Festakt zum Nationalfeiertag

Klänge der Einheit

Dienstag
03.10.2023, 22:38 Uhr
Autor
red
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Landtagspräsidentin Birgit Pommer (Foto: agl) Landtagspräsidentin Birgit Pommer (Foto: agl)
33 Jahre ist es her, dass aus zwei getrennten Teilen wieder ein Ganzes wurde. Wie weit der Zusammenschluss gelungen ist, was fehlt, was noch zu tun ist - darüber wird seitdem lebhaft gestritten. An ihrem Ende ist die Wiedervereinigung noch nicht, war heute Abend im Nordhäuser Theater zu vernehmen…

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow beim zentralen Festakt des Freistaates zum Tag der Deutschen Einheit in Nordhausen (Foto: agl) Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow beim zentralen Festakt des Freistaates zum Tag der Deutschen Einheit in Nordhausen (Foto: agl)


Der Worte vieler fielen heute anlässlich der 33. Wiederkehr der Deutschen Einheit im Nordhäuser Theater, oder genauer in dessen neuem Anbau. Der zentrale Festakt des Freistaates Thüringen sollte hier stattfinden, bewusst gewählt, weit weg vom Erfurter Speckgürtel und dem politischen Alltag im Landesparlament. Das Haus ist neu, es fließt viel Geld und Kraft in das Theater, die freie Kunst und in den Norden Thüringens. Ein symbolträchtiger Ort für diesen Tag und für die Botschaft, die man zu verkünden gedachte.

Nach der musikalischen Overtüre durch das Loh-Orchester und die einleitenden Töne von Carl Maria von Webers „Oberon“ - sanfte, versöhnliche Klänge unterbrochen von frenetischer Energie - hatte der Ministerpräsident das Wort. Bodo Ramelow begann mit der Selbstverständlichkeit dieses Tages, da man kaum noch ahnend wo einst die Grenze war, durch Deutschland reisen kann. Was damals war, vor der Wiedervereinigung, das wolle man nicht zurück und was noch in der Zukunft liegt, das könne man gestalten.

In der Selbstverständlichkeit werde dabei aber auch vergessen, dass man auf das seitdem Geschaffene, bei allen Problemen mit denen man zu kämpfen hatte und zu kämpfen hat, doch Stolz sein könne. Das gelte gerade auch für Nordhausen und für Thüringen. Firmen wie Maximator, Schachtbau, Feuer powertrain zeugten von der anhaltenden Stärke der Region und auch Thüringen müsse sich, bei genauerer Betrachtung, nicht verstecken und nur gemeinsam sei das Land die viertstärkste Industrienation des Planeten, woran auch der Freistaat seinen Anteil habe, sagt Ramelow. Es habe Brüche gegeben, die schmerzhaft gewesen seien und manches sei auch ihm noch in lebhafter Erinnerung, wie die Abwicklung der DDR Betriebe. Es gebe manches, dass man nicht erklären könne, weil es immer noch schlicht nicht in Ordnung sei, wie die anhaltende Diskrepanz der Renten zwischen Ost und West. Und es gäbe frische Wunden wie die, die von der Corona Krise geschlagen wurden. Über solche Verletzungen müsse man miteinander reden können, ohne einander nieder zu machen.

Grenzzaun, Minenfeld und Selbstschussanlagen gehören der Vergangenheit an und die Realität von damals liegt so weit zurück, dass man den eigenen Kindern erklären müsse, wie es einmal gewesen ist, vor über 33 Jahren. Dass die friedliche Revolution nicht in Gewalt endete, wirke bis heute nach und bis heute müsse man Gorbatschow dankbar sein, dass kein Schuss gefallen ist. Und hier könnte die Welt von heute mehr vom damals gebrauchen: mehr Frieden und weniger Waffenlogik.

Was am 3. Oktober vor 33 Jahren geschehen ist, sei im ersten Moment nur ein Verwaltungsakt, begann Landtagspräsidentin Birgit Pommer ihre Rede. Die Folgen seien messbar und deutlich gewesen: eine halbe Million Einwohner hat Thüringen verloren, man wurde Niedriglohnland, DAX Unternehmen gibt es im ganzen Osten kein einziges, ein Ost-West Gefälle bleibt bestehen. Aber es habe gleichsam sichtbare Verbesserungen gegeben, gerade an einer Stadt wie Nordhausen könne man sehen, wie die Menschen sich vieles ins Positive gewandelt hätten - sei es anhand der Hochschule, dem Bau der Autobahn, der Landesgartenschau, der Ansiedlung neuer Unternehmen oder auch dem Theater, dessen freies Kunstschaffen ohne die Einheit so nicht möglich wäre.

Die Wiedervereinigung, sagt Pommer, ist noch nicht abgeschlossen. Es brauche eine „Einheit auf Augenhöhe“, die die Menschen Ernst nimmt statt über sie zu urteilen. Die Mittel, die es dafür brauche, habe man vielfach schon in der Hand, verankert in der Thüringer Verfassung. Bediene man sich ihrer, werde aus dem reinen Vertrag eine gelebte Demokratie. Und wie die unterschiedlichen Klänge im Zusammenspiel des Orchesters zueinander finden, mal ruhig und sanft, mal energiegeladen und stürmisch, könne auch die Einheit klingen.
Angelo Glashagel