

Einer Vollauslastung der Systeme durch die Zureise von rund einer Million Ukrainern im vergangenen Jahr sei schuld daran, dass es jetzt keine Möglichkeit gebe, Menschen innerhalb eines vorgesehenen Zeitfensters aus den Gemeinschaftsunterkünften in den Wohnungsmarkt zu bringen. Diese Situation herrsche zwischenzeitlich in ganz Thüringen vor, wobei sich der Landkreis Nordhausen in der glücklichen Lage befände, hier noch Objekte vorgehalten zu haben, in denen Menschen kurzfristig untergebracht werden können, während andere Städte und Kreise Objekte bereits wieder verkauft haben und auf Sporteinrichtungen ausweichen müssen.

Darum stellte Landrat Matthias Jendricke (SPD) bei der Bürgerversammlung sein Umbau- und Modernisierungskonzept für die im Dorf bestehenden Gemeinschaftsunterkünfte vor. Jendricke strebt im Rahmen eines vom Land nunmehr bewilligten Fördermittelbudgets in Höhe von 4,7 Millionen Euro das Ziel an, einen Wohlfühlcharakter „durch individuellen Wohnkomfort“ in die bestehenden Gemeinschaftsunterkünfte zu bringen: „Wir werden die Wohneinheiten so konstruieren, dass sich die Menschen darin noch wohler fühlen können“, erklärte der Landrat gestern Abend vor den rund 100 gekommenen Einwohnern von Sülzhayn, die sich an einer Straßensperre vorbei und bei schlechtem Wetter im Haus des Gastes einfanden, um ihre Anliegen an den Landrat und Migrationsministerin Denstädt heranzutragen.

Niemand würde sich in einem Klassenraum mit mehreren Personen untergebracht wohlfühlen. Diese ungemütliche Wohnsituation trage nun nach Ansicht des Landrates dazu bei, dass sich die Personen vermehrt im Freien aufhielten, (mit den bekannten Folgen und Schäden, die sie bereits im Ort angerichtet haben). Der Wohnstandard, der bereits in Teilen des Gebäudes der ehemaligen Förderschule vorhanden ist, solle nun auch auf die restlichen Ebenen ausgeweitet werden.

Haus Hohnstein, in dem derzeit rund 80 Ukrainerinnen und Ukrainer untergebracht sind, hätte bereits beim Erwerb einen höheren Wohnstandard besessen. Aber die individuelle Nutzung als Wohnbereich sei hier auch noch nicht entsprechend gegeben, erläuterte der Landrat.
Moderiert wurde die Veranstaltung durch Reinhard Waldeck. Im Fokus der Diskussion stand ein Fünf-Themen-Plan, in dem es unter anderem darum ging, ob weiterhin Menschen in den Ort kommen, die keine Bleibeperspektive hätten, so wie das jetzt auf einen Großteil der in der Gemeinschaftsunterkunft Dr.-Kremser-Straße ansässigen Personen zuträfe. Bemängelt wurde von Waldeck auch die sehr kurzfristige Ankündigung der Veranstaltung mit sehr schlankem Aushang, wobei der Eindruck entstehen könnte, eine Teilnahme vieler Menschen an der Veranstaltung sei unter Umständen nicht gewollt. Der Landrat erwiderte, er befände sich erst den ersten Tag nach einem Krankenhausaufenthalt wieder im Amt und wusste nur kurzfristig, ob die Veranstaltung in der Besetzung stattfinden könnte oder noch einmal verschoben werden müsste.

Der Landrat führte weiter aus, es sei gelungen, aus Alt-Leerstand Wohnraum zu schaffen. So konnten 400 Ukrainer in diesem Jahr untergebracht werden. Im kommenden Jahr könnte mit weiteren 600 Ukrainern gerechnet werden. 

Schulsport und Sporthallen einzuschränken, sei die letzte zu ergreifende Maßnahme, stellte er noch einmal klar. Diese wären in der Corona-Zeit schon stark in Mitleidenschaft gezogen worden. In Sülzhayn seien zum Glück noch freie Kapazitäten, auf die man während der geplanten Umbaumaßnahmen im kommenden Jahr (voraussichtlich von März bis Dezember) zurückgreifen kann. Anders verhielte es sich in der Rathsfelderstraße in Nordhausen, wo derzeit 78 von 80 Plätzen belegt seien. Dort seien Männer untergebracht, während man in Sülzhayn das „Familienmodell“ bevorzugt anwenden wolle. Wenn nun größtenteils
nur Männer in den Landkreis kämen, liege das nicht in der Macht des Landrates.


Die Rettungstreppe der Kita sei marode, aus diesem Grund könne die obere Etage derzeit nicht genutzt werden und des weiteren benötige die Feuerwehr dringend insbesondere beim Gerätehaus eine Sanierung, wurde ihm von der Bürgerschaft entgegen gehalten. Man solle einen Förderverein Kita gründen, um Lottomittel beantragen zu können, schlug die anwesende Thüringer Migrations-Ministerin Doreen Denstädt kurzerhand vor. Der Landrat versprach ab dem kommenden Jahr eine Zahlung in Höhe von 10.000 Euro, die dem Vereinsleben zum Beispiel zugute kommen solle. Auch könne er das eine oder andere Unterstützungsschreiben bei der Beantragung von Fördermitteln durchaus aufsetzen.

Ellrichs Bürgermeister Henry Pasenow (CDU) sieht in seiner Haushaltsplanung kein Budget für den Einsatz zusätzlicher Sicherheitskräfte in Sülzhayn. Der bestehende Vertrag mit den privaten Sicherheitsunternehmen laufe bis zum 31. März kommenden Jahres aus.

Auch die Verkehrslage macht den Sülzhaynern Sorgen. Ständig würden gerade in den Abendstunden 
Migranten auf Verkehrswegen unterwegs sein ohne eine entsprechende Warnkleidung. Vorgeschlagen wurde eine Buslinie, die nach 20 Uhr auch noch einmal nach Sülzhayn fährt und hier einen entsprechend sicheren Personentransport regelt. Auch ein 24-Stunden-Markt, so wie in Görsbach wäre denkbar. Der könnte dann auch von den anderen Einwohnern in Sülzhayn genutzt werden.

Diesen Vorschlag unter Finanzierung des Kreises lehnte der Landrat gestern Abend sofort ab. Man könnte aber 
über ein genossenschaftliches Modell nachdenken, in dem sich Sülzhayner an dem Einkaufsprojekt beteiligten.

Reinhard Waldeck brachte noch die Idee einer Haftpflichtversicherung für die Flüchtlinge in die Diskussion ein. Diese könnten angerichtete Schäden im Rahmen einer solchen Versicherung, die für die meisten Deutschen selbstverständlich ist, an die Gemeinde kurzfristig zurückzahlen. Viele Migranten seien nicht einmal darüber informiert, dass die Möglichkeit besteht, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen.
Landrat Jendricke wies darauf hin, dass es auch Deutsche gibt, die keine Haftpflichtversicherung haben.

Klaus-Dieter-Lechte konnte nicht verstehen, warum 4,7 Millionen Euro für die Sanierung von Gemeinschaftsunterkünften im Ort ausgegeben werden, sich aber nicht um die Sicherheit der Kinder gesorgt wird. Andere Sülzhayner fragten die Politiker, wann denn endlich mal eine Aufnahmegrenze für Asylanten erreicht sei und das ständige Kommen und Gehen aufhört. Jendricke beteuerte, dass, wenngleich Menschen sowieso weiterhin ankommen würden, er zumindest sein Augenmerk darauf legen würde und auch bereits in der Vergangenheit gelegt hat, dass die neuen Mitbürger aus ähnlichen Kulturkreisen wie dem unseren kommen. Wie zum Beispiel Menschen aus der Ukraine.

Außerdem sei es nicht weiter tolerierbar, und hier wendete sich der Landrat nun an die Jobcenter, die Arbeit vermitteln sollen, dass Menschen herkommen und sich dann sinngemäß auf der faulen Haut ausruhen. Es sei zu erwarten, dass nach spätestens einem Jahr ein abgeschlossener Sprachkurs nachzuweisen sein sollte oder eine Leistungskürzung seitens der Agentur für Arbeit und den zuständigen Jobcentern erfolgt. Auch könnten Männer, die kämen, sogar ohne einen solchen Sprachkurs zumindest einen Lkw fahren

Im pädagogischen Kontext wäre es auch sinnvoll, dass das Bundesamt für Migration seine derzeitigen Qualitätsansprüche an die Unterrichtung der Flüchtlinge in unserer Muttersprache herabsetzt. Die Wartelisten mit Menschen, die Deutsch lernen wollen, seien sehr hoch, wisse er aus Lehrerkreisen.

Angehängt finden Sie hier als. pdf-Datei das Positionspapier mit den fünf Themen der Sülzhayner Bürger, das Grundlage für das Gespräch war.
Cornelia Wilhelm