BUND tagte in Nordhausen

Ressourcenschutz im Südharz

Donnerstag
12.10.2023, 08:28 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Die Naturschützer des BUND kamen jüngst in Nordhausen zusammen, um über Ressourcenschutz im Südharz zu diskutieren. Im Fokus stand dabei natürlich vor allem der Gipskarst...

Am Südrand des Harzes erstreckt sich auf etwa 120 km Länge und mit nur wenigen km Breite die Südharzer Gipskarstlandschaft von Osterode in Niedersachsen über Thüringen bis nach Sangerhausen in Sachsen-Anhalt.

Diese Landschaft stellt das größte Gipskarstgebiet Mitteleuropas dar. Hier finden sich vielfältige karsttypische Landschaftselemente wie Erdfälle, Dolinen, Höhlen und Bachschwinden auf engstem Raum, die (weltweit für Karstgebiete einmalig) mit intakten klimastabilen Buchen-Laubwäldern bedeckt sind und einen Hotspot der Artenvielfalt darstellen. Hier nutzen allein 12 Fledermausarten die Karsthöhlen als Unterschlupf, die Wildkatze erreicht hier ihre maximale Bestandsdichte, und neben dem Uhu, der Haselmaus und zahlreichen anderen bedrohten Arten überleben hier bis heute auch einige seltene alpine Pflanzenarten als Eiszeitrelikte.

Doch diese einzigartige Schatzkiste der Natur ist bedroht: internationale Konzerne nutzen den Gipskarst, um hier den Rohstoff für billige Baustoffe wie Gipsplatten im Tagebau abzubauen, und zerstören damit großflächig und unwiederbringlich diese einzigartige Landschaft und ihre Biodiversität. Mehr als 1000 ha Fläche sind inzwischen in Abbau oder für den Abbau vorgesehen – das sind fast die Hälfte aller oberflächennahen Gipskarstflächen – eine Katastrophe für den Klima- und Artenschutz. Und die Gipsindustrie versucht auch weiterhin, sich durch Klagen gegen die Raumordnungspläne und Naturschutzgebietsverordnungen und Druck auf die Politiker der benachbarten Kommunen den Zugriff auf weitere Abbaugebiete zu verschaffen.

Auf diesem Hintergrund luden der BUND-Landesverband Thüringen und der Bundesarbeitskreis Abfall und Rohstoffe des BUND für den 06.10. Politiker, Behörden und interessierte Bürger zu einer Fachtagung „Ressourcenschutz im Südharz“ nach Nordhausen ein, um mögliche Alternativen zu diesem Raubbau an Naturgips zu diskutieren.

Die mehr als 80 Anwesenden wurden durch den Gastgeber dieser Fachtagung, den gerade in einer bundesweit viel beachteten Stichwahl gegen einen AfD-Kandidaten wiedergewählten parteilosen Oberbürgermeister von Nordhausen, Kai Buchmann, herzlich willkommen geheißen. Danach erläuterten Innenminister Wolfgang Tiefensee (Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und digitale Gesellschaft) sowie Staatssekretär Dr. Burkhard Vogel (Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz) die Politik der Landesregierung, die vorgesehenen Festlegungen durch den Regionalplan und die rechtliche Situation in Bezug auf die Bewilligungen des Gipsabbaus. Dr. Peter Fröhlich von der TU Bergakademie Freiberg in Sachsen veranschaulichte die technischen und chemischen Möglichkeiten, aus Phosphorgips, der als Beiprodukt Herstellung von Phosphorsäure für Düngemittel entsteht, Gips als Baustoff sowie einige Elemente der Gruppe der Seltenen Erden zu gewinnen. Rolf Buschmann und Janine Korduan vom BUND referierten über die Notwendigkeit eines Ressourcenschutzgesetzes, Abfallvermeidung und Recycling.

In den Diskussionen wurde deutlich, dass der von der Industrie angegebene Bedarf an Naturgipsabbau deutlich zu hoch gegriffen ist und schon die bereits heute für den Abbau genehmigten Flächen zur Deckung dieses Bedarfs weit über den üblichen behördlichen Planungshorizont hinaus ausreichen. Darüber hinaus ist ohnehin der von der Industrie errechnete Bedarf selbst schon überschätzt, da sie mit einem hohen Exportanteil und mit einer unveränderten Weiterführung der bisherigen Geschäfte („Business as usual“) auch trotz der in den nächsten Jahren dringend erforderlichen Veränderungen (Energiewende, Verkehrswende usw.) rechnet.

So wird trotz einer im Zuge des deutschen Kohleausstiegs zurückgehenden Menge an zur Verfügung stehendem REA-Gips aus Rauchgas-Entschwefelungsanlagen dieser Rückgang nur langsam erfolgen. Und er kann durch den Einsatz von Gips aus chemischen Prozessen und Phosphorgips aus bestehenden Halden weitgehend kompensiert werden. Zudem kann der Verbrauch an Gips als Baustoff insgesamt deutlich reduziert werden, indem naturgipsfreie Platten auf der Basis von nachwachsenden Rohstoffen oder Lehm vermehrt eingesetzt werden. Wenn die aus Gips gefertigten Produkte von vornherein im Design auf eine einfache Demontage am Ende ihrer Einsatzzeit zum Zwecke einer Weiterverwendung an anderer Stelle, einer Reparatur sowie einer leichteren sortenreinen Trennung und Recycling hin ausgerichtet werden, kann ihre Lebensdauer deutlich erhöht und die Recyclingquote von Gips gegenüber dem heutigen niedrigen Stand deutlich gesteigert werden.

Bei einem konsequenten Ausbau dieser Alternativen zu Gips als Baustoff und einer konsequenten Kreislaufwirtschaft mit Vermeidung, deutlich höheren Anteilen bei der Weiterverwendung, Reparatur und Recycling ist der Abbau von Naturgips langfristig unnötig.

Der BUND fordert daher den Verzicht auf die Ausweisung und Genehmigung weiterer Flächen für den Gipsabbau und den endgültigen Ausstieg aus dem Naturgipsabbau bis spätestens 2045. Dabei sollten auch bereits als Abbaugebiete ausgewiesene oder genehmigte Flächen möglichst nicht mehr angetastet werden.

Jeder einzelne Konsument kann seinen Beitrag dazu leisten. Hier einige Vorschläge:
  • Achten Sie auf die Verwendung von Produkten aus Gips aus Recycling oder aus Sekundärrohstoffen wie REA-Gips oder Chemiegips oder aus nachwachsenden Rohstoffen als Gips-Alternativen.
  • Fordern Sie entsprechende Herkunftsnachweise und Zertifikate bei den Herstellern ein.
  • Entdecken Sie diesen einmaligen Hotspot der Artenvielfalt in Urlaub und Freizeit bei Wanderungen und stärken Sie den Tourismus in der Region als Alternative zum Gipsabbau.


Schreiben Sie an Ihre lokalen Politiker und Landtags- und Bundestagsabgeordneten und weisen Sie auf die Einmaligkeit und Unersetzbarkeit der Gipskarstlandschaft im Südharz hin.

Unterstützen Sie die Aktivitäten des BUND und der anderen Naturschutzverbände zum Erhalt dieser Landschaft, zum Beispiel durch Mitgliedschaft, Spenden und gerne auch durch die aktive Mitarbeit an den Pflegemaßnahmen der jeweiligen Ortsgruppen.
Volker Molthan, Sprecher des Bundesarbeitskreises Abfall und Rohstoffe des BUND