Angemerkt

Jendricke und die “Gute” Seite des Rechts

Donnerstag
12.10.2023, 18:00 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Die Wellen des kommunalpolitischen Geschäfts schlagen wieder mal hoch. Im Mittelpunkt steht dabei ein Mann, der Gegenwind durchaus gewöhnt ist: Matthias Jendricke…


Ich kenne den jetzigen Landrat seit 1994, damals betrat er mit einem Pilotenkoffer voller Akten des Nordhäuser Stadtrat. Er wurde für seine SPD dorthin gewählt. Nach einigen Stadtratssitzungen wusste ich, dieser Mensch ist für die Politik geboren. Mitunter suchte er den Konflikt, wenn es ihm “zu langweilig” wurde.

Man konnte und kann ihm vieles in den folgenden Jahren nachsagen, nur: er hatte und hat eine gewisse Hochachtung vor den Regelungen, die einst in Verordnungen und Gesetze gegossen wurden. Jendricke legte sich dabei sehr oft mit den jeweiligen Regierungen in Land und Bund an, galt vielen stromlinienförmigen Politikern in Erfurt und Berlin als zu renitent und vor allem als nicht linientreu. Ich war in meinen zurückliegenden 31 Nordhäuser Jahren nicht unbedingt ein Fan von Matthias Jendricke. Wir hatten beide immer mal wieder so unsere Probleme miteinander, seine Fehler und Fehltritte wurden “mediale Höhepunkte”. Aber wir respektieren uns einander.

In seiner Zeit als Landrat hatte der Landkreis Nordhausen unter anderen eine der höchsten Rückführungsquoten in Richtung Balkan, er ließ sich offensichtlichen Betrug durch Ukrainer nicht gefallen und widersetzt sich nun störrisch den Forderungen der scheinbar “guten Seite” der kommunalen Politik und deren Verbündeter wie den Kirchen. Aus meiner Sicht gibt es deshalb auch keinen ersichtlichen Grund, die Beschwerde gegen die Suspendierung des wiedergewählten OB zurückzuziehen. Denn: die Situation hat sich nicht geändert und ein alter, weiser Spruch besagt: Menschen ändern sich nicht. Jüngst belegte eine Studie, dass sich die Charaktere von Menschen, wenn überhaupt, “dann etwa alle zehn Jahre zumindest ein bisschen” ändern.

Zurück nach Nordhausen: Wo käme mein noch vorhandener Rest-Glaube an den Rechtsstaat hin, wenn durch einen kommunalen Wahlakt, ein oder mehrere juristische Verfahren keine Gültigkeit mehr hätten? Darüber haben ausschließlich Gerichte zu befinden. Punkt! Aus! Und genau deshalb ist es wichtig, dass den Lesern der nnz noch einmal die Situation “an die Hand” gegeben wird.

Bei genauerer Betrachtung des Beschlusses vom Meininger Verwaltungsgericht wird auf Seite 59 des Papiers deutlich, dass außer den vierzehn Buchmann vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen inzwischen auch Strafanzeige gegen ihn „wegen des Verdachts der Verfolgung Unschuldiger und des Verdachts der Rechtsbeugung gestellt“ wurde, weil er „als Beteiligter gegen die Bürgermeisterin ein Disziplinarverfahren nicht habe einleiten dürfen“.

Das Meininger Gericht wollte diesen Umstand in seiner Begründung der Aufhebung von Buchmanns Suspendierung nicht weiter kommentieren. Ohnehin beschäftigt sich nach dem Widerspruch der klageführenden Kommunalaufsicht gegen diese Rücknahme der Dienstenthebung inzwischen das Oberverwaltungsgericht damit und muss es zu einem verbindlichen Urteil kommen. Meiningen hatte lediglich zu einem Beschluss in einem Eilantrag zu kommen, der sich ausschließlich mit der Frage der Verhältnismäßigkeit der getroffenen Maßnahmen der Kommunalaufsicht, nicht aber mit der Relevanz und Strafbarkeit der Vorwürfe an sich beschäftigte.

Der Vorwurf in diesem fünfzehnten und vielleicht am schwersten wiegenden Vorwurf ist aber, Buchmann sei als Vorgesetzter „indem er Aktenmaterial aus dem hiesigen Disziplinarverfahren im Rahmen eines am 28.03.2023 gegen die Bürgermeisterin eingeleiteten Disziplinarverfahrens genutzt habe, als ausgeschlossene Person in einem Verfahren tätig geworden und habe Ermittlungen gegen Unschuldige eingeleitet. Er habe im Rahmen der Eröffnung des Disziplinarverfahrens gegen die Bürgermeisterin vom 28.03.2023 „unter Ziffer 4 (S. 5 bis 26)“ ausführlich auf den Akteninhalt der vierten und fünften Erweiterungsverfügung des hiesigen Disziplinarverfahrens Bezug genommen.“

Die Meininger Kammer teilte diese Rechtsauffassung der Gegenseite nicht, was aber nicht heißt, dass ein Oberverwaltungsgericht oder ein Zivilgericht nicht zu einem anderen Ergebnis kommt und eine Anklage gegen den OB erheben könnte. Die Meininger Kammer resümiert schließlich: „Soweit aus der beigefügten Strafanzeige, erstellt von einer Rechtsanwaltskanzlei, auch ausgeführt wird, die Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen die Bürgermeisterin sei inhaltlich (hinsichtlich der ihr gemachten Vorwürfe) nicht rechtmäßig gewesen und stelle deshalb eine Straftat dar, ist dieser Punkt indes nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens gegen den Antragsteller, sodass er von der Kammer nicht berücksichtigen werden kann.“

Selbst wenn alle vierzehn Verfahrenspunkte gegen den Oberbürgermeister vom Oberverwaltungsgericht abgewiesen werden sollten, bleibt diese strafrechtliche Anzeige bestehen. Der Vorwurf der Rechtsbeugung ist ein sehr schwerwiegender und kann bei einer Verurteilung zu Freiheitsstrafen von ein bis fünf Jahren führen.

Und der kann nun mal nicht durch eine kommunale Wahl einfach weggewischt werden. Insoweit glaube ich immer noch an das Funktionieren unseres Rechtsstaates. Beim Verhalten der aktuellen Unterzeichner des Briefes, besonders der aus den Reihen der SPD, habe ich so meine ganz leichten Zweifel.
Peter-Stefan Greiner

PS: Die Redaktion der nnz hatte diesbezügliche Fragen auch an die Pressestelle des Nordhäuser Rathauses gestellt. Sie konnte aufgrund technischer Probleme leider nicht zugestellt werden. Das konnte am Freitagmorgen erst überprüft werden.