10 Jahre Schulsozialarbeit im Landkreis

Angekommen, mittendrin und bald gekürzt?

Mittwoch
01.11.2023, 15:46 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Vor zehn Jahren war die Einführung der Schulsozialarbeit im Landkreis nicht ganz unumstritten, heute ist sie aus den Schulen kaum noch wegzudenken. Man mag die Unterstützung abseits der reinen Wissensvermittlung nicht mehr missen, ob es aber weitergehen kann wie bisher ist im Moment unklar…

Vor 10 Jahren wurde begonnen, die Schulsozialarbeit im Landkreis zu etablieren, Symbolbild (Foto: nnz-Archiv) Vor 10 Jahren wurde begonnen, die Schulsozialarbeit im Landkreis zu etablieren, Symbolbild (Foto: nnz-Archiv)


Im Jugendclubhaus kam man heute zusammen, um die Einführung der Schulsozialarbeit im Landkreis vor zehn Jahren zu feiern - Diskussionsrunde, Fachvortrag, Workshops, Kaffee, Kuchen - volles Programm unter dem Motto "Angekommen, mittendrin". Man hat durchaus Grund sich zu freuen, die Sozialarbeit hat sich an vielen Schulen zum festen Bestandteil des Alltags entwickelt. Vor dem Startschuss im Jahr 2013 hatte man vereinzelt mit befristeten Projekten experimentiert und in manchem Lehrerzimmer gab es Vorbehalte gegen die „Anderen“, die da von außen in die Schulen hineinstoßen sollten.

Die Sozialpädagogen waren „das unbekannte Wesen“ umschreibt Dr. Bernd Uwe Althaus die Situation damals, heute arbeite man in den Kollegien wie selbstverständlich Hand in Hand, so der Leiter des Nordthüringer Schulamtes weiter. „Schule ist mehr als x mal 45 Minuten Unterricht, sie ist keine Käseglocke, die abgeschottet vom Sozialraum existiert. Es wird alles mit hineingebracht.“, sagt Althaus, der selber Schulleiter im Eichsfeld war.

Schulleiter Andreas Trump will seine Schulsozialarbeiter nicht mehr missen müssen (Foto: agl) Schulleiter Andreas Trump will seine Schulsozialarbeiter nicht mehr missen müssen (Foto: agl) Ein praktisches Beispiel, was das für die Schulen bedeutet, hat Andreas Trump, Direktor des Herder-Gymnasiums. Hier wurde die Schulsozialarbeit im Zuge der Corona-Krise etabliert und hat sich zügig als tragfähiger Stützpfeiler im Schulalltag etabliert. „Wir haben Fälle gehabt, die wären früher schlicht durch das Raster gefallen, Schülerinnen und Schüler, die nicht wegen ihrer intellektuellen Leistungen scheitern, sondern aufgrund ihrer sozialen Umstände. Wenn du die Leistung nicht bringst, dann rauscht du durch, im schlechtesten Fall bis ganz nach unten - das war die Realität. Heute können unsere Schulsozialarbeiter eingreifen und das abfangen, mit den Schülern, Eltern, den Ämtern und auch den Kollegen zusammen an den Problemen arbeiten. Und unsere Fachlehrer haben wieder den Kopf frei für ihre eigentliche Arbeit.“ 113 Beratungen un Einzelfallhilfen für Schülerinnen und Schüler, 66 Projekt- und Gruppenarbeiten, 28 Eltern- und 65 Lehrergespräche sowie sechs akute Kriseninterventionen haben die beiden Schulsozialarbeiter im Herder allein seit diesem Frühjahr geleistet und das nicht in Vollzeit.

Die soziale Arbeit an den Schulen darf also wohl mit recht als Erfolg betrachtet werden, da sind sich die Anwesenden im Clubhaus einig. In Zeiten, in denen die Problemlagen in den Familien zu nähmen und Überforderung im Elternhaus häufige vorkomme, sei die Schulsozialarbeit zu einer Art „Vorposten“ für das Jugendamt geworden, lobt auch Stefan Nüßle, der als erster Beigeordneter im Landkreis für die Umsetzung zuständig ist. Mit 450.000 Euro wurde die Arbeit im Jahr 2014 finanziert, heute gibt man über eine Million Euro aus, Tendenz steigend. Gut angelegtes Geld, heißt es auch aus dem Jugendhilfeausschuss und es dürfte gerne noch mehr sein, denn noch ist der Ansatz nicht an allen Schulen verankert. Von „gezielter Ungleichheit“, spricht Althaus, das Prinzip Gießkanne funktioniere in Anbetracht vieler regionaler Unterschiede in Nordthüringen nicht. Die Verfechter der Schulsozialarbeit in Nordhausen würden es dennoch gerne sehen, wenn der Ansatz in der Fläche und an jeder Schule umgesetzt werden könnte.

Der Knackpunkt, der wie das Damoklesschwert über der Feierlichkeit schwebt ist aber wie so oft das Geld. Die Finanzierung der Schulsozialarbeit für das kommende Jahr ist noch nicht in trockenen Tüchern, vom gewünschten Ausbau ganz zu schweigen. Am Herder-Gymnasium und der Grundschule Nohra etwa wurden die Stellen bisher aus dem Programm „Aufholen nach Corona“ finanziert. Das läuft nun aus, ohne beschlossenen Landeshaushalt ist die Finanzierung offen. Der Landkreis müsste also einspringen, rund 70.000 Euro, schätzt Trump, bräuchte man um die Stellen bis Ende des Schuljahres zu halten. An anderer Stelle stehen zumindest Kürzungen an, wenn der Landkreis nicht einspringt und das Delta aus der eigenen Tasche finanziert, Kostenpunkt hier: rund 300.000 Euro.

Wenn die Schulsozialarbeit wegfiele, komme dass einer Katastrophe gleich, sagt Schulleiter Trump, man bräuchte eigentlich eher mehr Engagement an dieser Stelle, im Moment kämpfe man darum, den Stand „einzufrieren“. Die Signale die heute aus Richtung der Verwaltung gesandt wurden, sind aber zumindest verhalten positiv. Der Vorsitzende des Jugendhilfeausschussses, Alexander Scharff, dankte nicht nur den Beteiligten und lobte die engagierte Arbeit von Seiten des Landratsamtes, er pochte auch auf die langjährige, überparteiliche Arbeit im Ausschuss. Man suche gemeinsam nach Lösungen, nicht nur um die Schulsozialarbeit zu erhalten und gut zu bezahlen, man werde auch gemeinsam darum kämpfen, die Mittel aufzustocken. Für andere Themen werde viel Geld in die Hand genommen, ergänzt Stefan Nüßle, da sollte es an dieser Stelle nicht mangeln.

Der größte Unsicherheitsfaktor liegt derweil in Erfurt, erst wenn man sich hier einig wird, kann man auch in Nordhausen sicher planen. Wobei der Landkreis hier allein auf weiter Flur steht, kritisiert Schulleiter Trump. 15 der 17 Thüringer Landkreise finanzierten die Schulsozialarbeit aus eigener Tasche, Nordhausen hinke hinterher. Es brauche in den kommenden Diskussionen ein einheitliches Votum pro Schulsozialarbeit, die nächste Gelegenheit ein Zeichen zu setzen ist am kommenden Dienstag im Kreistag.
Angelo Glashagel