Auch der Kreistag fordert Versöhnung mit Buchmann

Nachschlag gegen Jendricke

Mittwoch
11.10.2023, 20:35 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Nachdem in der vergangenen Woche die vereinigten Kirchenvorstände der Kreisstadt mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit traten, um Landrat Jendricke zur Niederschlagung aller anhängigen Verfahren gegen den wiedergewählten Nordhäuser Oberbürgermeister Buchmann zu bewegen, folgt nun der zweite Paukenschlag. Ebenfalls aus der Rubrik „unglaublich“ …

Werden wohl keine Freunde mehr: Landrat Matthias Jendricke und Oberbürgermeister Kai Buchmann (Foto: nnz Archiv) Werden wohl keine Freunde mehr: Landrat Matthias Jendricke und Oberbürgermeister Kai Buchmann (Foto: nnz Archiv)

Der nnz ist heute ein Papier zugeschickt worden, dem eine noch größere Brisanz zugeschrieben werden muss, als der Brief letzte Woche. Zwei ehemalige und 30 aktive Kreistagsmitglieder fordern in einem Schreiben an Landrat Jendricke „die Beschwerde gegen die Aufhebung der Suspendierung des Oberbürgermeisters der Stadt Nordhausen, Kai Buchmann, am Verwaltungsgericht Meiningen zurückzunehmen.“ Nach Auffassung der kompletten CDU-Fraktion (mit Ausnahme von Daniel Holzhause und Ellrichs Bürgermeister Henry Pasenow), zwei der drei FDP-Kreisräte (nur Ingmar Flohr distanziert sich ausdrücklich von dem Schreiben) und drei GRÜNEN-Mitglieder, aber auch zwei von drei Bürgerlisten-Fraktionäre (Buchmann selbst hat nicht unterzeichnet) sowie der fast kompletten LINKE-Fraktion und selbst fast allen Kreisräte der Partei Jendrickes (SPD) wäre durch diesen Schritt „die nötige Ruhe und Sicherheit gegeben, die alle Beteiligten benötigen, um ihre Amtsgeschäfte gemäß ihrem Auftrag im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu erledigen.“ Das hier verniedlichend „Beschwerde“ genannte offizielle Dienstpflichtverletzungsverfahren gegen Kai Buchmann umfasst 14 ausführlich ausgeführte Punkte.

Lediglich die Ex-Oberbürgermeisterin Barbara Rinke und Patrick Börsch aus Reihen der SPD-Fraktion verweigerten ihre Zustimmung zu dem in der Nordhäuser Politikgeschichte der Nachwendezeit beispiellosen Akt kollektiver Willensbekundung. Bei der LINKE habe Matthias Mitteldorf und Tim Rosenstock nicht mit unterschrieben. Als ob diese beiden fehlenden Stimmen ausgeglichen werden müssten, haben dafür die Ex-Beigeordneten der LINKEN im Landratsamt Loni Grünwald und Hannelore Haase mit gezeichnet.

Keine Unterschrift ist von der AfD-Fraktion geleistet worden, was die nnz dazu veranlasste, bei allen Kreistagsfraktionen nachzufragen, ob ihre Mitglieder unterschrieben hätten und mit welchen Motiven sie eine Verfahrenseinstellung mit möglichen disziplinarischen Folgen rechtfertigen wollten. Bisher antwortete nur die CDU-Fraktion ausweichend und ohne konkrete Antwort sowie besagte AfD-Fraktion. Deren Vorsitzender Jörg Prophet schrieb uns, dass seine Abgeordneten bezüglich einer Willenserklärung von niemandem angesprochen wurden. „Als rechtsstaatliche Partei würden wir uns auch jedem Versuch einer Rechtsbeugung widersetzen“, schreibt Prophet weiter und ergänzt: „Beim beschriebenen Vorgang geht es um einen Rechts- und Verwaltungsvorgang mit klaren Abläufen und nicht um das „Gutdünken“ privater oder amtlicher Personen.“

Die Unterzeichner des Forderungsbriefes haben offensichtlich ein gänzlich anderes Rechtsverständnis, denn sie halten in ihrem Brief fest: „Oberbürgermeister Kai Buchmann hat im Rahmen der Stadtratssitzung vom 27.09.2023 künftig eine konstruktive Zusammenarbeit und Verbesserungen in der Kommunikation angeboten.“

Als wären damit die Anschuldigungen vom Tisch, als könnten die Kreistagsabgeordneten dem Verwaltungschef einer anderen Gebietskörperschaft die Absolution erteilen. Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch zu erfahren, ob die Stadtratsfraktionen all dieser einheitlich im Angriff auf ihren Landrat vereinten Parteien die Auffassung ihrer Parteigenossen im Kreistag teilen, oder ob der zur -Zitat aus dem Brief - „künftig konstruktiven Zusammenarbeit“ bereite Kai Buchmann vielleicht seinerseits das Disziplinarverfahren gegen seine Bürgermeisterin eingestellt hat, um seinen Aussagen vor dem Stadtrat Nachdruck zu verleihen und einen Neuanfang zu demonstrieren. Es ist uns zudem nicht bekannt, dass der Herr Buchmann einen ähnlichen Brief mit Friedenswünschen der Fraktionen erhalten hätte.

An anderer Stelle fordern die besorgten Kreistagsmitglieder: „Persönliche Animositäten und Befindlichkeiten sollten strikt in den Hintergrund treten. Sorgen Sie für Frieden in der Stadt Nordhausen, gemeinsam haben wir das Ziel Nordhausen und seinen Landkreis als Leuchtturm von Nordthüringen weiterzuentwickeln und als Oberzentrum zu etablieren.“

Wer wann daran gezweifelt hat, ob es sinnvoll wäre, Nordhausen zu einem Oberzentrum zu etablieren, wollen wir hier mal außen vor lassen.

Der abschließende Absatz des Briefes an Matthias Jendricke erinnert an längst vergessen geglaubte Zeiten von Kollektivbestrafungen und öffentlicher Selbstkritik und zeugt von wenig Verständnis verwaltungsrechtlicher Prozesse. Die 33 Unterzeichner formulieren dort: „Wir fordern Sie auf, den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Meiningen, sowie das Wahlergebnis für die Stadt Nordhausen vom 24.09.2023 anzuerkennen und weiteren persönlichen Streit einzustellen.“

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts aber war lediglich auf die Aufhebung der Suspendierung Buchmanns ausgerichtet und die offen gebliebenen Anschuldigungen werden inzwischen vom Oberverwaltungsgericht geprüft. Zusätzlich läuft ein strafrechtliches Verfahren gegen Buchmann wegen Rechtsbeugung. Ausgang offen.
Olaf Schulze

update: Reaktionen der Fraktionen auf unsere Anfrage:

Dass die Mitglieder des Kreistages den Landrat auffordern:"die disziplinarrechtlichen Vorgänge gegen den Nordhäuser OB einzustellen" ist unrichtig. Das Meininger VG hat entschieden, dass die Suspendierung des OB aufzuheben sei und er ins Amt zurück kehren könne. Dagegen hat der Landrat Beschwerde eingelegt. Um die Rücknahme dieser Beschwerde wird in dem gemeinsamen Brief ersucht. Laufende Disziplinarverfahren bleiben davon unberührt.
Kai Liebig (BLS)

In dem Brief geht es darum, die Aufhebung der Suspendierung durch das Landesverwaltungsgericht anzuerkennen und der Sacharbeit den Vorrang zu geben.
Ich denke, dass ist nachvollziehbar und im Sinne unserer Region.
Die anderen Punkte wurden gar nicht angesprochen.
Wir können nicht erwarten, dass unser Landkreis an Bedeutung gewinnt und die Stadt Nordhausen zum Oberzentrum wird wenn sich die politische Debatte nur um Befindlichkeiten dreht und pragmatische Sacharbeit auf der Strecke bleibt.
Franka Hitzing (FDP)