Buchkritik zu einem Werk über Caroline v. Humboldt

„Ich habe mit den Kunstsachen aufs Vertrauteste gelebt“

Mittwoch
15.11.2023, 14:30 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Im Sommer hat die Nordhäuserin Heidelore Kneffel ein neues Buch veröffentlicht. Unter dem Titel „Ich habe mit den Kunstsachen … aufs Vertrauteste gelebt“ begibt sich Heidelore Kneffel in ein kulturhistorisches Universum, das das Leben der Caroline von Humboldt (1766 – 1829) umspannt. Eine Rezension von Christina Stauch...

Das Humboldt-Schloss in Auleben (Foto: H.Kneffel) Das Humboldt-Schloss in Auleben (Foto: H.Kneffel)
Kneffels überaus zahlreiche und detaillierte Informationen zu Orten und Menschen fügen das Leben der von Humboldt förmlich zu einer Kunst-/historischen Zeitreise. Sie beginnt in frühester Jugendzeit der Caroline von Dacheröden, in der sie bereits mit großem Interesse für die Kunst auffällt. Ihr Elternhaus in Erfurt, am Anger – heute wie damals als das „Haus Dacheröden“ bekannt - wird als wesentlicher Impulsgeber vorgestellt, in dem die Kunst zum Leben dazu gehört, als ein Haus, das Künstlerinnen und Künstlern offen steht, in dem ihr, als junges Mädchen, künstlerische Bildung ermöglicht wird.

Am 22. November um 19 Uhr wird Heidelore Kneffel im Pfarrhaus von Auleben ihr neues Buch persönlich vorstellen.

Neben biografischen Aspekten aus dem Leben der von Humboldt beleuchtet Kneffel eine Vielzahl anderer Personen, die Caroline von Humboldt auf ihrem Lebensweg begleitet haben, diesen geebnet und geprägt haben. Dazu gehören politisch und künstlerisch einflußreiche Personen dieser Zeit, wie Karl-Theodor Freiherr von Dalberg, Johann Christian Kittel und Johann Wilhelm Häßler sowie Johann Wolfgang von Goethe. Aber auch weniger bekannte Persönlichkeiten hebt Kneffel hervor, wie den Pädagogen und Schriftsteller Rudolph Zacharias Becker, der sie als Hauslehrer fördert oder den Juristen und Buchhändler Constantin Beyer, den die Humboldt aus ihrer Jugendzeit aus Erfurt kennt.

Auch Frauen sind im Leben der von Humboldt bedeutungsvoll, wie die Schwestern Charlotte von Lengefeld, die spätere Frau des Dichters Friedrich Schiller, und deren Schwester Caroline, mit denen Caroline von Humboldt eine langjährige Freundschaft verbindet, oder die Dichterin Christiane vom Hagen, die auf einem Rittergut im thüringischen Stöcky lebt, von deren Wirken sie sich beeindruckt zeigt. Kneffel lässt nicht unerwähnt, dass Emilie Maria Werkhaupt, eine Gärtnerstochter aus Auleben, viele Jahre als Kinderfrau an der Seite der von Humboldt lebt.

Die Güter der von Dacheröden in Burgörner und Auleben, am „Südrand der goldenen Aue“, wie diese Landschaft zwischen Nordhausen und Sangerhausen gerühmt wird, sind von Kneffel als wesentliche Orte für Caroline von Humboldt seit ihrer Kindheit dokumentiert, „…die (Bewegungs-) Freiheit für eine junge Frau war größer und ungezwungener als in der Stadt.“ In Auleben wird sie Jahre später mit Wilhelm von Humboldt gemeinsam mit der ersten Tochter über einige Monate leben. Diese Abgeschiedenheit bietet Raum für erste gemeinsame Studien, die sich für ihr späteres kenntnisreiches Agieren als Kunst- und Künstlerförderin als sehr wertvoll erweisen werden. Insbesondere Studien zur griechischen Sprache und Studien zur Antike gehören dazu. Kneffel erwähnt in diesem Zusammenhang den „im Hohnsteinischen“, in Hainrode geborenen und späteren Professor der Philologie an der Universität in Halle, den Freund Friedrich August Wolf, der diese Studien begleitet hat.

Die Beziehung zu Wilhelm von Humboldt schenkt Kneffel größte Aufmerksamkeit, beginnend bei ihren ersten Begegnungen in Burgörner und Erfurt. Wichtig erscheint dabei, daß Wilhelm von Humboldt die freie und unabhängige Entwicklung seiner Frau, die sie als grundlegend für ihre Beziehung erachtet, unterstützt.

Kneffel erwähnt die vielen gemeinsamen Reisen der Humboldts, nach Dresden, Prag und Wien, später nach Frankreich und Spanien, wobei Caroline von Humboldt auch mehrmals allein mit ihren Kindern Reisen unternehmen wird. Als vorrangiges Reisemotiv stellt Kneffel dabei immer wieder das Kunstinteresse der Caroline von Humboldt heraus.

Von größter Bedeutung werden die Jahre der Caroline von Humboldt in Italien, in Rom beschrieben. Sie beginnen mit der Entsendung Wilhelm von Humboldts in den Diplomatischen Dienst Preußens „beim Päpstlichen Stuhl“, im Jahr 1802 und umfassen Abschnitte, in denen Caroline von Humboldt auch in Abwesenheit Ihres Mannes gemeinsam mit ihren Kindern lebt, wo sie, ganz nach ihren Vorstellungen, einen Künstlerkreis gründen wird.

Kneffel belegt, dass Caroline von Humboldt eigenständig Künstler fördert und deren künstlerisches Schaffen als Mäzenin nachhaltig beeinflusst hat. Dazu gehören Künstler wie Christian Gottlieb Schick, Wilhelm Schadow, Christian Friedrich Tieck, oder später Christian Daniel Rauch, Joseph Anton Koch, Bertel Thorvaldsen und Carl-Philipp Fohr. Und Kneffels kenntnisreiches Wissen lässt darüber hinaus eine Vielzahl anderer Künstler in Erinnerung bringen – ihre Verflechtungen, ihre Lebenssituationen – ihre künstlerischen Wege, im Kontext mit den politischen Umbrüchen jener Zeit – mit den tiefgreifenden Veränderungen in Europa, infolge der Napoleonischen Kriege Ende des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts.

Biografische Beschreibungen wechseln sich mit Beschreibungen von Kunstwerken ab, die in Verbindung mit dem Leben der Familie von Humboldt entstehen. Kneffel stellt aber auch Kunstwerke vor, die mit ihrem Motiv und Stil die von Humboldt beeindruckt haben. Neben ihrer Rolle als Mäzenin entwickelt sich Caroline von Humboldt zu einer geschätzten Kunstsammlerin. Vor allem aber sind es ihre Bildbeschreibungen, die in interessierten Kreisen Aufmerksamkeit erlangen. Erwähnt werden müssen hierbei insbesondere ihre ca. 300 beschriebenen Bildwerke aus den königlichen Sammlungen und Kirchen Spaniens, die Johann Wolfgang Goethe, in Verbindung mit der Arbeit an seiner Farbenlehre, von ihr erbittet.

Kneffel schenkt insbesondere dieser Tätigkeit Beachtung, indem sie alle zehn Kapitel des Buches jeweils mit dem Ausschnitt des Augenpaares derer von Humboldt eröffnet. Zudem überschreibt Kneffel ihr letztes, das 10. Kapitel, mit einem Zitat aus einer Bildbeschreibung der von Humboldt, womit ihre Aufzeichnungen enden: „… und der Lorbeer wiegt sich hoch und schwankt in den blauen Lüften“.

Und immer wieder deutet Kneffel auf die Bescheidenheit hin, mit der Caroline von Humboldt ihr Leben bestreitet – erwähnt Schicksalsschläge, die das Leben der von Humboldt verwundbar machen. Aber vor allem erwähnt sie deren Engagement, ihr großes Interesse für die Kunst – dass Kunst wesentlich für Ihr Leben ist.

Kneffel gelingt es deutlich zu machen, dass Caroline von Humboldt eine größere solitäre Anerkennung in der Kunstgeschichte zusteht als dies derzeitig zu vernehmen ist. Daß das eigenständige Lebenswerk der Caroline von Humboldt neben ihrem Mann Wilhelm und ihrem Schwager Alexander bestehen kann.

Hervorzuheben in diesem Buch sind zudem die den Texten begleitende Fotos, die die zahlreichen Aufenthalts- und Lebensorte sowie die umfangreiche Auswahl von Kunstwerken dokumentieren. Fotokunst, die ausschließlich von Kneffel geschaffen wurde.

Im Zusammenspiel ihrer Beschreibungen mit den zahlreichen Zitaten und diesen Fotos gelingt es Kneffel, das Lesen selbst zu einem Kunstgenuß werden zu lassen.

Aufgrund der umfangreichen Personendichte wird es als bedauerlich empfunden, daß es diesem Buch an einem Namensregister fehlt. Zudem lässt es eine Zeittafel vermissen, die die Lebensetappen der Caroline von Humboldt chronologisch abbildet. Beides sind jedoch hinnehmbare Aspekte, überwiegen doch die kunsthistorischen Entdeckungen, die dieses Buch zu bieten hat.

Das Buch fällt bereits durch seine Größe auf, es hat 240 Seiten und ist über die ISBN 978-3-948269-05-0 an ausgewählten Orten erhältlich.
Christina Stauch