Was wird aus dem Arboretum?

Erinnerungen an den Lindenhof

Donnerstag
26.10.2023, 11:35 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Wie geht es weiter am Lindenhof? Im jüngsten Stadtrat war das Areal am Geiersberg wieder einmal Thema. Finden sich Käufer, könnten mehr Bäume fallen als bis dato geplant. Für Heidelore Kneffel Grund genug, ein paar alte Gedanken zu aktualisieren...

Denke ich an das obere Ende des Geiersberges in Nordhausen, steht mir neben der Gründerzeitvilla im Stil der Neorenaissance auch der besondere Park vor dem inneren Auge. 2006 habe ich unter dem Titel „Wird ein Wunder geschehn?“ einen umfassenden Artikel über dieses besondere Ensemble geschrieben, der mehrfach gedruckt wurde. Das Wunder geschah bis dato nicht, Abriss geistert durch Nordhausen.

Herbststimmung im Lindenhof (Foto: agl) Herbststimmung im Lindenhof (Foto: agl)


Sich zu erinnern, bringt Erkenntnisse! Es gab in dieser Stadt eine Persönlichkeit, von der es in einer Zeitungsveröffentlichung heißt: „Wenn man jetzt dem Lindenhof einen Besuch abstattet, um sich von dem Stand der Arbeiten zu überzeugen, so kommt man in das Reich Dr. August Stolbergs, der als guter Geist dort waltet.“ Dem Leser ist klar, der Beitrag stammt aus der Vergangenheit, ein guter Geist waltet dort seit Jahren nicht mehr, gearbeitet im Sinne von Erhalten wird gleichfalls nicht und Dr. Stolberg starb 1945. Das Zitat stammt von 1934, als im Lindenhof das Museum Nordhausens eingerichtet wurde. Eine Persönlichkeit wir die des Dr. Stolberg in seiner Vielfalt von Gedanken zum Erhalt von Kultur täte Nordhausen gut. Wo ist jemand in der Stadtverwaltung, im Stadtrat, dessen Herzblut mit Vehemenz für den Erhalt außergewöhnlicher historischer Gebäude fließt und der die Bedenken durch Ideenreichtum zerstreut. Mir hat er oder sie sich noch nicht wirklich offenbart, vielleicht erkenne ich die Signale nicht, obwohl ich mich darum wirklich bemühe. Für mich besteht nach wie vor die Frage, wieso musste in der BRD die Ausbildung von Grundschullehrern in Nordhausen untergehen? Die beiden Gründerzeitvillen Hohenrode und Lindenhof hätten stabilere Zeiten gehabt und wir nicht so viele unbesetzte Lehrerstellen.

Die Villa Lindenhof in der Zeichnung von 1888 (Foto: Heidelore Kneffel) Die Villa Lindenhof in der Zeichnung von 1888 (Foto: Heidelore Kneffel)


Die ungute Erinnerung an einen Stadtratsbeschluss aus der Zeit, als Barbara Rinke Oberbürgermeisterin war und Geld für das Decken des Daches der Villa bereitstand, sitzt tief in mir - der Stadtrat lehnte mit Mehrheit ab. So konnte nun Feuchtigkeit von oben ungehindert in das Gebäude dringen und die Decken zum Einsturz bringen. Wir gehen in den März 2000, da legte die Diplomingenieurin für Freiraumplanung und Landschaftspflege, Dorothea August, aus Ellrich gebürtig, eine genaue Auflistung aller vorhandenen Bäume des Parkes an. Neben dem Bestandsplan erarbeitete sie einen Leitplan zur Erhaltung des Parkes, der von seinem Besitzer, dem Kommerzienrat Moritz Riemann, als Arboretum angelegt worden war.

Ihre Studie entdeckte ich im Stadtarchiv Nordhausen, als ich im Landratsamt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig war. Ich kannte und schätzte die junge Frau sehr. Dieser um die Villa angelegte Park im „Englischen Stil“ weist größere Rasenflächen auf und besitzt als besonderes Augenmerk vor allem einen beträchtlichen Koniferenbestand, der vor dem 2. Weltkrieg das besondere Interesse der „Dendrologischen Gesellschaft“ Deutschlands und dessen Vorsitzendem erfuhr. In den letzten Jahren konnte sich Wildwuchs bis zur Villa ausbilden, keiner hinderte das. Trotzdem entdeckt man Eiben, die ein beachtliches Ausmaß besitzen, Kiefern, Lärchen, Fichten, Blaufichten stehen davon heute noch im Park trotz der Stürme, die auch hier tobten. Hinzu kommen Laubbäume, von denen besonders die Ahornbäume unterschiedlichster Art auffallen, Buchen beeindrucken. Vereinzelt sieht man Linden, Kastanien und Eichen, darunter zwei imponierende Pyramideneichen, eine Platane entdeckt man auch.

Vor kurzem sprach ich mit Hans-Wolfgang August von der Baumschule in Ellrich, dem Vater der Dorothea August, die mit nur 35 Jahren aus einem außergewöhnlich tatenreichen Leben gerissen wurde. Er sagte mir, dass er damals mit seiner Tochter im Arboretum war und sich um den beachtlich wertvollen Ahornbestand dergestalt kümmerte, dass er Bäume veredelte. Dorothea August ist sicher bei viele noch in Erinnerung, weil sie mit anderen 1995 den Verein „Jugend für Dora“ gründete, ehrenamtlich unermüdlich in ihm wirkte.

Ab 2005 arbeitete sie als Europaassistentin der Ramsar Konvention an internationalen Projekten zum Schutz von Feuchtgebieten, seit 2007 als Referentin für Süßwasser beim WWF Deutschland. Sie agierte auf internationalem Parkett und zeigte in ihrem Wirken außerordentliches Verantwortungsbewusstsein und einen Blick für das Ganze, was dem Lindenhof als Ensemble Not täte. Die Villa soll angeblich nicht mehr zu retten sein, aber, wieso manche den Park in das Abrissszenarium mit einbeziehen, soll wie begründet sein? Die Argumentation, dass, wenn der Lindenhof kein Denkmal mehr sei, dann sei es auch das Arboretum nicht, mag wohl irgendwo aufgeschrieben worden sein vor einiger Zeit, besitzt aber trotzdem keine wirkliche Logik für Menschen, die das Verwaltungsmäßige nicht als das allein Gültige betrachten und für die das Thema Klimaschutz kein ausgedachter Fakt ist.

Welche herausragende Bedeutung ein Baumbestand besitzt, noch dazu in der Güte des Lindenhofarboretums, kann eigentlich 2023 in unseren Breiten, in Deutschland, in der Welt nicht mehr angezweifelt werden.
Heidelore Kneffel