Betrachtet:

Ist es eigentlich nicht schon zu spät?

Dienstag
07.11.2023, 17:00 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Der Kipppunkt - das Schlagwort der Klima-Besessenen. Ich kann es kaum noch lesen. Während jedoch damit in Klimafragen inflationär umgegangen wird, sollte vielleicht einem Kipppunkt in einer anderen gesellschaftlichen Notsituation mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden…

Es war der 31. August 2015. Die ersten Flüchtlinge kamen an. Eine Turnhalle in Nordhausen wird als Notunterkunft eingerichtet. (Foto: nnz-Archiv) Es war der 31. August 2015. Die ersten Flüchtlinge kamen an. Eine Turnhalle in Nordhausen wird als Notunterkunft eingerichtet. (Foto: nnz-Archiv)
Spätestens seit den frühen Morgenstunden müsste auch dem letzten Verfechter der multikulturellen Gutmenschen-Gemeinschaft klar sein, dass der Kipppunkt der gesellschaftlichen Veränderung nicht erreicht, sondern überschritten ist. Wer noch ein letztes Fünkchen Hoffnung in Richtung der Regierenden hatte, wird sich entweder enttäuscht in seinen “eigenen Wirkungskreis” zurückziehen oder sich dafür wappnen, was uns alle in den kommenden Jahren erwarten könnte.

Als “historischer Moment” wurde das heute politisch abgefeiert und medial beklatscht, was sich Ministerpräsidenten und der Bundeskanzler in der Nacht gegeneinander abgerungen haben. Die einzelnen Punkte kann man in den Leitmedien nachlesen, deren gedruckte Ausgaben künftig mit einem Millionen-Projekt der Bundesregierung gepampert werden sollen, damit das Papier auch ja in jedes Dorf kommt.

Zurück zum Moment der Historie: Der interessierte Medienkonsument kann sich die Punkte der Einigung noch so oft durchlesen, es bleibt dabei: wer die Grenze nach Deutschland überschritten hat und “Asyl” sagt, vorher noch seine eigenen Pässe entsorgt hat, der wird bleiben. In den meisten Fällen für immer. So wie es in diesem Jahr vermutlich knapp 300.000 Männer, darunter einige Frauen und Kinder, bleiben werden. Deutschland hat noch Platz, hörte und höre ich aus der Ecke der "Gut-Menschen".

Natürlich haben wir noch Platz, vor allem in den Kommunen, die sich vor einiger Zeit zu sogenannten sicheren Häfen erklärt haben, wie auch Landrat Matthias Jendricke in einem SPON-Artikel zitiert wird. Doch genau dort liegt das Problem, das mir im September bei einer Bustour auf Kos, dieser kleinen sympathischen griechischen Insel, erklärt wurde.

Der Reiseleiter mit Namen Georgios kam als Neunjähriger in den 1960er Jahren mit seiner Familie nach Deutschland. Gastarbeiter nannte man das damals. Untergebracht war die Familie (Vater und Mutter arbeiteten vom ersten Tag an) in einem Dorf im Hessischen. Die Eltern und ihre Söhne waren in dem 1000-Seelen-Ort die einzigen Ausländer. Es bedurfte keines Integrationskurses, keines Deutschkurses. Nach “sechs Monaten konnte ich perfekt Deutsch in Wort und Schrift, denn ich wollte in der Schule lernen und in der Freizeit spielen. Mit deutschen Kindern”, berichtete Georgios, der heute die 70 überschritten hat und er fügte hinzu: “Bei Euch in Deutschland wird das nicht mehr möglich sein, da sind schon zu viele, die brauchen Euch nur noch zum Geldabholen.” Gemeint waren die “Gäste”.

Kurz und knapp hatte Georgios erklärt, was hier in Deutschland Sache ist. Selbst in der Nordthüringer Provinz gibt es für nahezu jede Ethnie eine Gemeinschaft, auch für jede Religion. Man trifft sich, man berät sich, man hilft sich, man kauft ein, wo Landsleute hinter dem Tresen stehen, man spricht verschiedene Sprachen - nur eben Deutsch nicht. Ich esse gern in Gaststätten, wo eine gut-bürgerliche Küche angeboten wird. Dort habe ich aber noch keine muslimische Familie gastieren sehen, obwohl es auf der Speisekarte auch Gerichte ohne Schweinefleisch gibt. Sicher, das ist nur eine Facette dessen und natürlich mein ganz persönlicher Eindruck, aber es ist ein Teil des Mosaiks, das sich immer mehr zusammensetzt.

Ich habe mir die “Beschlüsse” des "historischen Moments" der zurückliegenden Nacht mehrfach durchgelesen. Man wolle eine “Kommission zur besseren Steuerung der Migration” einsetzen. Die Kontrollen an den Grenzen werden beibehalten. Die SPD-geführten Bundesländer lehnen Asylverfahren in Drittstaaten ab, obwohl die Bundesregierung das prüfen wolle. Und dann solle die Zeit des Leistungsbezugs nach dem Asylbewerberleistungsgesetz von 18 auf 36 Monate erhöht werden. Vielleicht habe ich ein entscheidendes Detail des "historischen Momentes" übersehen, aber von Abschiebungen war da ebenso wenig zu finden wie konkrete Maßnahmen der tatsächlichen Verhinderung des weiteren Zustroms nach Deutschland. Es bleibt dabei: wer es geschafft hat, der wird bleiben.

Es wird also alles so weitergehen wie bisher und wäre der Überfall der Hamas auf Israel mit all seinen Folgen für Deutschland nicht gewesen, dann hätte es diesen historischen Moment überhaupt nicht gegeben. Ich weiß nicht, ob die uns Regierenden die Bilder aus Berlin oder Essen überhaupt als das wahrgenommen haben, was sie vermutlich ausdrücken sollten. Sie waren eigentlich nicht nur Protest gegen Israel, sondern eine Demonstration der Macht.

Warum die eigentliche Macht des Staates, also die Polizei in Berlin und Essen nicht mit der gleichen Stärke dagegen vorgegangen ist, wie 2021 und 2022 gegen sogenannte Corona-Leugner, das erschließt sich mir nun wirklich nicht. Aber vielleicht ist es ja auch schon zu spät. Vielleicht gehört der gesellschaftliche Kipppunkt schon der Vergangenheit an? Dann wird es den Namen Anne Frank für Kitas und Schulen in diesem Land nicht mehr geben.
Peter-Stefan Greiner