Pilgerrastplatz im Park Hohenrode

Alle Wege führen nach Rom

Freitag
20.10.2023, 20:00 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Alle Wege führen nach Rom und einer davon passiert auch Nordhausen. Auf der „Via Romea Germanica“ sind heute wieder Pilger unterwegs und im Park Hohenrode sollen die in Zukunft Rast und Ruhe finden. Interesse an den alten „Kulturwegen“ Europas haben dabei auch Wissenschaftler und die EU…

Im Kutscherhaus des Parks Hohenrode war heute wieder der Pilgerweg "Via Romea Germanica" Thema (Foto: agl) Im Kutscherhaus des Parks Hohenrode war heute wieder der Pilgerweg "Via Romea Germanica" Thema (Foto: agl)


Auf den Pfaden und Wegen gen Rom war einst viel los, Pilgerwege die zur heiligen Stadt führten, gab es in ganz Europa. In den letzten Jahrzehnten erleben die alten Routen und das Pilgern an sich eine gewisse Renaissance. Dabei muss man sich nicht auf dem Jakobsweg nach Santiago drängen, es gibt von Ost nach West und Nord nach Süd einige Alternativen. In Italien spricht man von den „großen Drei“, erzählt Dr. Thomas Dahms, der aus Frankreich kommenden „Via Francigena“, der „Via Strata“, die aus dem Baltikum gen Rom führt und der „Via Germanica“, der „deutschen Straße“. Letztere wiederzubeleben hat sich Dahms als Wegebeauftragter für die „Via Romea Germanica“ zur Aufgabe gemacht.

Von Haus aus eher Planer als Pilger kam Dahms über sein Interesse an alten Wegebeziehungen an das Thema heran und stieß dabei auch auf Nordhausen. Die Reichsstadt lag auf dem Weg, den der Abt Albert von Staden einst beschritt und für nachfolgende Pilger auch beschrieb. Von Nordhausen aus ging es damals weiter nach Münchenlohra, Dietenborn und immer weiter gen Süden. Gute 800 Jahre später sind wieder Pilger unterwegs, wenn auch heutzutage nicht mehr nur religiös motiviert. Die Wanderer brauchen Rast und Obdach und hier hat sich im vergangenen Jahr der Park Hohenrode mit seinem Kutscherhaus ins Spiel gebracht.

Dr. Thomas Dahms kam über die technische Wegeplanung zur Pilgerei und blieb wegen der inneren Stärke und kulturellen Vielfalt der "Via Romea Germanica"  (Foto: agl) Dr. Thomas Dahms kam über die technische Wegeplanung zur Pilgerei und blieb wegen der inneren Stärke und kulturellen Vielfalt der "Via Romea Germanica" (Foto: agl) Heute nun war Dahms erneut zu Gast im Park und zwar in Begleitung. Leonardo Porcelloni ist Geograph an der Universität zu Verona und untersucht für die Europäische Union die „Kulturwege“ Europas. Dazu gehört zum einen die wissenschaftliche Auseinandersetzung, erklärt Porcelloni. „Wir haben hier ein interdisziplinäres Feld. Das fängt bei der Auswertung historischer Tagebücher an und geht über die Geographie zur Anthropologie und Soziologie. Wir beobachten welche Auswirkungen die Erschließung solcher Wegebeziehungen auf lokale Gemeinwesen hat, wie sich der Tourismus auswirkt, gerade auch in sonst eher entlegenen Gegenden, oder auch wie die Potentiale für Kooperation im lokalen wie überregionalen Bereich sind.“ Gedanken sich des Themas aus Nordhäuser Sicht von wissenschaftlicher Seite anzunehmen gibt es auch an der Hochschule, die mit Präsident Prof. Dr. Jörg Wagner heute auch im Park Hohenrode vertreten war.

Die „Via Romea“ sei hier besonders interessant, da der Weg in seiner Wiederbelebung noch ganz am Anfang stehe, erläutert Porcelloni. Auf etablierten Pfaden wie dem Jakobsweg sei es schwer eine Entwicklung zu fassen, auf dem „Deutschen Weg“ kann man Unterschiede noch Jahr für Jahr deutlich nachzeichnen. Beobachtungen, die auch Dr. Dahms macht. Nach der Pilgerwanderung im vergangenen Jahr hat man einige Kontakte knüpfen können, zur „Francigena“ in Frankreich und bis hinauf nach Trondheim, wo der „St. Olavsweg“ beginnt. Die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg soll bald weitere Früchte tragen, man plant die Wegabschnitte, die man sich teilt, auch einmal gemeinsam zu laufen. Europäische Völkerverständigung mit dem Wanderstock, wenn man so will.

Wer sich per pedes auf den Weg macht, der sollte am Ende des Tages wissen, wo man unterkommen kann. Hier kommt wieder Porcelloni ins Spiel, der im Auftrag des europäischen Rates auch ein Auge darauf haben soll, wie sich die „Kulturwege“ entwickeln. Dieses Siegel hat der deutsche Pilgerpfad 2020 erhalten, nach drei Jahren steht nun die Überprüfung an. Insgesamt 47 solcher Wege gibt es in Europa, wobei es sich nicht ausschließlich um alte Pilgerpfade handelt. Um den Status zu halten, müsse man aber auch Aktivität entfalten, erklärt Dahms. Infrastruktur, Sicherheit und Gastfreundlichkeit stehen bei der Evaluierung an entscheidender Stelle und für die „Via Germanica“ sieht es gut aus.

Ein Ort der Rast auf den rund 2.200 Kilometern zwischen Stade und Rom könnte der Park Hohenrode sein. Im vergangenen Jahr hatte man hier erstmals Pilger begrüßt, perspektivisch schwebt Gisela Hartmann eine Art Pilgerherberge im Kutscherhaus vor, ein fester Anlaufpunkt für Wanderer auf der „Via Germanica“. Aber einfach Türen aufschließen und hereinbitten - so leicht ist das in Deutschland nicht. Der Verwirklichung stehen noch einige bürokratische und bauliche Hürden im Weg, die man im Park aber nach und nach abbauen könnte. Eine Unterkunft für müde Wanderer sei auf dem alten Heuboden im Kutscherhaus unter bestimmten Vorraussetzungen denkbar, heißt es aus dem Park. Zeitnah und unkompliziert umsetzbar wäre aber zum Beispiel die Ausweisung von Stellplätzen für Zelte.

Eine Kooperation mit der Rothleimmühle pflegt man bereits, die Wegepaten die entlang der „Via Romeo“ Wanderern und Pilgern den rechten Weg weisen, stehen also schon jetzt nicht vor verschlossenen Türen. Wenn sich die Wiederbelebung des alten Pfades fortsetzt und sich mehr Wanderer und moderne Pilger auf Reisen begeben, wäre es sicher nicht verkehrt, wenn sich Nordhausen als feste Größe auf dem Weg nach Rom etablieren könnte.
Angelo Glashagel